In der Diskussion über den Umgang des Schriftstellers Robert Menasse mit angeblichen Zitaten des deutschen Europa-Politikers Walter Hallstein (1901–1982) meldet sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu Wort. Sie hält an der Ehrung des Autors mit der Carl-Zuckmayer-Medaille fest, obwohl Menasse aktuell in der Kritik steht.
Nach Gesprächen mit Menasse bleibt Dreyer bei der Einschätzung: „Robert Menasse hat sich große Verdienste um die deutsche Sprache erworben, er hat in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes literarisches Gesamtwerk geschaffen, für das er zurecht große Anerkennung erhält. Sein engagiertes Streiten für die europäische Idee trifft europaweit auf große Resonanz und hat die politische Debatte um die Zukunft der Europäischen Union sehr bereichert.“
Der österreichische Autor, der 2017 für seinen Roman „Die Hauptstadt“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, hat durch Falschbehauptungen und falsche Zitate eine Kontroverse darüber ausgelöst, was ein Schriftsteller darf und was nicht. So beschrieb Menasse nicht nur in seinem fiktionalen Werk „Die Hauptstadt“, sondern auch in zahlreichen Essays und Vorträgen eine Rede von Hallstein in Auschwitz, die es nie gegeben hatte, und legte Hallstein Sätze in den Mund, die dieser nie gesagt hatte. In den Feuilletons wird der Fall seit einigen Wochen diskutiert.
In einer gemeinsamen Erklärung mit Ministerpräsidentin Dreyer erklärt Menasse jetzt: „Wir sind davon überzeugt, dass die vorbehaltlose Anerkennung von Fakten zum Wertefundament unserer liberalen Öffentlichkeit gehört. Die Bereitschaft, ja die Notwendigkeit, Gewissheiten von Annahmen und Fakten von Meinungen zu trennen, ist für das Gelingen einer demokratischen Debatte unerlässlich.“ Mit Zitaten und historischen Tatsachen müsse man daher in höchstem Maße gewissenhaft und sorgfältig umgehen.
Menasse zeigt sich entsprechend reumütig: „Es war ein Fehler von mir, Walter Hallstein in öffentlichen Äußerungen und nicht-fiktionalen Texten Zitate zuzuschreiben, die er wörtlich so nicht gesagt hat. Es war unüberlegt, dass ich im Vertrauen auf Hörensagen die Antrittsrede von Hallstein in Auschwitz verortet habe. Diese hat dort nicht stattgefunden. Das hätte ich überprüfen müssen. Ich habe diese Fehler nicht absichtsvoll und nicht mit dem Ziel der Täuschung begangen. Ich hielt diese Geschichte für ein starkes symbolisches Bild des europäischen Einigungsprojekts, das doch zweifellos mit dem Schwur ,Nie wieder Auschwitz‘ verbunden ist. In meinem Roman ist das stimmig, aber die Vermischung von literarischen Fiktionen mit Äußerungen in europapolitischen Diskussionen bedauere ich sehr und entschuldige mich bei allen, die sich getäuscht fühlen.“
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