Reisen in Parallelwelten und romantische Fluchten

Viele Kinder- und Jugendbuchverlage pflegen ein Fantasy-Programm. Die Spielarten reichen von Geschichten fürs Herz bis zu hartem Horror.

Reisen in gefährliche Parallelwelten, mystische Liebesgeschichten oder in heldenhafte Abenteuer verstrickte Tierclans: Im Kinder- und Jugendbuch zeigt sich das Fantasy-Segment ungebrochen vital. Die Verlage bringen eine Flut neuer Titel heraus; unter den Spitzentiteln im Jugendbuch sind fantastische Inhalte in der Überzahl. Zwar erreichen diese „auf dem deutschen Markt momentan nicht mehr die Verkaufsdimensionen wie vor einigen Jahren, als sich der Jugendbuch-und All-Age-Markt geradezu explosionsartig entwickelte“, beobachtet cbt-Programmleiterin Susanne Krebs. Gleichwohl ist die Fantasy „nach wie vor ein klares und auch sehr innovatives Spitzentitel-Genre“, ein neuer Boom sowie Trend­settertitel seien jederzeit möglich.

Zu den aktuell erfolgreichsten Serien, die auch auf der SPIEGEL-Bestsellerliste landen konnten, gehören u.a.:

• „Warrior Cats“ (Erin Hunter): Die Tierfantasy-Reihe für Leser ab 10 Jahren, die im kommenden Jahr in die sechste Staffel geht, verkauft Beltz seit über acht Jahren sehr gut. Über alle Produktsparten (u.a. Bücher, Kalender, Hörbücher) wurden 3,5 Mio Exemplare abgesetzt. „Die spannenden Abenteuer bieten ihren Fans ein großes Identifikationspotenzial: Die Katzenwelt fasziniert mit ihren elementaren Werten wie Freundschaft, Loyalität, Freiheit, Mut und Stärke – und den starken Charakteren“, begründet Beltz-Vertriebsleiterin Andrea Fölster den Erfolg.
• „Magisterium“ (Cassandra Clare/Holly Black): Die von „Harry Potter“ inspirierte Geschichte um den Nachwuchsmagier „Callum Hunt“ geht im Oktober beim Bastei-Lübbe-Label One in die dritte Runde.
• „Die Farben des Blutes“ (Victoria Aveyard): Band 2 der bei Carlsen erscheinenden Fantasy-Tetralogie mit dystopischen Elementen, die sich an Leserinnen ab 14 richtet, ist im Juli erschienen.
• „Silber“ (Kerstin Gier): 2015 abgeschlossen, bringt Fischer FJB die Trilogie jetzt im Schmuckschuber heraus. Zu den Extras gehören neue Illustrationen von Eva Schöffmann-Davidov, die Veredelung mit Lack und Silberfolie und zudem ein Bonuskapitel: „Silber. Die Hochzeit“. Die 39,99 Euro teure Edition erscheint im Oktober.

Fantasy in allen Spielarten

Dominierende Subgenres wie etwa in den vergangenen Jahren die Dystopie sind derzeit nicht auszumachen. Dafür geben die Verlage zu Protokoll, dass sich das Feld inhaltlich weiter ausdifferenziert hat.

Einen Ausschnitt aus der Vielfalt der fantastischen Spielarten zeigen 3 Novitäten bei Loewe:

• Fantasy meets historischer Roman: In „Young Elites – Die Gemeinschaft der Dolche“ schickt Autorin Marie Lu ihre Heldin in eine märchenhafte Welt, die an das Venedig der Renaissance erinnert.
• Fantasy meets Horror: In seiner neuen Trilogie „Demon Road“ vereint Derek Landy Roadtrip, Coming-of-Age und Horror-Elemente.
• Fantasy meets Zeitreise, Dystopie und Agententhriller: Eoin Colfer schließt seine „Warp“-Trilogie mit dem Band „Die Katzenhexe“ ab.

Ueberreuter setzt im Herbst mit seinem Spitzentitel „Girl in Black“ von Mara Lang auf das Subgenre Urban Fantasy. Im heutigen Berlin treffen Mode, Mafia und Magie aufeinander.

Heike John, Programmleiterin bei Ars­Edition, hebt neben klassischer High Fan­tasy („Goddess of Poison“ von Melinda Salisbury) eine Tendenz zum magischen Realismus hervor. „Insbesondere für die Jüngeren ist dies spannend, da sich die Geschichten – bis auf die fantastischen Elemente – sehr nah an der Lebenswelt der Kinder orientieren“, so John in Hinblick etwa auf die neue Reihe „Magische Häschen“ von Sue Bentley, die im Frühjahr 2017 startet und sich an Kinder ab 7 Jahren wendet.

Ähnliche, im Alltag verankerte Serien für jüngere Leser finden sich auch bei anderen Verlagen.

• „Liliane Susewind“ von Tanya Stewner und „Die magische Glücksbäckerei“ von Kathryn Littlewood bei Fischer KJB.
• „Eulenzauber“ von Ina Brandt bei Arena.
• „Petronella Apfelmus“ von Sabine Städing bei Boje.

Ältere Leser informieren sich online

Beim Marketing driften Kinderbuch und Jugendbuch auseinander. Während beim jüngeren Publikum „mehr auf den Buchhandel und Medienkooperationen mit einschlägigen Zeitschriften“ gesetzt wird, stehen im Jugendbuch die Blogger im Fokus, berichten die Thienemann-Lektorinnen Sandra Rothmund und Ute Engel. Auch bei Carlsen, wo Fantasy schwerpunktmäßig ab 14 Jahre angeboten wird, stehen Online-Marketingstrategien und virales Marketing im Vordergrund, bestätigt Programmleiterin Anne Bender.

Verlage, die dezidiert ein All-Age-Publikum anvisieren, wie das 2014 unter dem Dach von Bastei Lübbe gegründete Label One, haben mittlerweile Schwierigkeiten, ihre Titel im stationären Sortiment optimal zu präsentieren. „Da werden New-Adult-Titel in die Erotik gestellt, Romantasy-Titel liegen im Bereich der Frauenunterhaltung, Dystopien in der Fantasy oder beim Jugendbuch ab 12 Jahren“, klagt Mathias Siebel, Verlagsleiter Kinder- und Jugendbuch bei Lübbe. Da das One-Publikum sehr homogen ist, nämlich weiblich, zwischen 14 bis 40 Jahre alt, „mit Hang zu Fantasy und großen Gefühlen“, sei auch eine gemeinsame Präsentation nötig.

Die Ansprache gelingt deshalb auch hier vor allem im Internet über die Zusammenarbeit mit Bloggern und Booktubern, die im Juni zur ersten LitBlog Convention in das Verlagsgebäude von Bastei Lübbe geladen wurden. Darüber hinaus gehören verlagseigene Social-Media-Kanäle, die Leser-Community „Lesejury“ und Kooperationen wie die mit dem Onlineportal ze.tt – ein Onlineportal für junge Leser der „Zeit“ – zum ausgefeilten Marketingportfolio im Internet.

Nicole Stöcker  stoecker@buchreport.de

Foto: Jörg Schwalfenberg

Drachensaga geht weiter: Bestsellerautorin Cornelia Funke legt 19 Jahre nach Erscheinen des Kinderbuchs „Drachenreiter“ ‧einen zweiten Teil vor. „Die Feder eines Greifs“ ist am 26. September in einer Startauflage von 100.000 Exemplaren bei Dressler und zeitgleich als Hörbuch bei Atmende Bücher erschienen. Im November kommt die in den USA lebenden Autorin auf Lesetour nach Deutschland.