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Scherben im Magen der US-Verleger

Hierzulande sowie in den USA haben sich die ersten Verbände und Interessensgruppen zum abgeschmetterten Google Settlement geäußert. Während der Börsenverein und Internet-Wettbewerber jubeln, hoffen US-Autoren- und Verlegerverbände, sich doch noch auf einen Vergleich zu einigen.

Matthias Ulmer (Eugen Ulmer Verlag)

„Richter Chin hat sich viel Zeit genommen. Und die Zeit scheint er genutzt zu haben, die grosse Zahl an Objections zu prüfen und abzuwägen. Er kommt zu einem Ergebnis, zu dem aus dem Bauch heraus die meisten von uns auch gekommen sind: alle wunderbaren Visionen der Google-Welt reichen nicht aus die Enteignung tausender kleiner Autoren und Verleger zu rechtfertigen. Wenn Google sich nicht zutraut die Rechteinhaber zu einem Opt-in zu überzeugen, dann ist ein Opt-out auch nicht zu rechtfertigen. Ein so fundamentaler Eingriff ins Urheberrecht und in die internationalen Verträge kann nicht aus einer zivilrechtlichen Vereinbarung zufälliger Parteien hervorgehen, sondern kann – wenn überhaupt – nur vom Gesetzgeber selbst vorgenommen werden. Dass dieser nun tätig wird, das halte ich für unwahrscheinlich. Das Urheberrecht geht gestärkt wie nie aus dem Verfahren hervor. Die Scherben aber werden dem amerikanischen Verlegerverband wohl noch über Jahre im Magen liegen.“

Ernst Piper, Literaturagent

„Die Ablehnung des modifizierten Google Settlement durch das amerikanische Bezikrsgericht ist grundsätzlich zu bergüßen. Sie ist geeignet, die Position der Urheber zu stärken und zugleich den Wettbewerb unter den Content Providern zu fördern. Die Entscheidung des gerichts ist außerdem ein weiteres Signal für die Annäherung der USA an europäische Rechtstraditionen, indem sie deutlich macht, dass auch schon die Einspeisung von Daten in Datenbanken eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung ist. Die Empfehlung des Gerichts, das ot out-Modell durch ein opt in-Modell zu ersetzen, kann man nur unterstützen. Es steht zu hoffen, dass die Entscheidung dazu beträgt, dass Google und vergleichbare Unternehmen künftig sensibler und respektvoller mit den Urhebern und ihren Werken umgehen.“

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

„Es ist gut, dass das US-Gericht den Google-Plänen eine deutliche Absage erteilt hat. Die Entscheidung macht klar, dass das Urheberrecht auch in der digitalen Welt gilt. Wenn ein einzelner Konzern sämtliche in den Vereinigten Staaten registrierten Bücher einscannt und speichert und sich die Rechte der Autoren und Verlage im Wege eines Vergleichs erkaufen will, dann ist das durchaus bedrohlich.“ Quelle: Handelsblatt, Donnerstagsausgabe

Marco Schneiders (Verlagsleiter Belletristik, Lübbe)

„Die Ablehnung des modifizierten Google-Settlements ist ein erster Schritt in
die richtige Richtung. Ein erster Schritt, da es primär nicht nur um etwaige
„Wettbewerbsvorteile“ seitens Google geht, sondern um die dezidierte Wahrung
von Urheberrechten. Steht doch hinter diesem Modell (nach wie vor) nicht der
Gedanke einer „Wiederbelebung“ älterer Texte, sondern ein durchgängig
kommerzielles Interesse. Vor allem bei der Bewertung, was „als vergriffen
eingestuft“ oder „verwaist“ ist, wird man zukünftig von allen Beteiligten
größte Sorgfalt einfordern müssen.“

Peter S. Fritz (Literaturagent)

„Ich bin erleichtert, dass Richter Chen dem Urheberrecht Nachachtung verschafft hat, welches das Justice Department in deren Stellungnahme schon vorgespurt hat. Vernünftig ist der Vorschlag für ein „Opt-in“ wobei die praktische Frage aufkommt, wie dies wiederum zwischen Autor und Verlag gehandhabt werden soll. Die Idee von Google ist an sich eine gute und der Leser/Nutzer steht der Sache zweifellos interessiert gegenüber. Ich denke, es gilt mit Google konstruktiv im Gespräch zu bleiben. Verlage und Autoren sollen von „Opt-ins“ angemessen profitieren.“

Börsenverein

Der Börsenverein feiert die Entscheidung des U.S. District Court in New York, das Google Book Settlement nicht zu genehmigen, als „wichtigen Tag für das Urheberrecht“. „Das Urteil von Judge Chin zeigt der ganzen Welt, dass geistiges Eigentum nicht aufgrund privater oder kommerzieller Interessen zur Disposition gestellt werden kann“, freut sich Vorsteher Gottfried Honnefelder in einer Pressemitteilung. „Das Scheitern des von Google angestrebten Vergleichs darf allerdings nicht bedeuten, das Ziel der Digitalisierung des kulturellen Erbes in Buchform aus dem Blick zu verlieren.“. Daher werde man mit Bibliotheken, Autorenverbänden und der VG Wort weiter daran arbeiten, dass vergriffene und verwaiste deutsche Bücher im Internet zugänglich werden. So unterstütze und fördere der Börsenverein beispielsweise intensiv das Projekt der Deutschen Digitalen Bibliothek.

Konstantin Wegner

(früher Justiziar bei Ullstein Heyne List, arbeitet heute in der Kanzlei SKW Schwarz, München, und ist Lehrbeauftragter am Lehrstuhl Buchwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München)

„Die Entscheidung ist einerseits nicht überraschend nachdem das US-Justizministerium seine Bedenken gegen das Settlement sehr deutlich formuliert hatte. Interessant ist aber, dass Richter Chin seine Entscheidung im wesentlichen auf die zwei Kernbedenken der Settlement-Gegner stützt, nämlich zum einen, dass das urheberrechtliche Prinzip des „Erst fragen, dann nutzen“ zugunsten Googles verkehrt würde und zweitens Google einen kaum einholbaren Wettbewerbsvorteil bei der Nutzung digitaler Buchinhalte erlangen würde (also ein wettbewerbs-/kartellrechtliches Argument). Unabhängig davon, wie man den Ausgang nun bewertet, ist es beruhigend zu sehen, dass bei allen Unterschieden der europäischen und amerikanischen Rechtsordnung dieses gemeinsame Grundverständnis (an dem zwischenzeitlich gezweifelt wurde) besteht.“

US-Verlegerverband

In einer Stellungnahme kündigt der von Tom Allen geführte US-Verlegerverband an, entlang der von Richter Chin aufgezeigten Grundlinien Modifikationen zum Settlement auszuarbeiten. „Wir hoffen, dass die anderen Parteien dies ebenfalls tun.“ Man werde mit Google, dem Autorenverband und anderen Verbänden versuchen, die Einwände des Gerichts auszuräumen, um Lesern, Forschern, Autoren, Bibliotheken und Verlagen eine digitale „Welt der Möglichkeiten“ zu öffnen. Hier das Statement komplett

Open Book Alliance (u.a. Amazon, Microsoft, Yahoo)

Die Ablehnung des Vergleichs sei ein „Sieg für das öffentliche Interesse und den Wettbewerb im „literarischen und Internet-Ökosystem“. Perspektivisch werde es allerdings nicht ausreichen, das Opt-out- in ein Opt-in-Modell zu überführen, denn dadurch würden Monopol- und Datenschutz-Probleme nicht ausgeräumt. Hier das Statement komplett

Author’s Guild

„Leser möchten einen Zugang zu den vergriffenen Werken, und Autoren benötigen jeden Markt, den sie erreichen können. Es muss einen Weg geben, um dies zu erreichen“, mahnt Verbandschef Scott Turow. Dies habe oberste Priorität für die Author’s Guild. Hier das Statement komplett

US-Blindenverband

Die Entscheidung sei enttäuschend, weil der Zugang zum Wissen aus Millionen Büchern versperrt werde. Ein grünes Licht für den Vergleich hätte den Blinden und Menschen mit anderen „Print-Behinderungen“ einen Zugang zum gedruckten Wort vermittelt, den es noch nie in der Weltgeschichte gegeben habe. Hier das Statement komplett

Kommentare

1 Kommentar zu "Scherben im Magen der US-Verleger"

  1. Dr. Franz Pascher | 24. März 2011 um 3:50 | Antworten

    das ist eine wichtige Entscheidung zugunsten der Sicherung der Urheberrechte und gegen einen kommerziellen Mediengiganten.

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