Das französische Gesetz zur Preisregulierung von E-Books, das vor einigen Tagen die ersten parlamentarischen Hürden genommen hat, dürfte auch Auswirkungen auf den deutschsprachigen Buchhandel haben. Das erklärt Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels (Foto) in einer Stellungnahme zum geplanten Gesetz für buchreport:
In ahnungsvoller Vorausschau neuer technischer Entwicklungen auf dem Buchmarkt hat der deutsche Gesetzgeber schon 2001 die Preisbindung für E-Books in der Form geregelt, dass Produkte, die Bücher substituieren oder reproduzieren, Bücher im Sinne des BuchPrG sind.
Das aus dem Jahr 1981 stammende französische Gesetz zur Buchpreisbindung konnte die neuen digitalen Technologien naheliegenderweise noch nicht berücksichtigen. Politik und Buchhandel in Frankreich stimmen allerdings in der Einschätzung überein, dass eine Preisregulierung von E-Books aus den gleichen Gründen wie die Preisbindung für gedruckte Bücher zum Erhalt der Vielfalt der Buchhandels- und Verlagslandschaft und des literarischen Angebots notwendig ist. Auch zum Schutz vor zunehmender Konzentration im Buchhandel und um die Risiken einer Verdrängung des Buches in Papierform durch das E-Book einzugrenzen.
Buchhandel soll nicht Schicksal des Musikmarktes teilen
Dem Buchhandel soll es nicht so gehen, wie dem Musikmarkt, der von branchenfremden Akteuren bestimmt wird, stark kommerzialisiert ist und die kulturellen Werke in der Wertschöpfungskette zu einem Lockartikel degradiert habe. So in der Begründung des Gesetzesentwurfs, der im September von einigen Abgeordneten dem französischen Senat vorgelegt wurde. Bereits im Januar 2010 hatte der französische Staatspräsident vor dem Hintergrund der Revolutionierung des Buchmarktes durch das digitale Zeitalter ein Gesetz über die Preisregulierung für E-Books befürwortet.
Interaktive E-Books nicht preisgebunden
Der dem Senat vorgelegte Gesetzesentwurf wurde mit dem Ministerium für Kultur und Kommunikation und der Wettbewerbsbehörde abgestimmt. Er bezieht sich auf E-Books, die zuvor in gedruckter Form veröffentlicht wurden oder zur Veröffentlichung in gedruckter Form geeignet sind. Umfasst sind onlineverfügbare E-Books ebenso wie auf einem Datenträger installierte E-Books (Compact Disc, USB-Stick, usw.). Welche zusätzlichen Funktionen preisgebundene E-Books aufweisen dürfen, soll in einer das Gesetz ergänzenden Verordnung geregelt werden. Nach den Vorstellungen der Initiatoren soll darin die Art des Inhalts von preisgebundenen E-Books näher beschrieben werden. Audio- oder Video-Programme bzw. interaktive multimediale Produkte sollen von dem Geltungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen werden, nicht aber Zusätze, die für das Lesen bestimmt sind, z. B. ein Interview mit dem Autor des Buches.
Alle Verleger von E-Books mit dem Ziel der kommerziellen Verbreitung sind zur Festlegung von Verkaufspreisen verpflichtet, auch Autoren, die Bücher im Selbstverlag herausbringen.
Auch E-Händler aus dem Ausland müssen fixe Preis befolgen
Der Entwurf sah zunächst eine Geltung des Gesetzes ausschließlich für in Frankreich ansässige Anbieter vor. Diese Beschränkung entfiel bei den Beratungen im Senat. Stattdessen soll die Verpflichtung zur Einhaltung der Preisbindung für alle diejenigen gelten, die Käufern in Frankreich E-Books anbieten, auch dann, wenn sie in Frankreich über keine Niederlassung verfügen. Die Änderung wurde damit begründet, dass auch große Akteure wie Google, Amazon oder Apple in die gesetzliche Regelung eingebunden werden sollen. Der Senat bezog sich zur Rechtfertigung dieser Erweiterung des Anwendungsbereichs auf EU-rechtliche Regelungen, wonach Wettbewerbsbeschränkungen zulässig sind, wenn sie dem Ziel der Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt dienen.
So hatte ja auch der Europäische Gerichtshof am 30. April 2009 in dem Rechtsstreit des österreichischen Fachverbandes der Buch- und Medienwirtschaft gegen die Firma Libro Handelsgesellschaft in Wien entschieden. Hiernach sind Beschränkungen des freien Warenverkehrs durch nationale Buchpreisbindungsgesetze grundsätzlich mit dem Europäischen Kartellrecht vereinbar, auch grenzüberschreitende Preisfestsetzungen. Kernsatz der Entscheidung:
„Dagegen kann der Schutz von Büchern als Kulturgut als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses angesehen werden, das geeignet ist, Maßnahmen zu rechtfertigen, die die Freiheit des Warenverkehrs beschränken, sofern mit ihnen das gesetzte Ziel erreicht werden kann und sie nicht über das hinausgehen, was für die Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.“
Auch die EU-Kommission hatte sich in ihrer Stellungnahme in diesem Rechtsstreit zu dem Grundsatz bekannt, wonach der Schutz des Buches als Kulturgut im Rahmen nationaler Gesetzgebung Beschränkungen des freien Warenverkehrs rechtfertigen könne. Buchpreisbindungen seien als solche aus der Sicht des freien Warenverkehrs nicht bedenklich.
Auswirkungen für Deutschland
Die angestrebte gesetzliche Regelung für E-Books in Frankreich, über die nun die Nationalversammlung entscheiden muss, könnte somit auch Auswirkungen für die Auslegung der Regelung im deutschen Buchpreisbindungsgesetz haben, wonach zwar grundsätzlich die Preisbindung nicht für grenzüberschreitende Verkäufe innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums gilt, die Preisbindungsverpflichtung sich auch aber auf solche Verkäufe bezieht, wenn die betreffenden Bücher allein zum Zwecke ihrer Wiedereinfuhr ausgeführt wurden, um das Gesetz zu umgehen.
Diese Regelung ist deutlich auf Printprodukte zugeschnitten, nicht aber auf E-Books. Hierzu haben wir die Rechtsauffassung vertreten, dass beim Verkauf von Zugangsberechtigungen zu Daten via Internet ausländische Händler, die über das Internet nach Deutschland verkaufen, das deutsche Wettbewerbs- und Kartellrecht einhalten müssen, somit auch das Preisbindungsgesetz. Auch würde ein preisfreier Verkauf nach Deutschland zur Diskriminierung deutscher E-Book-Verkäufer führen, die an Preisfestsetzungen gebunden sind.
Frankreich stützt Auslegung des deutschen Preisbindungsgesetzes
Die unterschiedliche Behandlung von Marktteilnehmern aus verschiedenen Ländern hatte der EuGH in der vorerwähnten Entscheidung zur österreichischen Preisbindung für EU-rechtswidrig erachtet, weil sie für den Schutz der Buchkultur durch ein nationales Preisbindungsgesetz nicht erforderlich sei. Die Verabschiedung des französischen Gesetzes zur Preisbindung für E-Books in der vom Senat einstimmig beschlossenen grenzüberschreitenden Fassung hätte also auch für die Auslegung des deutschen Gesetzes bei der Preisbindung für E-Books große Bedeutung.
Auch für Deutschland interessant im Hinblick auf die zur Zeit hier angestellten Überlegungen zur Angemessenheit von Konditionen gemäß § 6 BuchPrG die Regelung des Gesetzesentwurfs, die verlangt, dass als Folge der Preisfestsetzung für E-Books durch den Verleger dieser verpflichtet ist, Dienstleistungen der Buchhändler entsprechend ihrer Qualität zu rabattieren. Die Kriterien hierfür sollen von repräsentatitven Organisationen der betroffenen Berufsstände vertraglich festgelegt werden.
Dieter Wallenfels
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