Eine Belegschaft, die die eigene Firmenstrategie erarbeitet und damit ein Umsatzwachstum von 70 Prozent erreicht. Eine Geschäftsführung, die das Glück im Unternehmen zur Firmenstrategie macht und damit den Umsatz verdoppelt. Mitarbeiter, die durch Achtsamkeits-Meditation messbar gesünder wurden. Wie gelingt es manchen Unternehmen, die Belegschaft immer wieder begeistert über sich hinaus wachsen zu lassen und damit noch sehr erfolgreich zu sein?Eine Belegschaft, die die eigene Firmenstrategie erarbeitet und damit ein Umsatzwachstum von 70 Prozent erreicht. Eine Geschäftsführung, die das Glück im Unternehmen zur Firmenstrategie macht und damit den Umsatz verdoppelt. Mitarbeiter, die durch Achtsamkeits-Meditation messbar gesünder wurden. Wie gelingt es manchen Unternehmen, die Belegschaft immer wieder begeistert über sich hinaus wachsen zu lassen und damit noch sehr erfolgreich zu sein?
Sebastian Purps-Pardigol hat Medizin studiert, war Journalist und absolvierte eine Manager-Karriere in der Medien- und Telekommunikations-Industrie. Während er die Diversifizierungs-Strategie der Swisscom begleitete, begann er sich für die versteckten Muster des Gelingens in zwischenmenschlichen Beziehungen zu interessieren und machte sich 2008 als Führungskräftecoach und Organisationsberater selbstständig.
Er publizierte zu den Themen Hirnforschung, Führung & Kulturwandel (Süddeutsche Zeitung, Human Resouces Manager) und hat im September 2015 „Führen mit Hirn“ im Campus Verlag veröffentlicht. Durch die Freundschaft mit dem Göttinger Neurobiologen Prof. Dr. Gerald Hüther begann Sebastian Purps-Pardigol, die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung mit dem Wissen des Managementtrainings zu kombinieren. Gemeinsam gründeten beide im Jahr 2010 die Non-Profit-Initiative „Kulturwandel in Unternehmen und Organisationen“.
Sebastian Purps-Pardigol, “Führen mit Hirn” – der Titel Ihres Buches impliziert, dass deutsche Führungskräfte in der Regel hirnlos sind. Ist das nicht etwas starker Tobak?
Es kommt darauf an, wie man den Titel verstehen möchte. Eine wohlwollendere Leseart wäre, dass die Führungskraft so führt, dass es ihr gelingt, das Hirn und die darin verborgenen Potenziale des Mitarbeiters besser zu erreichen. Der inhaltlich passende, gemäßigte Titel wäre „gehirngerechtes Führen“ gewesen…
… Das klingt in der Tat recht langweilig…
… und vor allem vermittelt es den Eindruck, es handle sich um eine Methodensammlung – was nicht der Fall ist.
Es geht in dem Buch um die Erkenntnis, dass eine menschenzugewandte Führungshaltung nicht nur zu gesünderen, glücklicheren Mitarbeitern, sondern zudem auch zu mehr wirtschaftlichem Erfolg verhilft. Das lässt sich mit den Erkenntnissen der modernen Hirnforschung präzise erklären und mit den Erfahrungen vieler Unternehmen, denen das bereits gelungen ist wunderbar untermauern. Mein erster Titelvorschlag war übrigens „Chef trifft Hirn“ – meine Lektorin meinte jedoch, dass das vielleicht etwas zu provokativ sei.
Es gibt bereits eine Menge Bücher zum Thema “Neuroleadership” – wozu noch ein weiteres?
Neuroleadership ist einer dieser Kunstbegriffe, die das unerfüllbare Versprechen vermitteln, dass man nur eine handvoll neuer Methoden anwenden müsse, um Mitarbeiter besser zu motivieren und bessere Unternehmensergebnisse zu erreichen.
Meiner Erfahrung nach kann uns die moderne Hirnforschung zwar durchaus helfen, zu verstehen, wie Führungskräfte und Mitarbeiter ticken – und welche Rahmenbedingungen es braucht, damit Menschen über sich hinaus wachsen. Jedoch braucht es dafür mehr als die Anwendng einiger Methoden: Die Potenziale meiner Mitarbeiter kann ich nur besser entfalten, wenn ich beginne, mich mit mir selbst und meiner eigenen Haltung auseinanderzusetzen. Und dafür lohnt es sich, auf aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse zurückzugreifen.
Was ist das Wichtigste, das der Leser aus Ihrem Buch mitnehmen kann – was wäre die Essenz?
Wenn ich es auf drei Begriffe reduzieren müsste, dann wären es: Verbundenheit, Mitgestaltung und starke innere Bilder. Da sind die Rahmenbedingungen, die Einfluss darauf haben, wie sehr Menschen (und damit auch Mitarbeitende) über sich hinaus wachsen. Diese Muster habe ich in den über 150 Interviews erkennen können, die ich mit Unternehmen geführt habe, die außergewöhnliche Unternehmenskulturen entwickelt hatten. Diese Erkenntnisse habe ich mit dem Wissen der modernen Hirnforschung untermauert, damit der Leser noch besser durchdringt, weshalb diese Erfolgsmuster so gut funktionieren.
Dem hochwichtigen Thema des Führens mit inneren Bildern habe ich sehr breiten Raum gegeben. Wenn ich als Führungskraft die inneren Bilder meiner Mitarbeiter stärken möchte, kann ich ihnen zum Beispiel zeigen, dass ich an sie glaube. Wie etwa Bodo Janssen, der Firmenchef der nordischen Hotelkette Upstalsboom. Er glaubte so sehr an eine junge Studentin, die bei ihm ihre Bachelorarbeit verfasst hat, dass er ihr ein bereits geschlossenes Hotel auf Borkum an die Hand gibt und sagt „Eröffnen Sie es wieder“. Der jungen Frau gelang es, den höchsten Gewinn in der 30-Jährigen Geschichte des Hauses zu erreichen – in den Jahren danach setzte sie noch eins drauf. Inzwischen ist das Hotel darauf spezialisiert, dass jedes Jahr neue Studenten dorthin kommen. Gestützt auf das starke Vertrauen von Janssen machen sie ganz außergewöhnliche Erfahrungen und bisher unerreichte Umsätze. Ähnliche Geschichten habe ich mehrfach in meinem Buch zusammengetragen und erkläre detailliert, was in den Köpfen dieser Menschen geschieht.
Der bekannte deutsche Hirnforscher Gerald Hüther hat das Vorwort verfasst – was hat ihn dazu wohl bewogen?
Es gibt eine Vorgeschichte zu dem Buch: Gerald Hüther und ich haben vor über fünf Jahren eine gemeinsame Initiative mit dem Namen „Kulturwandel in Unternehmen und Organisationen” gegründet. Unser Ziel war es, Firmen zu finden und auf unserer Webseite kulturwandel.org zu porträtieren, die außergewöhnlich menschenzugewandte Unternehmenskulturen entwickelt hatten und damit sehr erfolgreich waren. Wir haben dort beschrieben, was wir sehen konnten – es fehlten noch die wissenschaftliche Untermauerung und die Analyse der dahinter liegenden Muster. Ursprünglich wollten wir gemeinsam ein Buch dazu verfassen. Nachdem ich die ersten Kapitel alleine begonnen hatte, stellten wir fest, dass es uns beiden so schon recht gut gefiel. Dass Gerald dann zumindest das Vorwort verfasste, war für ihn selbstverständlich – schliesslich basiert es auf unserer gemeinsamen Initiative.
Was ist für den Leser anders, nachdem er Ihr Buch beendet hat?
Idealerweise ist er so inspiriert von den authentischen Geschichten und so ermutigt durch die dahinter liegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass er im eigenen Arbeitsumfeld etwas verändert. Ich habe von manchen Lesern Post erhalten, die mir sagten, dass sie zwar keine Führungskräfte im eigentlichen Wortsinn seien, jedoch die Kernaussagen des Buches im eigenen Leben wiedererkennen. Beispielsweise eine Kindergärtnerin oder eine Therapeutin. Wenn der Leser sich und die Menschen um sich herum nach dem Buch etwas besser versteht und eine günstigere Form des Umgangs miteinander gefunden hat, dann wäre ich dankbar.
Sie waren auch einmal Chef – haben Sie damals mit Hirn geführt?
Ich hoffe schon. Die Frage, die mich bewegte, war auch damals schon: Wie kann ich die Potenziale meiner Mitarbeiter besser entfalten? Ich habe bei Ericsson ein weltweit verteiltes Team geführt. Infolge der Unterschiedlichkeit der Nationalitäten und des großen räumlichen Abstands konnte ich nur Einfluss nehmen, indem ich für günstige Rahmenbedingungen sorgte. Nachdem ich das einige Jahre gemacht hatte, begann ich mich immer mehr für die zugrundeliegenden Muster zwischenmenschlicher Interaktion zu interessieren und habe mich letztlich als Linienmanager zurückgezogen, um das zu tun, was ich jetzt tue: Unternehmen dabei zu unterstützen, die in ihren Mitarbeitern liegenden Potenziale besser zu entfalten.
In Ihrem Buch gibt es auch Passagen über frühkindliche Hirnentwicklung – was hat das mit Führung zu tun?
Diese Thematik greife ich in dem Kapitel über „Erfahrungen“ auf und sie zeigt, wie drastisch der Einfluss von zu wenig Erfahrungen auf die Hirnentwicklung ist. Wir alle waren mal in einem Alter, in dem in jeder Sekunde bis zu 700 neue neuronale Verbindungen in unseren Köpfen entstanden. Wenn man Kinder beispielsweise durch Vernachlässigung oder Überbehütung zu wenig Erfahrungen machen lässt, hat das nicht nur einen messbar negativen Einfluss auf die Psyche, sondern führt auch zu ungünstigen Veränderungen im Gehirn. Japanische Studien beweisen das eindrucksvoll. Im Erwachsenenalter entstehen zwar keine 700 Verknüpfungen pro Sekunde mehr, doch die Formbarkeit des Gehirns – die sogenannte Neuroplastizität – bleibt ein Leben lang erhalten.
Für Führungskräfte ist es hilfreich, solche Hintergründe zu verstehen, damit sie ideale Rahmenbedingungen für ihre Mitarbeiter schaffen um die in ihnen liegenden neuronalen Potenziale optimal entfalten zu können. Dass das immer notwendiger wird, haben übrigens viele der 150 befragten Chefs der IBM-Global-CEO-Study kürzlich bestätigt: Sie sagten, dass sie in einer der wirtschaftlich herausforderndsten Phasen lebten und ohne das kreative Potenzial ihrer Mitarbeiter nicht in der Lage seien, die aktuellen Herausforderungen zu meistern.
Manche Ihrer Erkenntnisse klingen nach gesundem Menschenverstand – wozu braucht man da noch die Hirnforschung?
Die Hirnforschung erzählt uns oftmals altes Wissen, das wir vergessen oder verdrängt haben. Dass Zugehörigkeit und Verbundenheit neurobiologische Grundbedürfnisse sind, mag nicht überraschen. Doch ich erlebe gerade in den obersten Chefetagen viele Menschen, die sich nicht trauen, diesem Grundbedürfnis nachzugehen, weil sie glauben, dass es im Businesskontext unangemessen ist. Wenn ich dann jedoch einige Tage mit diesen Alphatieren gearbeitet habe, erlebe ich oft ein Team von Managern, die sich gegenseitig eingestehen, dass sie sich „jetzt viel verbundener“ mit einander fühlen. Sie trauen sich das zu benennen, da ich ihnen vorher mit Hilfe der modernen Hirnforschung erklärt habe, dass unser Gehirn das braucht – und plötzlich wird es für sie auch sozial akzeptabel.
Verbessert Neuroleadership neben der Ergebnis-Qualität auch die Lebensqualität der Mitarbeiter?
Ich würde mein Buch bewusst nicht in die Kategorie “Neuroleadership” einordnen wollen. Es ist kein technisches Werk, sondern ein Buch, das hilft, sich selbst, die Menschen um einen herum und die Beziehungen zwischen allen Beteiligten besser zu verstehen. Mein wichtigstes Anliegen ist die Verbesserung der Lebensqualität, um Ihre Frage zu beantworten. Die besseren wirtschaftlichen Ergebnisse kommen oft automatisch – dafür habe ich unzählige Beispiele in meinem Buch. Ob es das Absatzwachstum um 70 Prozent bei Eckes-Granini Deutschland ist, ein Rückgang der Krankentage um 80 Prozent bei der Hotelkette Upstalsboom, eine Produktivitätssteigerung um messbare 30 Millionen Euro durch Achtsamkeitsübrungen bei einem Krankenversicherer oder eine Vervierfachung des Jahresüberschusses bei dem Hosenhersteller Gardeur.
Wenn der Leser die dahinter liegenden Antriebe der Unternehmen durchdringt, wird schnell klar: Es ging niemals um Gewinnmaximierung, sondern oftmals um einen “So wie bisher kann es nicht weitergehen”-Impuls. Heutzutage tragen viele Menschen diesen Impuls in sich. In “Führen mit Hirn” finden sie Antworten, wie es anders gehen kann.
Sebastian Purps-Pardigol, Führen mit Hirn. Campus Verlag. Oktober 2015. EUR 34,-
E-Book vergünstigt kaufen (befristet)
Porträtfoto (c) privat
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