Wo entstehen Bücher? Und welchen Routinen folgen Autoren eigentlich beim Schreiben? In der buchreport-Serie „Mein Schreibtisch” gewähren Autoren Einblick in ihre Arbeit.
Dieses Mal: Gisa Pauly, die ihren Schreibtisch für den langweiligsten Ort zum Schreiben hält und sich lieber auf Reisen vor Ort inspirieren lässt.
Eigentlich habe ich mehrere Arbeitsplätze: vor allem natürlich den großen weißen Eckschreibtisch mit Laptop und allem, was ich zum Schreiben brauche. Er sieht chaotisch aus, unterliegt aber in Wirklichkeit einer strengen Ordnung. Ich habe aber auch meinen Stehtisch mit dem Stepper davor und einen Fahrradschreibtisch. Ich brauche Bewegung, stundenlanges Sitzen ist für mich eine Qual. Also stelle ich mich, wenn es mal wieder so weit ist, auf den Stepper, schreibe im Stehen und steppe dabei oder setze mich aufs Fahrrad, den Laptop davor auf der Schreibtischplatte, und radle, während ich schreibe.
Mein Arbeitstag beginnt früh, an meinem vierten Arbeitsplatz, dem Frühstückstisch. Während ich mein Müsli mampfe, lese ich das, was ich am Vortag geschrieben habe und korrigiere, was mir nicht gefällt. Ich drucke meine Texte immer noch ganz altmodisch aus, ich muss alles auf Papier haben. Auf dem Bildschirm sieht mein Text ganz anders aus. Fehler, die mir dann entgehen, offenbaren sich schnell auf Papier und umgekehrt. Wenn ich satt bin, nehme ich meinen Ordner und den Block, den ich immer dabeihabe, und wandere ins Arbeitszimmer zu meinem großen weißen Schreibtisch.
Er hat soeben seinen Platz verändert. 40 Jahre stand er in der ersten Etage unseres Einfamilienhauses am Stadtrand von Münster, mit einem herrlichen Blick auf einen kleinen Fluss, in eine grüne Landschaft, alles ganz ruhig, sehr still. Hört sich gut an, ich weiß, aber ich wollte endlich mal etwas anderes: eine Wohnung mitten in der City, mit viel Lärm um mich herum. Wenige Minuten zum Aasee, höchstens fünf Minuten zum Prinzipalmarkt, den Markt am Dom in unmittelbarer Nähe, kurze Wege zu den Geschäften. Ich genieße jetzt das Lebendige, das Hin und Her vor meinem Fenster, das mir früher gefehlt hat. Nun habe ich nicht mehr den Blick ins Grüne, sondern auf Hauswände. Gegenüber auf ein Schulgebäude, links und rechts auf Nachbarhäuser. Und ständig gehen Leute vorbei. Mir gefällt es.
Und dann die vielen Cafés in meiner Nähe! Wenn es mir in meinem Arbeitszimmer immer noch zu ruhig ist, nehme ich Laptop oder Schreibblock und arbeite im Café weiter. Herrlich! Stille brauche ich nicht. Allerdings Ungestörtheit. Wenn ich ständig angesprochen würde, wäre ich flugs wieder zu Hause. Außer „Noch ein Cappuccino?“ darf kein Wort an mich gerichtet werden. Das klappt normalerweise auch.
Mein Tagesziel sind fünf Seiten. Wenn ich die schaffe, bin ich sehr zufrieden. Manchmal ist es weniger, gelegentlich aber auch mehr. Dann folgt alles andere, was auch erledigt werden muss: Fanpost, Mailverkehr, Buchhaltung usw. Die Abende widme ich meist der Recherche. Ich lese Bücher, zurzeit z.B. über Brigitte Bardot, weil sie in meinem nächsten Buch vorkommen wird. Nicht persönlich, sondern in Form einer Frau, die ihr ähnlich sieht und ihr Leben kopiert. Erst im Bett genieße ich echte Freizeit. Dann lese ich ein Buch, das nichts mit meiner Arbeit zu tun hat. Bevor es dann am Morgen wieder losgeht …
Mein Schreibtisch – im buchreport.magazin 02/2021
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Gisa Pauly
unterrichtete 20 Jahre lang an einer kaufmännischen Berufsschule, bevor sie 1994 den Lehrerberuf aufgab und sich völlig dem Schreiben widmete. Die freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin (u.a. für die ARD-Telenovela „Stum der Liebe“) lebt in Münster. Auf den SPIEGEL-Bestsellerlisten finden insbesondere die Sylt-Krimis um die resolute Mamma Carlotta großen Anklang, die bei Piper erscheinen. Zu weiteren Bestsellererfolgen zählen Anthologien (Knaur), die Weihnachtskrimis von ihr und KollegInnen aus dem Spannungsgenre enthalten (z.B. „Rentier, Raubmord, Rauschgoldengel“). Ferner veröffentlicht Pauly in Unterhaltungs-, Frauen- und Fernsehzeitschriften, realisiert Hörfunkbeiträge für den WDR und schreibt Geschichten für Kinder, u.a. im Ravensburger und S. Fischer Verlag. Ausgezeichnet wurde sie u.a. mit dem Hafiz-Literaturpreis für Lyrik, dem Satirepreis der Stadt Boppard, dem Shortstory-Preis der Stadt Leverkusen und dem Stipendium „Tatort Töwerland“.
Bestseller
Titel – bester Platz (Dauer* )
Zugvögel (5/2020) – 2 (13 Wochen)
Sturmflut (5/2019) – 2 (13 Wochen)
Jeder lügt, so gut er kann (8/2018) – 14 (3 Wochen)
Wellenbrecher (5/2018) – 1 (14 Wochen)
Venezianische Liebe (8/2017) – 18 (1 Woche)
Vogelkoje (5/2017) – 4 (12 Wochen)
Gegenwind (4/2016) – 2 (16 Wochen)
Der Mann ist das Problem (9/2015) – 16 ( 3 Wochen)
Sonnendeck (5/2015) – 6 (13 Wochen)
Strandläufer (5/2014) – 8 (13 Wochen)
Kurschatten (5/2013) – 11 (12 Wochen)
Küstennebel (5/2012) – 17 (14 Wochen)
* Verweildauer auf SPIEGEL-Bestsellerlisten Quelle: buchreport
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