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Riese zu verkaufen

Bruchstellen

Was wird aus Weltbild?

33 Jahre lang hat die katholische Kirche Carel Halff machen lassen. Der heute 57-Jährige steht für die unternehmerische Leistung, aus einem kleinen Zeitschriftenverlag mit Buchversand das Medienhandelsunternehmen Weltbild mit rund 2 Mrd Euro Umsatz geschaffen zu haben. 2008 steht alles zur Disposition:

  • Im Mai werden die Wurzeln gekappt und die Zeitschriften an die französische Groupe Bayard verkauft.
  • Im Juli stellen die katholischen Bistümer als Weltbild-Eigner die Frage in den Raum: Welche Gesellschafterstrukturen sind für ein Unternehmen dieser Größenordnung sinnvoll? Die daraus abgeleiteten Fragen eines Verkaufs, der von Mitarbeitern befürchteten Zerschlagung und des erwarteten Abschieds des Topmanagers Halff von seinem Lebenswerk bleiben für 2009 auf der Agenda.

Neben Rücksichtnahme auf die 7400 Mitarbeiter erschweren Größe und Unternehmensstruktur neue Konstellationen. Weltbild hatte zuletzt eine Mehr-Kanal-Strategie mit der Vernetzung von Katalog-, stationärem und Online-Handel forciert, 2006 mit dem Coup, das stationäre Geschäft zusammen mit 50%-Partner Hugendubel zur Mit-Marktführerschaft auszubauen.

Rückbau des Clubs

Aus bescheidenen Anfängen hat die Buchversand-Idee auch den Bertelsmann-Konzern groß gemacht. Die goldene Nachkriegsidee des Buchclubs, längst weltweit multipliziert, funktioniert seit Jahren nicht mehr recht. Der zu Jahresbeginn angetretene neue Vorstandschef Hartmut Ostrowski zieht 2008 die Konsequenzen und streicht die Aktivitäten der Club- und Handelssparte Direct Group dramatisch zusammen. Schließung in China, Abstoßen der US-Clubs im Juli an einen amerikanischen Investor sowie im Dezember des britischen BCA an die Münchner Beteiligungsgesellschaft Aurelius. Nach dem Rückbau konzentriert sich das Geschäft auf deutsch- und französischsprachige Länder sowie Südeuropa, ohne die Ergebnisvorgaben des Konzerns absehbar erfüllen zu können.

Erschütterter Lexikon-Markt

Beim Bibliographischen Institut & F.A. Brockhaus bleibt kaum ein Stein auf dem anderen, als anhand der Zahlen von 2007 klar wird, dass das Lexikon- und Enzyklopädie-Geschäft wegen kostenloser Internetangebote zusammenbricht und ein neues Geschäftsmodell her muss. Die im Februar fürs Frühjahr angekündigte eigene Online-Offensive bleibt aus, stattdessen wird das Lexikongeschäft mit der Marke Brockhaus zum Jahresende an den Bertelsmann-Lexikonbereich Wissenmedia verkauft.

Neue E-Book-Fantasie

Der größte Hoffnungsträger und das größte Fragezeichen des Jahres haben einen Namen: E-Book. Angefeuert vom Erfolg des „Kindle“-Programms von Amazon in den USA und mit Blick auf den geplanten Start des E-Book-Vertriebs via Libreka denken immer mehr Verlage wie Droemer Knaur oder Random House digital, bieten ihre Novitäten auch als elektronische Bücher an und schicken zudem Backlist-Titel auf die elektronische Rampe. Weitere digitale Schlaglichter:

  • Zur Frankfurter Buchmesse verkünden Sony, Thalia und Libri einen Schulterschluss zum Start des E-Book-Lesegeräts „PRS-505“ im kommenden Jahr. Geplant sind mehrere Tausend Buchtitel zum Marktstart, darunter zahlreiche Bestseller. Thalia will das Gerät in 170 von insgesamt 240 Filialen anbieten, Libri übernimmt den Vertrieb der Lesegeräte und der elektronischen Bücher (E-Books) an den Buchhandel.
  • Der sich beim „Kindle“ abzeichnende Preiswettbewerb veranlasst den Börsenverein, sich entgegen der bisherigen Linie im August für fixe Preise auszusprechen – zum Ärger von Verlagen wie Springer SBM. Das Branchenparlament unterstützt den Verbandskurs, doch die Frage ist noch nicht vom Tisch.

Streitthema Google

Erst schließen Google und Random House  USA im November eine Allianz und kooperieren bei der Volltextsuche der Suchmaschine, kurz darauf geben Google, die US-Verlegervereinigung Association of American Publishers (AAP) und die US-Autorenvereinigung Authors Guild bekannt, nach zweijährigen Verhandlungen ihre Fehde wegen der Digitalisierung in US-Bibliotheken beendet zu haben. Für registrierte Rechteinhaber ergibt sich eine neue Einnahmequelle.
Die Einigung, die auch deutsche Verlage betrifft, deren Titel bislang in den USA von Google gescannt wurden, schlägt weltweit hohe Wellen. Den Buchhandel ängstigt besonders die Perspektive, dass Google durch den goldenen Handschlag mittelfristig durch den geplanten Online-Verkauf der eingescannten und erfassten Texte zur größten Buchhandlung der Welt avanciert. Besonders heftig hat der Börsenverein reagiert. Der Verband prüft, ob ein verbandsfinanziertes Musterverfahren gegen Google eingeleitet wird; es drohe eine „Entrechtung der Autoren“ und  „Privatisierung öffentlicher Güter“.

Preisbindungsattacken

Das Dauerthema, dass Buchhandel und Verlage die Buchpreisbindung durch Pseudo-Mängelexemplare und wohlfeile Sonderausgaben gefährden, bilden nur ein schwaches Grundrauschen für heftigere Attacken:

  • Fach- und Wissenschaftsverlage opponieren gegen die E-Book-Preisbindung, der Börsenverein will die festen Preise gerichtlich durchsetzen.
  • Die Schweizer Kette ExLibris gewährt im Herbst 2008 zwei Monate lang 30% Rabatt auf empfohlene Preise, um die Bemühungen um ein Schweizer Preisbindungsgesetz zu torpedieren.
  • Amazon testet im Oktober mit einem 10%-Nachlass für Kunden in Österreich Angriffspunkte fürs grenzüberschreitende Preismarketing.

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