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Projekte ermöglichen, die sonst in den Filtersystemen stecken bleiben

Autoren haben bereits zahlreiche Erfolge mit Crowdfunding gelandet, Verlage halten sich weitestgehend zurück, diesen neuen Weg der Finanzierung zu testen. Zu den Ausnahmen zählt Tokyopop. Der laut Gfk zweitgrößte deutsche Manga-Verlag will gemeinsam mit dem Comickünstler Daniel Lieske (Foto: li.) dessen Web-Comic „Wormworld Saga“ in Buchform für ein englischsprachiges Publikum herausbringen. Die Schwarmfinanzierung soll im zweiten Halbjahr beginnen. Im Interview nennt Geschäftsführer Joachim Kaps (re.) Details zum Projekt.


Am Freitag, 28.3.2014 zeigt buchreport in einem Webinar Perspektiven von Crowdfunding für die Buchbranche. Hier erhalten Sie weitere Infos.


Lieskes „Wormworld Saga“ feiert als Web-Comic Furore. Nachdem das erste Kapitel im Dezember 2010 online ging, erreichte der Autor in den Folgejahren Millionen Leser. Die „Frankfurter Rundschau“ nannte Lieske „einen der weltweit am meisten gelesenen und zugleich unbekanntesten deutschen Comiczeichner“. 
Neben dem Web-Comic koppelte Lieske – zunächst Grafiker in der Computerspiel-Branche, ab Mitte 2011 aber in Vollzeit auf die Weiterentwicklung seiner „Wormworld Saga“ gepolt – Apps aus, für die er erfolgreich per Crowdfunding Geld gesammelt hatte. Mit einer weiteren Crowdfunding-Kampagne beschaffte sich Lieske die Anfangsinvestition für die Einrichtung eines Fan-Shops auf der Webseite. 2012 erschien eine gedruckte Ausgabe der ersten Kapitel bei Tokypopop.

In diesem Jahr soll es weitergehen mit einer dritten Crowdfunding-Kampagne, mit der eine englischsprachige Buchausgabe finanziert werden soll. Im Interview beschreibt Joachim Kaps die Hintergründe und Ziele – und wirbt dafür, dass Verlage stärker Crowdfunding einsetzen.
Wie ist die Idee entstanden, eine englische Print-Ausgabe Ausgabe herauszubringen?
Uns stellt sich bei dem internationalen Rollout des Projekts die Herausforderung, dass über 70% der Online-Leserschaft der „Wormworld Saga“ englischsprachig sind. Aus den beiden Kickstarter-Kampagnen des Autors wissen wir, dass viele der Fans ein Buch in Händen halten wollen, obwohl der Comic in der Onlineversion komplett kostenlos gelesen werden kann. Bei der Suche nach Partnern für den US-Markt stellte sich uns das Problem, dass es zwar viele Interessenten gab, diese aber in der Regel einen deutlich größeren Teil vom Rechtekuchen abhaben wollten als der Autor derzeit abgeben möchte. Das Potenzial einer Online-Leserschaft von über 2 Mio Menschen ist gewaltig, über die Schritte der weiteren Verwertung möchte Daniel Lieske aber mitentscheiden können.
Warum Crowdfunding?
Crowdfunding ist ein ideales Tool, um den Wunsch der Community zu befriedigen, ohne zu viele Zugeständnisse an einen amerikanischen Verlag zu machen. Daniel hat bereist bewiesen, dass seine Fans ihn unterstützen: Rund 25.000 Dollar haben die Fans für die Umsetzung der „Wormworld Saga“-App aufgebracht, weitere 20.000 Dollar für die Entwicklung des Merchandise-Shops zum Thema. Da auch in den Kampagnen immer wieder die Frage nach der englischen Ausgabe des Buchs laut wurde, sind wir uns sicher, dass auch das klappen wird. Und vielleicht überlegt sich bei entsprechendem Erfolg doch noch der eine oder andere amerikanische Verlag, ob nicht auch das Buch alleine ein lohnenswertes Projekt wäre. Starten werden wir in der zweiten Jahreshälfte und sehr eng an die bisherigen Kampagnen zur „Wormworld Saga“ anknüpfen. Wichtig wird es dabei vor allem sein, der englischsprachigen Community transparent zu machen, warum wir diesen Weg gehen wollen, obwohl Daniel bereits Verlage für Deutschland und Frankreich hinter sich stehen hat.
Was muss ein Autor mitbringen, damit Crowdfunding funktioniert? 
Crowdfunding ist immer dann ein besonders geeignetes Tool, wenn der Autor bereits eine Community hat. Im Fall der „Wormworld Saga“ hat diese Community schon so vieles möglich gemacht, dass wir guter Dinge sind, dass sie uns auch bei der englischsprachigen Ausgabe helfen werden.
Sollten sich Verlage stärker mit Crowdfunding befassen? 
Ich finde ja. Crowdfunding kann Projekte möglich machen, die in den Filtersystemen des klassischen Buchmarkts stecken zu bleiben drohen. Nur haben diese Filtersysteme eben nicht immer zwingend mit den Interessen der Leser zu tun. Einige der erfolgreichsten Kampagnen auf Kickstarter haben unter anderem dadurch gepunktet, dass sie der Crowd deutlich gemacht haben, dass die bestehenden Vertriebskanäle der Meinung sind, die anvisierten Zielgruppen seien zu klein. Bei den Computerspielen war dies z.B. im Falle klassischer Adventure-Abenteuerspiele der Fall. Hier haben die Vertriebe der großen Anbieter und der Handel irgendwann für sich definiert, dieses Genre nicht mehr bedienen zu wollen. Es hat aber nach wie vor zahlreiche Fans weltweit, die gerne bereit waren, die Produktion neuer Spiele finanziell zu unterstützen.

Auch wir würden als deutscher Verlag an sich keine englischen Ausgaben unserer Bücher umsetzen, weil wir sehr stark an lokales Marketing glauben. Wenn wir hierfür aktuell aber nicht den passenden Partner finden, gibt es inzwischen durchaus Alternativen. Spätestens seit der Finanzierung des „Stromberg“-Films und der Animation zu „Nichtlustig“ ist der Beweis erbracht, dass Crowdfunding auch mainstreamtauglich ist. Vielleicht nicht für die nächste Staffel von „Stromberg“ oder das nächste „Nichtlustig“-Buch, von denen man weiß, dass sie auch in den klassischen Märkten umzusetzen sind. Sehr wohl aber, wenn mit einem Kinofilm oder der Trickserie neue Wege gegangen werden sollen.

Worauf kommt es an, um solche Kampagnen zum Erfolg zu führen?
Auf zwei Werkzeuge, die unserer Branche bei all den strukturellen Herausforderungen der letzten Jahre ein wenig verloren zu gehen scheinen: Die Liebe zum Buch und ehrliche Dankbarkeit gegenüber all jenen, die uns bei dem Projekt helfen. Wer sich an einer Crowdfunding-Kampagne beteiligt, möchte eine Idee möglich machen, die das Engagement wert ist. Natürlich freuen sich Unterstützer über hübsche Prämien, die nach Möglichkeit eine hohe ideelle Wertigkeit haben sollten, wie z.B signierte Drucke, Artikel, die es so nicht im Handel  gibt, etc. Die eigentliche Belohnung für einen Unterstützer ist es aber, der Idee bei ihrer Umsetzung geholfen zu haben. Und unsere Idee ist eine englischsprachige Ausgabe, die möglich werden soll, ohne dass der Autor zurzeit mehr Rechte abtreten muss als er möchte.

Daniel Lieske über die Vorteile von Crowdfunding und seine Erfahrungen:

Daniel Lieske über die Funktionsweise von Crowdfunding:

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