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Sascha Lobo: Über E-Books und Sobooks

Sascha Lobo: Über E-Books und Sobooks

Eigentlich möchte ich neben der konkreten Arbeit an Sobooks im Moment fast jeden Tag große Grundsätzlichkeiten über die in wesentlichen Teilen defekte E-Book-Welt schreiben. Denn da ist soviel schwierig, nervig, falsch, ein Irrtum, ein Versehen, verbogen oder zumindest nach meinem Ermessen kontraintuitiv.

  • außerhalb der Kindle-Welt haben E-Books fast durch die Bank eine ungünstige bis erbarmungswürdige Usability, und jedes Gegenargument, das mit dem Halbsatz beginnt “Aber Du musst nur mit einem Calibre-Plugin…” ist kein Gegenargument, sondern eine Reduktion der E-Book-Welt auf hundertausend Leute im deutschsprachigen Raum.
  • aber auch innerhalb der Amazon-Welt tritt man der E-Book-Kultur scheinbar mit ungeheurer Lieblosigkeit gegenüber, fehlerhafte, offensichtlich unkorrigierte und irgendwie zusammengescannte Versionen kommen häufiger als nur ausnahmsweise vor. Man ahnt zwar, weshalb (die Datenqualität der digitalen Buchwelt ist so mittel), aber Amazon ist jetzt nicht so superarm, als dass man sich für dieses Qualitätsproblem (an dem wir auch arbeiten) keine Lösung überlegen könnte.
  • im Februar spießte Friedrich Forssman in einem vielverlinkten Beitrag im Suhrkamp-Blog unter “Warum es Arno Schmidts Texte nicht als E-Book gibt” eine Reihe richtiger (und einige falsche) Argumente auf, die allerdings nicht in einer Problem-Behebung des gegenwärtigen Systems E-Book mündeten, sondern in einer Gesamtablehnung.
  • gleichzeitig ist ökonomisch gesehen ein Prozess auf dem Markt für digitale Bücher im Gang, der Amazons Marktmacht zementiert, was bei 70%+ Marktanteil (je nach Betrachtung) so mittelsuper ist und offenbar auch schon dazu führt, dass einigen Verlagen absurde Verträge vorgelegt werden.
  • im gleichen Atemzug möchte die Firma Adobe – die mit ihrem bisherigen, dummen, käuferfeindlichen DRM-System den E-Book-Markt substantiell erschwert – ein neues DRM-System vermarkten, von dem wieder nur Adobe profitieren wird, das wieder käuferfeindlich sein wird, und es gibt Verlage, die fatalerweise wieder darauf einsteigen werden.
  • mir ist noch immer nicht klar, wie sich – neben anderen Kritikpunkten, die hier ungesagt bleiben möchten – die Tolino-Allianz mittelfristig zutraut, auf dem Hardware-Markt gegen Apple und Amazon anzukämpfen.
  • Readmill ist leider eingegangen und hat damit gezeigt, dass sich Social Reading ALLEIN kaum verkaufen lässt und für sich genommen tendenziell nicht als Geschäftsmodell funktioniert, egal wie gut es gestaltet ist (und Readmill war sensationell gut gestaltet). Die sehr positiven Stimmen der Nutzer zum Reader allerdings zeigen, dass die sozialen Funktionen von vielen als großer Mehrwert empfunden werden. Hier nochmal der kurze Einwurf: Sobooks ist eine Buchverkaufsplattform mit Social-Reading-Funktionen und hat damit ein grundsätzlich anderes Geschäftsmodell als Readmill.

Diese Liste könnte und müsste natürlich noch viel weitergehen. Aber ich schreibe diese Artikel nicht, jede Beschwerde nimmt Druck aus dem Kessel, und das ist das Gegenteil von dem, was wir gerade möchten. Denn dieser Druck war von Anfang auch ein Antrieb für Sobooks, sich spiegelnd im eher intern verwendeten Motto “E-Books in richtig”. Und jetzt, im letzten Drittel der Closed-Beta-Phase, brauchen wir ihn, um alles für die Öffnung klarzukriegen.

Als wir die Closed Beta im Oktober zur Buchmesse begannen, hatte das mehrere Gründe. Nutzerverhalten lässt sich grob erahnen, aber nicht präzise vorhersagen, deshalb wollten wir sehen, wie die Leute mit den Sobooks umgehen. Gleichzeitig ist das allgemeine Abstraktionsvermögen gegenüber digitalen Plattformen nicht besonders stark ausgeprägt, was bedeutet: die meisten können sich soetwas wie Sobooks erst vorstellen, wenn es irgendwie vorhanden ist. Das gilt natürlich auch für diejenigen, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, wie Verlage, Autoren, Agenten, Medienplattformen, Multiplikatoren und irgendwie auch für uns selbst. Deshalb der frühe Launch mit einem Produkt, das die Bezeichnung “Beta” sehr zu recht trug.

Wir haben daher Oktober, November und Dezember 2013 Bugfixing gemacht, ein paar aktivere Nutzer gefragt, die Nutzungsszenarien angesehen – um im Januar eine Art Freeze der Plattform vorzulegen. Seitdem bauen wir Sobooks nach dem Erkenntnissen aus der Betaphase zu der Version aus, mit der wir dann voll öffnen können.

Dabei wollten wir ein bisschen hinter den Kulissen werkeln, und zwar möglichst in Ruhe. Dabei muss ich mir (ja, ich mir, nicht die anderen bei Sobooks, knirsch) vorwerfen lassen, dass die Ruhe ZU ruhig war. Will sagen: ich hätte zwischendurch, auch wenn eben im Hintergrund eifrig gebaut wird, mehr kommunizieren können, sollen, müssen. Ein wenig stand dem entgegen, dass die konkreten, sichtbaren Dinge nicht allzu zahlreich waren. Dinge und Prozesse zu optimieren und zum Funktionieren zu bringen ist leider eine wenig glitzy, schwieriger kommunizierbare Aufgabe. Aber gut. Was also passiert gerade oder ist in den letzten Monaten passiert bei Sobooks?

  • Wir haben eine Förderung bekommen aus dem Topf InnoRampUp des Innovationsstarters, der wiederum ein Förderinstrument der Hansestadt Hamburg ist.
  • Wir haben ein völlig neues Design des Sobooks-Readers aufgesetzt, das der konkreten Benutzung durch die Leserschaft Rechnung trägt (noch nicht offen online, sondern im Hintergrund im Testbetrieb, wie das meiste).
  • Wir haben dabei zum Beispiel das Kommentar-Konzept in den Büchern so verändert, dass
  1. auch mehrere hundert Kommentare auf einer Buchseite kein Problem mehr sein sollten
  2. die absehbare Herausforderung, für eine gute Kommentarqualität zu sorgen, besser gemeistert werden kann
  3. zukünftige Weiterentwicklungen (“ich möchte nur die Kommentare von Kontakten sehen”) einfacher möglich sind (hier sieht man übrigens, wie mäßig befriedigend es ist, wenn man über Entwicklungen spricht, die im Gange sind, aber noch nicht vorzeigbar)
  • Wir haben uns entschlossen, von Anfang an einen größer werdenden Bereich mit rechtefreien Büchern, vor allem Klassikern, zu installieren, um endlich dem Problem zu begegnen, dass man viele rechtefreie EPUBs runterladen kann, aber die oft von mäßiger Qualität sind und außerdem die Inhalte selbst damit ja nicht im Netz verfügbar und verlinkbar sind (bei uns halt schon).
  • Wir haben im Hintergrund uns geplagt mit der, sagen wir, durchwachsenen bis volatilen Qualität der EPUBs, die man von Inhaltepartnern bekommt. Hintergrund: wir müssen für Sobooks ja EPUBs umwandeln in HTML5. Das wäre ein geschmeidig lösbares Problem, wenn EPUBs immer gleich aussähen und den existierenden Vorschriften gemäß verwendet würden. Das ist, vorsichtig formuliert, nicht der Fall. Ich möchte mich darüber nicht beschweren, denn die Verlage – oder Moment, vielleicht möchte ich mich doch beschweren. Die E-Book-Welt wäre eine bessere, wenn EPUB-Dateien nicht vom sehr begabten Sohn der Nachbarin des Cheflektors für 27 Euro pro Stück zusammengedängelt würden. Wobei es natürlich auch hier Verlage gibt, die alles technisch perfekt hinkriegen, aber halt nicht besonders viele. Wir mussten unseren Konverter deshalb zweiteilen: in einen Normalisierer, der aus einem EPUB ein richtiges EPUB macht und in einen Konverter, der aus dem richtigen Epub HTML5 macht.
  • Wir haben – nach freundlichen Hinweisen, für die wir uns hier bedanken möchten – auch endlich die Plattform auf https umgestellt und dabei geschickt den Heartbleed-Bug umschifft (ist noch nicht online, kommt nach dem Testing und wird damit zur Öffnung vorhanden sein).

Diese kleine Auswahl an Neuigkeiten dient aber natürlich eigentlich nur dazu, die eine, große, wichtige Information anzumoderieren, auf die alle viele manche einige wir warten: Wann startet Sobooks endlich richtig? Die Antwort darauf gaben wir bisher in Form der Sprachregelung “im Frühling”. Die meisten Leute erwarten dann völlig zurecht einen Termin Anfang April oder so. Wir könnten natürlich jetzt einfach zugeben, dass wir das nicht ganz geschafft haben, wie es bei Tech-Projekten halt passiert. Stattdessen schauen wir einfach auf Wikipedia nach und sind begeistert: hochnotoffiziell, mithin astronomisch verfiziert, dauert der Frühling bis zum 21. Juni! Abseits der Wikiepdia-Realität aber lässt sich feststellen, dass es natürlich sinnvoller ist, mit einem funktionierenden Produkt zu starten als auf Krampf Anfang Ende März oder Anfang April.

Was wir aber schon mal vorantreiben: die Kommunikation. Denn in der Tat, ob wir jetzt am 21. Mai oder am 21. Juni anfangen sollten oder auch erst genau dann, wenn die Plattform superschnafte funktioniert – der Termin ist so absehbar, dass wir vorsichtig aus dem Bau gekrochen kommen und neben den vielen organisatorischen Dingen auch beginnen, mit der Außenwelt zu, mit und über Sobooks zu kommunizieren.

Der Artikel ist zuerst im Blog von Sobooks erschienen. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Kommentare

6 Kommentare zu "Sascha Lobo: Über E-Books und Sobooks"

  1. Der zentrale Satz steht mitten im Text: „Nutzerverhalten lässt sich grob erahnen, aber nicht präzise vorhersagen.“ Was natürlich, wie in allen Consumerbereichen nur dann stimmt, wenn man zuerst mit eigener Ideologie, eigenem Besserwissen und eigener Plattform mal vorprescht und guckt wie die Klientel drauf reagiert. Ansonsten ist es einfach der falsche Ansatz. Wenn man, wie in der klassischen Konsumentenforschung nicht auch in digitalen Bereichen mit Marktforschung, eigenem Geld und eigenen Ideen eigene Modelle/Produkt/Projekt durchtestet, d. h. den Kunden voranstellt und sich zuerst um das Erstellen wissenschaftlichen Wissens zumindest mittlerer Reichweite bemüht, dann ist der oben zitierte Satz zwar fesch im Jargon, dennoch aber falsch in der Aussage. Und solange ohne solches Hintergrundwissen im Text weitere Sätze stehen wie:“Die meisten können sich soetwas wie Sobooks erst vorstellen, wenn es irgendwie vorhanden ist. Das gilt natürlich auch für diejenigen, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, wie Verlage, Autoren, Agenten, Medienplattformen, Multiplikatoren und irgendwie auch für uns selbst.“ Dann klingt das, nach meiner Meinung, nicht nur „irgendwie“ sondern richtig verschwommen, präpotent und schon wieder an der Klientel vorbei.

  2. Das mit der dramatisch schlechten Usability von eBooks jenseits von Kindle kann ich nur bestätigen, da ich als Verleger und Autor große Probleme damit habe. Aus meiner Nippon-Trilogie musste ich für die anderen eBook-Shops alle Sonderzeichen rausnehmen, nicht nur die japanischen Schriftzeichen, sondern auch Buchstaben mit diakritischen Zeichen wie ā,ō und ū. Dabei muss ich schon froh sein, dass mein Distributor feiyr überhaupt eBooks mit internen Hyperlinks für Glossare und Personenverzeichnisse ausliefert, denn andere Distributoren wie Neobooks akzeptieren nicht einmal solche höchst praktischen Verlinkungen innerhalb eines eBooks. Die Distributoren verfahren nach den Konvoi-Prinzip und richten sich nach dem eBook-Shop mit der schlechtesten Software- und ggf. Hardware-Ausstattung. Und das schlechteste am Markt ist die Lesesoftware Digital Editions von Adobe, die in vielen Geräten steckt. Adobe ist daher nicht nur mit seinem nordkoreanisch anmutenden DRM das größte Wachstumshindernis auf dem eBook-Markt, sondern auch mit seiner dramatisch schlechten Lesesoftware.

    • Wenn Links, ob intern oder extern, nicht akzeptiert werden, hat das nix mit Adobe zu tun. Da ist der Distributor schuld.

      Was DRM angeht, sind wir uns einig.

      • Das stimmt nicht ganz. Denn die Hyperlinks werden unter anderem deshalb nicht akzeptiert, weil die Leseprogramme oder die Hardware der Shops gar keine Rücksprungmöglichkeit anbieten, entweder als Button auf dem Touchscreen oder als Taste. Das heißt, man kann auf einen Hyperlink klicken und ihm folgen, ist dann aber irgendwo im Register verloren und muss die Ausgangsposition manuel wieder finden durch blättern oder über die Inhaltsangabe. Dasselbe gilt übrigens für PDF-Hyperlinks, die man mit Adobe sehr wohl einbauen kann – die ADE-Lesesoftware für Smartphones aber biete keine Rücksprungmöglichkeit.

    • Wenn man die Diskussion der (grundsätzlich zahlungswilligen) Ebookreader-Reader auf lesen.net verfolgt, stellt man in der Tat fest, dass – natürlich nach DRM – die pfuschige Qualität vieler Ebooks als großes Problem gesehen wird.

  3. Bin wirklich auf sobooks gespannt. Die große Revolution wird es aber wohl nicht werden.

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