Vielen Verlagen ist es bislang nicht gelungen, jenseits der Bestseller-Frontlist im Ebook-Geschäft zu reüssieren – der „Long Tail“ droht zum „Lost Tail“ zu werden. In einem Webinar zeigt buchreport die Ursachen und gibt Verlagen Tipps, wie sie ihre Backlist besser vermarkten können. Im Interview skizziert Co-Referentin Norsin Tancik (Bilandia), worauf es dabei ankommt.
In einem Webinar zeigt buchreport am 4. Februar, 14 Uhr, warum der „Long Tail“ heute für viele Verlage ein Mythos ist – und entwirft Strategien, wie Verlage ihre Backlist besser verwerten können. Hier weitere Infos.
Nach Analysen von Marcello Vena wird der Long Tail immer stärker zum Lost Tail. Überrascht Sie diese Einschätzung?
Nein, diese Erkenntnis überrascht mich nicht, denn wer den aktuellen Markt aufmerksam beobachtet, dem werden die Anzeichen des Lost Tails überdeutlich vor Augen geführt: Die Umstrukturierung des Buchmarkts sorgt für günstigere Produktionskosten und Vertriebswege, die Lagerkosten für Digitalprodukte entfallen, der Ebook-Markt wächst und sämtliche Titel sind verfügbar – nur einen Suchmaschinenklick entfernt.
Da steigen natürlich schnell die Erwartungen der Verleger an, Stichwort: Backlist. Allerdings wird dabei gerne die Sicht der Käufer übersehen, die vor einem gigantischen Berg potenzieller Lieblingslektüre stehen und sich (mit begrenzter Lesezeit und Budget) nun fragen: Was nun?
Offenbar gelingt es vielen Verlagen nicht, den Long Tail zu monetarisieren, besonders im Digitalbereich. Was sind die Ursachen?
Wir plädieren dazu, bei der Monetarisierung der Backliste sehr strategisch vorzugehen, um Enttäuschungen zu vermeiden. Mit der richtigen Strategie lassen sich schnell Erfolge erzielen, zum Beispiel in Bezug auf die Erschließung neuer Zielgruppen oder den Verkaufserfolg mit Hilfe von sehr gut aufbereiteten Metadaten zu steigern.
Es ist selten ausreichend, sich die komplette Backlist vorzunehmen und stoisch alle Titel fit für das Internet zu machen. So wird die Backlist nämlich schnell zur Kostenfalle, und die Erwartungen steigen: der Krimi aus den 70er Jahren oder der Fachbuch-Titel mit dem exotischen Nischenthema müssen sich verkaufen, denn sie wurden aufwendig digitalisiert, mit ausreichend Metadaten angereichert und mit einem neuen Cover versehen.
Es ist aber nicht nur eine Kostenfrage, sondern bei einer Backlist mit mehreren tausend Titeln vor allem eine Personal-, Zeit- und Kompetenzfrage. Alles in allem wird so aus dem Lost schnell ein Expensive Tail. Warum sollte sich ein Buch, das sich schon vor 15 Jahren schlecht verkauft hat, jetzt online besser funktionieren?
Was muss bei der Backlist-Vermarktung ganz oben auf der Agenda stehen?
Die Vermarktung muss die Bedürfnisse der Zielgruppe erfüllen und zusätzlich eine Relevanz schaffen. In Zukunft wird es noch wichtiger werden, dass die Verlage ihre Daten gezielt auswerten: Welcher Titel läuft aktuell gut? Gibt es passende Backlist-Titel dazu? Welche Suchbegriffe geben die Nutzer an, die auf die Seite des Verlags kommen? Haben sie einen gezielten Bedarf, der gestillt werden kann? Was waren die Bestseller des Verlags vor 20 Jahren? Lohnt sich die Aufbereitung? Je mehr Daten und Rückschlüsse Verlage ziehen, desto gezielter erkennen sie die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe und können diese bedienen. Spannend wird es, wenn diese Rückschlüsse bei der Programmentwicklung, dem Vertrieb und sogar im Marketing aufgegriffen werden können. Und nicht zuletzt bieten Metadaten den Grundstock an, online überhaupt gefunden zu werden.
Berücksichtigt der Verlag diese strategische Backlist-Vermarktung, gilt es die nächste Hürde zu überwinden und eine Relevanz für die Titel zu schaffen. Das ist nötig, um in der Masse an Angeboten nicht unterzugehen.
Norsin Tancik ist seit 2011 bei der Online-Marketing-Agentur Bilandia und ist als Sales & Marketing Managerin vor allem für Social-Media-Kampagnen und Content verantwortlich.
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