Rund 10% der Menschen haben eine solch große Angst vorm Zahnarzt, dass sie sich selbst bei Schmerzen nicht untersuchen lassen. Für viele, die sich trotzdem in eine Praxis trauen, heißt es dann: Anspannung im Wartezimmer, die Behandlung über sich ergehen lassen – und schnell wieder weg. Doch es geht auch anders. „Für uns ist es ein Ritterschlag, wenn die Patienten nach ihrer Behandlung wieder in den Wartebereich zurückkehren und das Buch zu Ende lesen, was sie zuvor begonnen haben“, erklärt Sebastian Zorn. Mit zwei weiteren Kollegen hat er im Frühjahr die Zahnarztpraxis „Leipziger14“ in Berlin eröffnet.
Das Wartezimmer vergleicht Zorn mit einer Hotellobby. Es ist geschmackvoll eingerichtet mit Sofas und Sesseln, Lampen, Beistelltischen, Orchideen und einer dunklen Regalwand, in der immer zwischen 400 und 500 Bücher stehen. Zur Auswahl gehören Titel aus den Segmenten Berlin, Kinderbücher, Essen & Trinken, Reisen, Heim & Garten sowie die SPIEGEL-Bestseller. Die Patienten können darin schmökern und die Bücher bei Gefallen kaufen. Eine kurze Info an der Rezeption genügt, dann schickt Dussmann die Rechnung einige Tage später an den Leser-Patienten.
Die Idee für die Bücherregale ging von den Zahnärzten aus, die nach eigenen Angaben deutschlandweit die Ersten und Einzigen mit einem solchen Angebot sind. „Es war immer unser Traum, eine Bibliothek im Wartebereich zu haben, wenn wir eine Praxis eröffnen“, erklärt Zorn. „Wir lesen alle drei sehr gern und wollten uns damit auch ein wenig verwirklichen.“ Das sei aber nicht der einzige Grund. Neben dem Werbeeffekt sollen sich die Patienten wohlfühlen: „Wir haben dabei auch den Hintergedanken, dass die Patienten abgelenkt werden und nicht dieses klassische Zahnarzt-Wartezimmer-Gefühl haben.“ Auch den in Wartezimmern üblichen „Lesezirkel“ wollten sich die jungen Zahnärzte nicht in die Praxis holen: „Den gibt es überall und den haben die Patienten satt.“
- Die Mitarbeiterinnen am Empfangstresen müssen Buch führen, wer welche Bücher mitgenommen hat und eine entsprechende Liste für die Abrechnung an Dussmann weiterleiten.
- Die Praxis trägt das Schwundrisiko: „Wenn jemand mit einem Rucksack voller Bücher rausspaziert und wir bekommen das nicht mit, ist das unser Pech.“
- Eine Provision erhalten die Ärzte für den Verkauf der Bücher nicht.
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