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Rückzug? Ich fange gerade erst richtig an

Unter den großen Publikumsverlagen ist die Lübbe-Gruppe (Umsatz 2007: 51,5 Mio Euro, minus 18,8% gegenüber 2006) ein Solitär: In der von Wettbewerbern mit Konzernstrukturen besetzten Beletage der Branche müssen die Bergisch Gladbacher als Familienunternehmen den Anspruch auf einen Platz an der Sonne verteidigen.

Im Interview zeigt Alleininhaber Stefan Lübbe (Foto) gemeinsam mit dem zum Jahresbeginn an Bord geholten kaufmännischen Geschäftsführer Thomas Schierack (Foto unten) Perspektiven für den Verlag und seine weiteren Pläne.

Die Hochzeit mit einem möglichen Partner ist abgeblasen. Stimmte die Mitgift nicht?
Lübbe: Um die ging es nicht. Und die Gespräche, die ich geführt habe, sind auch nicht an der Höhe der abzugebenden Gesellschafteranteile gescheitert. Es passte einfach in keinem Fall zusammen: Entweder kam ein machtvoller Konzern und wollte die Verlagsgruppe filetieren oder es kamen Finanzinvestoren, die uns stranguliert hätten. Mir wurde klar, dass Großkonzerndenken sich eben nicht auf ein mittelständisches Unternehmen übertragen lässt. Da war es dann der richtige Befreiungsschlag, die Minderheitsbeteiligung am Deutschen Rätselverlag an den Mehrheitsgesellschafter WAZ zu verkaufen und dadurch die Identität der Verlagsgruppe Lübbe als Familienunternehmen zu erhalten.

Schnelles Geld in der Scheune ist eine Sache, langfristige finanzielle Planungssicherheit eine andere. Wie groß ist der vorhandene Spielraum?
Lübbe: Machen Sie sich keine Sorgen, wir sind ein pumperlgesundes Unternehmen mit großartigen Autoren, motivierten Mitarbeitern und beispielhafter Vertriebskraft. Unser Spielraum für die weitere Entwicklung, auch für robustes Wachstum, ist jetzt solide und großzügig.
Schierack: Ein Verlag ist ein äußerst kapitalintensives Unternehmen, denken Sie an Autorenvorschüsse, Druckkosten, relativ lange Zahlungsfristen der Handelspartner. Den neu eingebundenen Kreditinstituten konnten wir diese spezifische Systematik plausibel machen und ein flexibles Modell vereinbaren, das uns den Rücken für alle nächsten Wachstumsschritte  freihält.

…die nicht ohne schmerzhafte personelle Einschnitte vonstatten gehen …
Lübbe: Das konnten wir leider nicht vermeiden, wir mussten auch Maßnahmen einleiten, die mir persönlich sehr schwer gefallen sind.
Schierack: Wir haben schon Anfang des Jahres begonnen, sämtliche Strukturen zu hinterfragen, um die Prozessabläufe zu optimieren. Dabei wurde bald deutlich, dass wir in einzelnen Bereichen personell überbesetzt sind und eine Reihe von Stellen in den Dienstleistungsbereichen nicht zu halten sind. Unberührt hiervon bleiben die Kernfelder Lektorat, Herstellung und Vertrieb. Außerdem möchte ich noch betonen: Mit den verbleibenden 165 Mitarbeitern sind wir personell immer noch deutlich stärker besetzt als vergleichbare Wettbewerber.

Wird die Luft für ein inhabergeführtes Unternehmen dieser Größenordnung ohne Anbindung an Konzernstrukturen heute nicht generell zu dünn zum Atmen?
Lübbe: Diese Frage müssten sie dann auch den Verlegern Antoine Gallimard und Francis Esmenard stellen, Gallimard und Albin Michel gehören in Frankreich sicher zu den dynamischsten und erfolgreichsten Verlagsgruppen, beide komplett in privater Hand; ähnliche Beispiele lassen sich überall in Europa finden, denken Sie in unserem Sprachraum nur an Diogenes. In  der Welt der Ketten und Konzerne genießen wir einen gewissen Artenschutz, denn es kommt auf das Gespür für Autoren, Inhalte und Verwertungsmöglichkeiten an, und da hat ein aktiver Verleger, der auch das persönliche Risiko trägt, vielleicht sogar Vorteile gegenüber anonymen Apparaten.

Bei Bekanntgabe der Umstrukturierungen wurde auch davon gesprochen, mittelfristig Nähe zu Medienunternehmen zu suchen, die zu Lübbe passen. Was steckt hinter dieser Andeutung?
Lübbe: Die Absicht ist, horizontal und vertikal zu wachsen. Das geschieht auf der einen Seite mit verheißungsvollen Autoren, die das Programm bereichern. Es bedeutet aber auch, dass ich mich nicht verschließe, wenn ich einen Partner finde, der zum Beispiel aus der Kochbuch- oder Jugendbuchecke kommt oder im All-Age-Bereich angesiedelt ist. Wenn es auf diesem Terrain irgendwann zu einer gescheiten Verbindung kommt: Gern.

Denken Sie auch an Vertriebskooperationen?
Lübbe: Wir sind schon mit Verlagen in Gesprächen, in denen wir uns als Dienstleister sehen. Im Handel ist Lübbe ein Türöffner, das macht uns sicherlich für mögliche Kooperationen interessant, das gilt auch für die Zusammenarbeit beim Einkauf von Papier oder beim Druck.
Schierack: Wir wollen unsere Vertriebskraft auch für einige ausgesuchte Partnerverlage nutzbar machen, so lautet das Signal. Ich gehe davon aus, dass wir schon bald entsprechende Vereinbarungen präsentieren können.

Ein Blick in die persönliche Zukunft. Wie steht es auf lange Sicht mit der Doppelrolle „Inhaber und Verleger“?
Lübbe: Meinen Sie, ob ich mich irgendwann aus dem operativen Geschäft zurückziehe? Nein, sicher nicht, ich fange gerade erst richtig an. Ich bin mit dem Verlag aufgewachsen, ich bin mit ihm verwachsen, ich bin ein Verlagsjunkie – ohne Verlag, das geht gar nicht. Dafür macht der kreative Part im Unternehmen einfach zu viel Spaß. Auch wenn mein Tempo manche zuweilen ein bisschen erschreckt.

Die Fragen stellte Rainer Uebelhöde.    

Das komplette Interview können Sie im buchreport.magazin September lesen (hier das Inhaltsverzeichnis), das Sie hier bestellen können.

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