Die dramatische Situation bei der Warenhauskette Hertie ist nicht nur mit den Finanzproblemen des britischen Haupteigentümers Dawnay Day zu erklären, sondern symptomatisch für die Krise der „schwergängigen Dickschiffe“, meint buchreport-Chefredakteur Thomas Wilking. Am Buch genesen werde das Warenhaus sicher nicht:
Warenhäuser waren zu Wirtschaftswunderzeiten die zugehörige Wundertüte, die den Konsum ankurbelten. Sie haben seinerzeit auch für ein breites Publikum den Weg zum Buch geebnet, als der Fachhandel noch häufiger Schwellenangst auslöste. Selbst in der jüngeren Vergangenheit, bis in die 1990er-Jahre, war Karstadt bester Verlagskunde und führte lange das buchreport-Ranking der größten Buchhandlungen an.
Von der alten Warenhaus-Herrlichkeit ist wenig geblieben. Seit Jahren dümpeln sie als schwergängige Dickschiffe in der sich rascher wandelnden Einzelhandelslandschaft und kommen trotz allerlei neuer Konzepte nicht recht in Fahrt. Die Warenhauskrise hat auch die Buchabteilungen mit runtergezogen, zumal in der Nachbarschaft neue Formate vom Schmalspurbuchhandel bis hin zu imposanten Buchkaufhäusern in diesem Segment die Wettbewerbssituation komplett verändert haben. So ergibt es auch Sinn, diesen Warenhausbereich an Spezialisten abzugeben. Die Branche ist gespannt, ob und wie es der DBH als Karstadt-Untermieter gelingt, wirkungsvoll Akzente zu setzen.
Am Buch genesen wird das Warenhaus sicher nicht. Entscheidend wird sein, das zeigt auch das Beispiel Hertie, dass Warenhäuser insgesamt interessanter werden. Da ist Skepsis angebracht, weil auch jüngere und schlankere Wundertütenkonzepte des Einzelhandels wie Strauss Innovation und Tchibo wieder an Faszination eingebüßt haben und manche Themenwelten-Vision zerplatzt ist. Als relativ erfolgreiche Sortimentsmixe unter einem Dach haben sich letztlich vor allem Einkaufszentren erwiesen.
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