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Sägt die Branche am eigenen Ast?

Die Zukunft einer Branche hängt auch vom qualifizierten Nachwuchs ab, der mit den kommenden Herausforderungen fertig werden muss. Wenn diese Annahme stimmt, hat der Buchhandel ein Problem. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist im letzten Jahr um 26% eingebrochen. Obwohl die Rekrutierung weiter läuft, deutet sich laut Monika Kolb-Klausch, Bildungsdirektorin des  Börsenvereins, derzeit keine Trendwende an.

Große Filialisten stärken ihre Reihen

Anfragen bei den Bezirken der Industrie- und Handelskammern zeichnen laut Kolb-Klausch ein eher düsteres Bild. Nach der Momentaufnahme zu urteilen, wird das Vorjahresniveau nur mit Mühe gehalten, ein weiterer Einbruch kann nicht ausgeschlossen werden. Eine buchreport-Schnellabfrage ergibt folgendes Bild:

  • Beim Branchenprimus Thalia werden im Laufe des Jahres rund 150 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. „Die Quote wird leicht steigen, wobei sie bei Thalia im Vergleich zum Branchendurchschnitt mit rund 10% schon immer recht hoch war“, schildert eine Unternehmenssprecherin.
  • Die Mayersche hat 58 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen und damit „mehr Azubis aufgenommen als im Vorjahr“, wird aus Aachen gemeldet.
  • Der Filialist Hugendubel hat 2009 bei den neu unterzeichneten Ausbildungsverträgen eine Nullrunde gedreht. Der im vergangenen Jahr beschlossene Einstellungsstopp hat dazu geführt, dass auch in diesem Jahr keine Auszubildenden aufgenommen wurden.

Nicht jede Bewerbungsmappe begeistert

Von vorgestern, perspektivlos, schlecht bezahlt: Dieses Grusel-Image des  Buchhändler-Berufs – belegt durch eine Umfrage, die  Kolb-Klausch im Herbst 2009 dem Branchenparlament präsentierte – hält sich offenbar hartnäckig in den Köpfen vieler junger Schulabgänger. Hinzu kommt, dass Kompetenz- und Qualifikationsdefizite bei vielen Jugendlichen auffallen, die ihre Unterlagen einschicken. Aus dem Buchhandel kommen zahlreiche Klagen über die mangelnde Eignung vieler Interessenten für den Beruf des Buchhändlers. „Es ist nicht einfach, geeignete Kandidaten zu finden. Die Anzahl der Bewerbungen hat abgenommen, wobei wir auch mit der Qualität der Unterlagen nicht immer zufrieden sind“, konstatiert die Thalia-Sprecherin.

Dass die Zahl der vielversprechenden Bewerber in den letzten Jahren stetig abgenommen hat, stellt auch Heike Heymann-Rienau, Geschäftsführerin und Personalleiterin bei Heymann, fest. Die Hamburger haben in diesem Jahr sechs neue Auszubildende aufgenommen (Vorjahr: 4). Wer bei Heymann eine Ausbildung beginnt, nimmt intern an monatlichen Schulungstagen teil. „In den Unternehmen müssen Nachtrainingsmaßnahmen stattfinden“, ist Heymann-Rienau überzeugt. Schwerpunkte liegen u.a. in der Vermittlung von wirtschaftlichem Denken sowie in der Förderung der kommunikativen Fähigkeiten. Das Segment Buch verändert sich. Im Kontext von DVDs, Hörbüchern und Merchandising-Artikeln sollen Mitarbeiter lernen, in den Verkaufsgesprächen Verknüpfungen hinzubekommen.

Unternehmensinterne Qualifizierung gewinnt Gewicht

Die Douglas-Tochter Thalia hat für die unternehmensinterne Weiterbildung ein ganzes Maßnahmenbündel unter dem Oberbegriff Thalia Academy geschnürt. Dazu gehören Seminare zur persönlichen und beruflichen Weiterbildung, Programme für angehende Führungskräfte und für Quereinsteiger zählen ebenfalls zum Portfolio.

Der Tübinger Filialist Osiander, bei dem aktuell „mit 51 jungen Menschen so viele wie nie zuvor ausgebildet werden“, hat sich die Weiterqualifikation ebenfalls auf die Fahnen geschrieben. Das Unternehmen arbeitet am Aufbau der Osiander-Akademie, einer firmeninternen Einrichtung für Nachwuchskräfte, die Interesse an Führungsaufgaben haben. Zwei Seminarblöcke von je einer Woche, gezielte Einsätze als Assistenz der Filialleitungen und eine Mentorenfunktion von Mitgliedern der Geschäftsleitung sollen Interessierte nach der Ausbildung für eine Karriere bei Osiander fit machen.

Auf die neue Ausbildungsordnung für das Berufsbild, die nach Unstimmigkeiten mit den Ländern auf Eis liegt und wohl erst im Sommer 2011 greifen wird (buchreport berichtete), wird im Handel händeringend gewartet. Die Thalia-Sprecherin mit Blick auf neue Vertriebswege, E-Books und Kaufverhalten: „Die Anpassung der Ausbildungsordnung ist dringend erforderlich.“

Das Foto zeigt das Cover einer Börsenvereins-Broschüre zur Ausbildung (hier zum Download)

Kommentare

2 Kommentare zu "Sägt die Branche am eigenen Ast?"

  1. Volker Rehmberg | 14. August 2010 um 19:33 | Antworten

    Liebe Frau Rösner-Wieland,
    Die von Ihnen aufgezählten Plurale schliessen beide Geschlechter mit ein: siehe http://www.binnen-i.de/Das_Bin

  2. Silke Rösner-Wieland | 13. August 2010 um 0:09 | Antworten

    Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass in einem Artikel, der die Nachwuchssorgen der Branche beschreibt, noch immer hartnäckig von „Buchhändlern“, „Kollegen“ und „Bewerbern“ gesprochen wird. Der Buchhandel ist doch noch immer ein – zahlenmäßig – von Frauen dominierter Beruf. Wenn die EntscheidungsträgerInnen der Branche ihre MitarbeiterInnen schon aufgrund dieser Tatsache schlecht bezahlen, dann sollte sich doch der Buchreport wenigstens die Mühe machen und das Binnen-I verwenden. Sprache schafft Bewusstsein, auch in dieser Branche!

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