Der österreichische Residenz Verlag gehört jetzt Porsche. Es ist eine kleine Übernahme, die jedoch gleich zwei viel weiter reichende Veränderungen beleuchtet. Die österreichische Verlagsszene gruppiert sich neu mit entschiedenem Blick auf die lokale Nische, mit Österreichthemen und Akzent auf Lebens- und Traditionswerten – und mit dem einen Ausbrecher, Red Bull, der das globale Potenzial dieses Werteansatzes erkannt hat.
Autor findet Verlag – und kauft ihn. Auch so lässt sich die Übernahme des kleinen österreichischen Residenz Verlages durch Peter Daniell Porsche, den Ur-Enkel des Gründers des Porsche-Konzerns, erzählen.
Vor ein paar Jahren steuerte Porsche „poetische Texte“ bei für einen bei Residenz erschienenen Band mit fotografischen Kinderporträts von Miki Kapherr. Jetzt gibt er bekannt, dass er den einst wichtigsten österreichischen Verlag für Gegenwartsliteratur erworben habe und ihn von Sankt Pölten, nahe Wien, zurück an seinen Ursprungsort Salzburg bringen wird.
Im 1956 gegründeten Residenz Verlag erschienen wegweisende literarische Werke der Nachkriegsmoderne, etwa Peter Handkes autobiographischem Roman „Wunschloses Unglück“, Thomas Bernhards autobiographische Salzburger Erzählungen („Der Atem“, „Der Keller“, „Die Ursache“) oder auch die meisten Romane von Barbara Frischmuth. Vor allem aber war der Verlag in den 1970er und 1980er Jahren synonym für eine Literatur, in der die Identität der Republik nach 1945 und die finster-fröhliche Tradition der literarischen Österreich-Beschimpfung (eben: Bernhard, Handke) eine einzigartige wie auch symbiotische Heimat gefunden hatten.
Nun aber brauchte es einen mäzenatischen Erben eines der großen Industriellen-Clans in Europa, „dass sich der Residenz Verlag seinem ursächlichen Kerngeschäft in Ruhe widmen kann“ (so Porsche im Interview mit dem Wirtschaftsblatt).
Die österreichische Verlagsszene im Umbruch
Zwei interessante Aspekte weisen über die Bedeutung beim Eigentümerwechsel eines mit geschätztem Jahresumsatz von etwa 3 Millionen Euro in seiner wirtschaftlichen Größe überschaubaren Verlagsunternehmen hinaus:
- Zum einen hat sich innerhalb nur weniger Jahre die österreichische Verlagslandschaft sehr weitgehend verändert, und dies blieb selbst branchenöffentlich weitgehend unbemerkt;
- Zum anderen verschieben sich Gewichte und Akzente im Stellenwert von Kunst, Kultur und Medien strukturell, von einem gesellschaftspolitisch gerade in Österreich durch staatliche Subventionen stets herausgehobenen Bereich hin zu einer Domäne, in der ausgewählte private Investoren einspringen, um die Weiterführung des kulturellen Betriebs zu übernehmen.
Hätte man vor fünf Jahren nach den prägenden Publikums-Verlagen in Österreich gefragt, wäre die Liste gewiss angeführt worden von Uebereuter (damals noch im Besitz der Druckerei-Familie Salzer, und mit einem festen Platz im buchreport-Ranking der 100 größten deutschsprachigen Verlage), jedoch gewiss auch mit Nennung der beiden durch Hansers Michael Krüger wieder belebten Traditionsmarken Zsolnay (einer Gründung aus der Zwischenkriegszeit) und Deuticke (wo 1900 Siegmund Freuds Traumdeutung erschienen war). Auch Residenz hätte nicht gefehlt, wenn auch versehen mit Fragezeichen und Anmerkungen, was dessen Verlags-Odyssee anlangt, mit Übernahme durch den staatlichen Österreichischen (Schulbuch-) Bundesverlag, den damit verbundenen Transfer in die Stuttgarter Klett Gruppe, und schließlich den Umzug vom Gründungs-Standort Salzburg ins niederösterreichische Sankt Pölten.
Keine Darstellung der österreichischen Verlagsszene hätte auch auf Bezüge zur staatlichen Förderung für Literaturverlage verzichtet, mit der seit 1992 jährlich erhebliche Summen (2013: 3,1 Millionen Euro) an Verlage ausbezahlt wurden. Seit den Tagen von Bruno Kreisky, dem sozialdemokratischen Reform-Kanzler der 1970er Jahre, der gerne auf seinen Lieblingsautor Robert Musil verwies, waren Kunst und insbesondere Literatur dem Staat ein wichtiges Anliegen zur Profilierung einer eigenen nationalen Identität, was sich in entsprechenden Förderungen wie auch – bis heute – in hohen gesellschaftspolitischen Diskursen zur Kulturpolitik niederschlug.
Red Bull trifft auf Daniell Porsche
Die Realität von 2015 ist jedoch eine andere. Ueberreuter hat einen Umzug nach Berlin 2012, und wenig später die Rückkehr nach Wien unter neuem Eigentümer hinter sich. Dieser, Georg Glöckler (dessen Vater schon als Schulbuchverleger einen Namen hatte), formierte unter der Marke G&G innerhalb der letzten Jahre „Österreichs führenden Verlag für Kinderbücher und Lernhilfen“ mit der programmatischen Leitlinie „Österreichische AutorInnen – österreichische Bücher – österreichische Themen“. Zu G&G gehören nicht nur alte Bestände wie etwa vom ehemaligen Verlag Jugend & Volk (aus dem Eigentum der Stadt Wien), sowie nun das Sachbuchprogramm mit vorwiegend Österreich-Titeln von Ueberreuter und auch dessen Kinderbuch-Imprint Annette Betz (inklusive österreichischer Star-Autoren wie Thomas Brezina), sondern seit Anfang 2015 auch das gut eingeführte Kinderbuchprogramm von Residenz, „Nilpferd“.
In Salzburg hat unterdessen das Red Bull Media House des Marketing-Milliardärs Dietrich (‚Didi‘) Mateschitz den erst 2003 gegründeten Ecowin Verlag übernommen, der sich erfolgreich auf Titel von österreichischen Medienstars aus Sport und Gesellschaft spezialisiert hatte. Red Bull Media House, zu dem ein zunehmend weitverzweigtes Medienangebot aus Zeitschriften und TV Programmen gehört (Dachmarke „Servus“), wie auch expandierende digitale Angebote (inklusive Multimedia), positioniert sich als urbane Medienmarke für die neuen, zugleich hedonistischen wie auch identitätsbewussten „leisure classes“, mit starker lokaler Verankerung, jedoch globaler strategischer Perspektive.
Hier trifft sich nun Red Bull auf erst einmal überraschende Weise mit dem neuen Eigentümer von Residenz, dem Porsche-Spross und bekennenden Anthroposophen Peter Daniell Porsche. Der Waldorf Schüler, gelernte Musiktherapeut und großzügige Finanzier einer anthroposophischen Privatschule für insbesondere Kinder aus schwierigen Verhältnissen im Salzburger Land wird nun ebenfalls den Akzent und Fokus auf Lokalem und der Kontinuität von Werten in einem Buchverlag setzen: „Mir ist es ein besonderes Anliegen, dass im Zeitalter von E-Books schön gestaltete, werthaltige und gedruckte Bücher mit gutem Inhalt ihren Stellenwert nicht verlieren.“
Es gelte, präzisiert der CEO der PDP Holding GmbH Rafael Walter, über die die Akquisition abgewickelt wird, zu gewährleisten, dass der Verlag „in Ruhe weiter arbeiten“ könne, um das „Werthaltige zu bewahren“, mit starken lokaler Verankerung in der Region. Hier wird auch gleich der Unterschied zum benachbarten Red Bull deutlich gemacht, denn eine starke Expansion stehe nicht am Programm.
Die österreichische Verlagsszene hat sich von einstmals Ambitionen für den gesamten deutschen Sprachraum neu gruppiert mit entschiedenem Blick auf die lokale Nische, mit Österreichthemen und Akzent auf Lebens- und Traditionswerten – und mit dem einen Ausbrecher, Red Bull, der das globale Potenzial dieses Werteansatzes erkannt hat. Denn solch ein wert-konservatives Lesepublikum gibt es freilich nicht nur zwischen Salzburg, Wien und München. Es ist ein internationales Mittelschicht-Phänomen.
Die Zeit der Mäzene
Womit der zweite interessante Aspekt angesprochen ist: Das einstmals Politische wurde privat – im direkten Sinn des Wortes. Wo vor ein paar Jahrzehnten „Gesellschaft“ und „Staat“ drauf standen, bricht neuerdings zusehends die öffentlich-rechtliche Finanzierung weg, und private Mäzene treten auf, um die besten Strukturen aufzusammeln und zu bewahren.
Da lässt sich ein weiter Bogen spannen, von der Übernahme der Washington Post durch den „Privatmann“ Jeff Bezos , über die Verwandlung des führenden Literaturverlags der DDR, Aufbau, über den Zwischenhalt bei einem Immobilieninvestor und einem Konkurs, hin zur Rettung als erfülltem Lebenstraum des ehemaligen Lehrers und Kaufmanns Matthias Koch, bis nun zum Kauf von Residenz durch Peter Daniell Porsche.
Hiermit ist nichts Schlimmes über Mäzene und private Investoren ausgesagt. Der Wechsel markiert nur einen tiefen Schnitt.
Peter Daniell Porsche kann auf eine hohe persönliche Glaubwürdigkeit verweisen. Über seine private Holding wie auch als Person finanziert er nicht nur die Waldorfschule wie auch verschiedene kulturelle Initiativen. Er betrachtet sich auch klar als ein Wohlhabender, der nicht „spenden“ will, sondern investieren. Er präsentierte sich in einer Autobiographie 2010 wie auch in zahlreichen Medieninterviews als Unternehmer – mit dem Akzent, dass er mäzenatisch agieren will. Gleichzeitig tritt er auch als Mitglied des komplexen Porsche-Piech Familie auf, mit Gewicht in deren komplexem Machtgefüge, und durchaus selbstbewusster Stimme.
Daniell Porsche ist vielleicht ein besonders gutes Beispiel für den relativ neuen Typus der privaten Gestalter des öffentlichen kulturellen Lebens, mit denen zunehmend zu rechnen ist – von Seattle bis Salzburg. Wobei Salzburg auch ein besonderer Ort gerade für solch eine Geschichte ist. Denn ohne sein Publikum mit tiefen Taschen und kultureller Mission hätte es schon die weltberühmten, 1920 ins Leben gerufenen Festspiele nicht gegeben. Hugo von Hofmannsthal, Salzburgs geistiger Ahnherr im frühen 20. Jahrhundert, hatte sein künstlerisches Schaffen nicht zufällig sehr zielstrebig auf diese Publikumskreise hin orientiert.
Rüdiger Wischenbart leitet das Wien Büro von buchreport und beobachtet die internationalen Kultur- und Verlagsmärkte. Mehr unter www.wischenbart.com
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