Jens-Uwe Meyer begleitet mit seiner Beratungsfirma Innolytics Entwicklungsprozesse für radikale Innovationen. Von den weltweit 50 innovativsten Unternehmen zählt er sechs zu seinen Kunden. Er unterstützt Vorstände sowie Entwicklungsabteilungen dabei, ihre Innovationskultur zu etablieren. Im HR-Channel von buchreport.de beschreibt er die Werkzeuge, die er dabei anwendet.
Das Innovation Ecosystem Ihres Unternehmens
Der beste radikale Innovator ist bis heute die Natur. Ob es der Mimic Octopus ist, ein Tintenfisch, der im Bruchteil einer Sekunde seine Farbe ändern, die Gestalt einer Flunder annehmen oder sich als Seespinne tarnen kann, die Organisation eines Ameisenhaufens oder Pflanzen, die monatelang in der trockenen Wüstenhitze überleben können, bevor sie wieder anfangen zu blühen. Diese radikalen Innovationen entstanden ohne Prozess, ohne Bewertungskriterien und ohne Innovationsmanager. Ob Tiere oder Pflanzen – der Innovator Natur hat ein Umfeld geschaffen, in dem sich Neues basierend auf den Stärken jedes Individuums durchsetzen kann.
Auch Märkte und Unternehmen sind Ökosysteme – bestehend aus unterschiedlichsten Individuen und Gruppen, die ihre jeweiligen eigenen Strategien und Ziele verfolgen, deren Wertmuster sich voneinander unterscheiden und die über unterschiedlichste Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen. Wenn Sie Ihr Innovation Ecosystem kennen, verstehen Sie, auf welchen Nährboden Innovation in Ihrem Unternehmen fällt.
Das Innovation Ecosystem Ihres Unternehmens hat zwei wesentliche Hauptkomponenten:
- Der Nährboden – Ihre Innovationskultur: Die Analyse Ihrer Innovationskultur zeigt Ihnen auf, welche Art von Innovation die Ausrichtung Ihres Unternehmens, die etablierten Führungsstile und das kreative Umfeld aktuell begünstigt. Dazu analysieren Sie Ihre Innovationskultur anhand von zehn wissenschaftlich abgesicherten Kriterien, die aus über fünfzig internationalen Studien zusammengetragen wurden. Im Kern steht die Frage: Wie gut sind wir in der Lage, radikale Innovation voranzutreiben und am Ende wirklich umzusetzen?
- Das Umfeld – Ihr Innovationsnetzwerk: Wenn Sie den Blick nur auf Ihre internen Ressourcen richten, verpassen Sie die Chancen, die sich aus einer engen Zusammenarbeit mit Kunden, Partnern, Lieferanten oder Experten ergeben. Die Analyse Ihres Ökosystems zeigt Ihnen auf, welche Ressourcen Sie außerhalb Ihres Unternehmens schnell und effektiv nutzen können.
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Durch die Analyse Ihres Innovation Ecosystem entwickeln Sie von der ersten Sekunde an Innovationen, die Sie später auch umsetzen können, beziehungsweise Sie erkennen in den verschiedenen Phasen später sofort, was Ihnen zur Umsetzung fehlt. Mitbewerber können Sie nicht so schnell kopieren. Ihre Ideen können gestohlen werden, Ihre Stärken nicht. Sie erfahren, wie Sie Ihr Unternehmen weiterentwickeln müssen, damit Ihre Innovationsprojekte erfolgreich umgesetzt werden können.
Ihre Innovationskultur – Der Nährboden für radikale Innovation
Menschen, die radikale Innovation vorantreiben, denken anders und handeln anders. Stillstand ist für sie ein Grauen, Veränderung eines der höchsten Güter und sie haben Spaß daran, etablierte Strukturen aufzubrechen. Selbst wenn Sie die perfekten Innovationsstrukturen für radikale Innovation hätten, aber keine wild entschlossenen Menschen, die diese Innovationen vorantreiben, hätten die Projekte wenig Aussicht auf Erfolg. Haben Sie diese Menschen in Ihrem Unternehmen? Haben Sie die Strukturen verankert, die Sie brauchen, um radikale Innovation voranzutreiben? Die Analyse Ihrer Innovationskultur zeigt Ihnen, wo Sie stehen.
Ihr Innovationsnetzwerk – Das Umfeld
Das Innovation Ecosystem eines Unternehmen besteht aus mehr als nur dem Unternehmen selbst. Gerade für radikale Innovation ist es wichtig, über den Tellerrand hinauszublicken und Kontakte zu pflegen, die das bringen, was beim Chiphersteller Intel die Bezeichnung Outsider Advantage trägt: Den Blick von außen und Ideen, die nicht durch die interne Brille vorgefiltert werden.
Beispiel: Ende 2011 hatte Jürgen Schaar einen großen Auftritt. Der Geschäftsführer der Firma mobilefirst UG aus Hannover gewann mit seiner App iSolaris den Innovationspreis der Deutschen Telekom.
Schaar hatte eine App für das iPad programmiert, die die Installation von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern drastisch vereinfacht. Statt mit bislang fünf Werkzeugen wie Kompass, Kamera, Sonnenbahnindikator, Zollstock und Winkelmesser können Installateure dank der App Solaranlagen deutlich schneller installieren: iSolaris misst den Winkel, die Dachfläche und über Augmented Reality sogar den Sonnenverlauf. Warum tut die Telekom das? Gehört es zur Kernkompetenz des Unternehmens, Start-up-Unternehmen zu fördern? Nein. Der Grund ist einfach: Als die Deutsche Telekom den Preis ausschrieb, erhielt sie zahlreiche Bewerbungen von jungen kreativen Unternehmern, die seitdem zum Inspirationsnetzwerk des Konzerns gehören.
Zum Innovationsnetzwerk können gehören:
- Lieferanten, die ein berechtigtes Interesse daran haben, gemeinsam mit Ihnen eine engere Partnerschaft einzugehen, und die eigene Entwicklungszeit zur Verfügung stellen
- Kunden, die sich in der Vergangenheit durch wiederholte Produktvorschläge hervorgetan haben und den kreativen Input geben
- Mitarbeiter anderer Unternehmen, die Erfahrungen im Umgang mit radikaler Innovation haben
- kreative Unternehmer, die beispielsweise gerade ein Start-up gegründet haben
- Methodenspezialisten, die Ihnen wertvolle Hinweise auf Denktechniken und ihre Anwendungen geben
- Studenten, die Bachelor- und Masterarbeiten zu einem Thema rund um Ihr Innovationsprojekt geschrieben haben
- freie Mitarbeiter von Werbeagenturen oder kleineren Beratungsfirmen, die das Projekt als Chance für einen möglichen Einstieg in Ihr Unternehmen sehen
- Grundlagenforscher, die sich intensiv mit Teilen Ihres Innovationsprojektes (beispielsweise der Entwicklung von Algorithmen oder neuartigen Materialien) beschäftigen
- besonders kreative Menschen, die Ihnen in Ihrem beruflichen oder privaten Umfeld aufgefallen sind, weil sie viele Ideen und Inspirationen in Projekte einbringen.
Nicht umsonst verbringen hoch innovative Manager viel Zeit damit, ein persönliches Netzwerk aufzubauen und zu pflegen.
Beispiel: Microsoft erweitert sein Innovationsnetzwerk regelmäßig durch das weltweit operierende Programm Microsoft BizSpark. Teilnehmen kann, wer ein softwarebasiertes Produkt oder einen Dienst als Kernstück seiner unternehmerischen Tätigkeit entwickelt. Microsoft zielt dabei darauf ab, Start-ups aus der Softwarebranche in der Gründungsphase zu beschleunigen.
Innovation Seeds: Das Saatgut für neue Wachstumschancen
Innovation Seeds aus Lösungskompetenzen ableiten
Woraus kann – basierend auf dem, was Sie tun – Neues erwachsen? Die Lösungskompetenzen Ihres Unternehmens sind die erste Quelle für Innovation Seeds, aus denen neue Keimlinge entstehen und unter den richtigen Bedingungen neue Pflanzen heranwachsen können. Ihre Lösungskompetenzen bestehen aus allen Lösungen, die Sie auf Basis Ihres derzeitigen Wissensstands entwickeln und in neue Felder transferieren können, seien diese Felder nun neue Märkte, neue Produkte, neue Dienstleistungen, neue Vertriebswege oder radikale Prozessinnovationen.
Die Analyse Ihrer Lösungskompetenzen ist mehr als eine bloße Aufstellung Ihrer Kompetenzen. Es ist eine Neubetrachtung und -bewertung Ihres Wissens. Nur wenn Sie Ihr Know-how radikal neu definieren, können Sie daraus Chancen für radikale Innovationen ableiten.
Im Mittelpunkt der Analyse stehen vier Fragen, die es zu beantworten gilt:
- Was tun wir?
- Welches Know-how steckt dahinter?
- Was nützt dieses Know-how?
- Welche konkreten Innovationschancen (Innovation Seeds) lassen sich daraus ableiten?
Innovation Seeds aus versteckten Kundenbedürfnissen ableiten
„Wir wissen genau, was unsere Kunden wollen.“
„Wozu soll ich meine Kunden fragen? Ich kenne sie doch.“
„Meine Kunden erzählen mir ihre Probleme offen und ehrlich.“
Wissen Sie alles über Ihre Kunden? Das ist die denkbar ungünstigste Voraussetzung für radikale Innovation. Antworten wie diese führen geradewegs in die Zufriedenheitsfalle: Weil alles prima läuft, weil die Kunden zufrieden sind und weil sie dem Unternehmen dankbar jedes ihrer Probleme erzählen, vergessen Sie irgendwann, tiefer zu bohren. Wozu auch? Es ist doch alles bekannt.
Beobachten Sie! Und hinterfragen Sie das Offensichtliche!
Bei inkrementeller Innovation können Sie Kundenbedürfnisse häufig durch einfaches Nachfragen herausbekommen und entsprechende Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle entwickeln. Radikale Innovation geht einen Schritt weiter. Kundenbedürfnisse existieren, aber sie werden erst durch die Beobachtungen und Thesen des Interviewers artikuliert. Das stellt höchste Ansprüche an die Auswahl der Interviewer: Sie müssen in der Lage sein, während eines Interviews neue Thesen aufzustellen, das Gegenüber damit zu konfrontieren und aus den Antworten erste Chancen abzuleiten.
Beispiel: Diese Geschichte ist reif für Hollywood: Mühsam versucht eine Frau, bei strömendem Regen auf einer Raststätte ihren schwerbehinderten Mann vom Rollstuhl ins Auto zu heben. Der Rollstuhl rutscht ab, der Mann fällt. Roland Arnold beobachtet diese Szene und eilt zur Hilfe. Während er dem Mann ins Auto hilft, kommt ihm die Idee für eine Firma. Das war 1997. Heute hat das Unternehmen 128 Mitarbeiter: Paravan ist eine Firma, die radikale Innovationen für Behinderte entwickelt hat: Autos, mit denen selbst Schwerstbehinderte fahren können.
Unerkannten Bedürfnissen auf der Spur: Warum klassische Marktforschung versagt
Welche Rolle spielt Marktforschung? Einerseits ist es ein unverzichtbarer Bestandteil von Innovation, andererseits liefern deren klassische Instrumente häufig nur Erkenntnisse, die ohnehin schon bekannt waren. Die klassischen Instrumente der Marktforschung sind für radikale Innovation schlichtweg ungeeignet.
Eine Methode, verdeckte Kundenbedürfnisse ans Licht zu bringen, ist investigative Marktforschung. Sie ist mit investigativer Ermittlungsarbeit oder investigativem Journalismus vergleichbar. Im Gegensatz zur klassischen ist investigative Marktforschung höchst subjektiv.
Entsprechend kommen Interviewer und Beobachter, die Kundenmotive analysieren, vor allem dann zu neuen Ergebnissen, wenn sie ihre neutrale Rolle verlassen. Bei investigativer Marktforschung hängt die Qualität gerade davon ab, wie der Interviewer interagiert, welche Rolle er einnimmt und wie er die Ergebnisse persönlich interpretiert.
Innovation Seeds aus Trends ableiten
Wenn Sie heute bei Google das Wort „Trends“ eingeben, kommen Sie auf ungefähr 890 Millionen Ergebnisse. Sie können die Google-Trend-Seite mit aktuellen Suchtrends abrufen, Technologietrends von Computermagazinen, Markttrends von Beratungsfirmen oder nach verschiedenen Kategorien sortierte Trends spezialisierter Webseiten wie www.trendwatching.com oder www.trendhunter.com.
Die wichtigste Frage, die Sie sich im Zusammenhang mit Trends stellen müssen, lautet heute nicht mehr: Wie kann ich neue Trends erkennen? Sondern: Wie kann ich seriöse Vorhersagen von weniger seriösen unterscheiden? Wie kann ich die Relevanz erkennen? Und welche Chancen kann ich aus Trends ableiten?
Beispiel: Was verbindet die Glühbirne von Thomas Edison mit modernen Smartphones? Das Glas. Die Firma Corning, ein Unternehmen aus dem US-Bundesstaat New York, entwickelte 1879 das Glas für Edisons neue Glühbirne – inklusive eines Herstellungsprozesses, der die Massenfertigung erst ermöglichte. Ohne Corning hätte Edisons Glühbirne ihren Siegeszug um die Welt niemals angetreten.
Mehr als 140 Jahre später ist das gleiche Unternehmen ein Teil des Siegeszugs moderner Smartphones: Das von Corning entwickelte Gorilla-Glas findet sich auf mehr als 500 Millionen Endgeräten – Apple, HTC, LG, Motorola, Nokia und Samsung verwenden das speziell entwickelte, leichte, aber extrem bruchsichere Material.
Aus: Jens-Uwe Meyer, Radikale Innovation. Verlag Business Village 2016, 256 Seiten, 24,80 Euro
Mit zehn Büchern (u.a. „Digitale Disruption“, „Genial ist kein Zufall“) gilt Dr. Jens-Uwe Meyer als ein führender Vordenker und Keynote-Speaker für das Thema Innovation. Er gehört zur exklusiven Riege der Meinungsmacher beim manager magazin. Gemeinsam mit den Top-Entscheidern deutscher und internationaler Unternehmen entwickelt er jeden Tag Zukunftskonzepte. Als Wissenschaftler untersucht er, was Unternehmen zu Innovation Leaders macht. Und als Unternehmer entwickelt er disruptive Software, die das Know-how von Experten wie Kundenberatern, Reisebüros oder Ärzten digitalisiert.
Meyer hat Deutschlands ersten Lehrauftrag für „Corporate Creativity“ an der Handelshochschule Leipzig, wo er unter anderem die kreativen Unternehmensstrukturen der weltweiten Innovationsführer untersuchte. Meyers Werdegang ist ungewöhnlich: Er ist ausgebildeter Polizeikommissar, war Polizist auf der Hamburger Davidwache und ermittelte bei der Rauschgiftfahndung gegen Heroinkartelle. Nach mehr als sieben Jahren verließ er 1990 die Polizei. Er wurde Frühmoderator beim Radio und Journalist. Als Reporter der Voice of America berichtete er hautnah über den US-Wahlkampf, für Pro Sieben aus Krisengebieten wie dem Nahen Osten, Algerien und Bosnien. Er war Programmdirektor eines landesweiten Radiosenders und hat einen MBA in Medienmanagement.
Der Verlag Business Village bietet zu wichtigen Management-Themen Gratis-Bücher unter www.businessvillage.de/ForFree an.
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