Das Plädoyer für ein restriktives Digital Rights Management ist zwar nachvollziehbar. Doch für Verlage, die zunehmend in Kontakt mit dem Kunden treten, ist dessen Zufriedenheit wichtiger als eine vollständige Kontrolle.
Bei der Aufnahme von E-Books in ihr Angebot stehen Verlage einigen neuen Problemen gegenüber. Eines davon betrifft die Entscheidung über den Schutz ihrer Inhalte. Kopieren von digitalen Inhalten ist, praktisch ohne Aufwand, jedem Laien jederzeit möglich. Jeder kennt den Kampf der Tonträger- und Videoindustrie gegen „Piraterie im Internet“. Da liegt es nahe, sich für ein restriktives Digital Rights Management zu entscheiden, um die illegale Verbreitung eigener E-Books zu unterbinden.
Ein neuer Markt, ein neues Produkt und eine neue Zielgruppe – doch mehrere Gründe sprechen gegen dieses Vorgehen: Der technische Aspekt und die Bedingungen des Marktes. Das E-Book ist mit dem traditionellen Buch nicht vergleichbar. Es handelt sich nicht einfach um eine Eins-zu-Eins-Übertragung. Schon der erste Wortbestandteil verweist auf die grundlegend anderen Eigenschaften und Möglichkeiten, und auch der zweite Wortteil wird wohl seinen bisherigen Charakter als reine Digitalisierung des Printprodukts in Zukunft noch deutlicher ändern. Der Markt für den Online-Vertrieb erfordert, wie jeder andere Markt, eine Anpassung an seinen speziellen Charakter und seine Bedingungen. Dazu tritt eine neue Kundengruppe für die Verlage deutlich in Erscheinung: der Endverbraucher mit neuen Anforderungen, Verhaltens- und Sichtweisen.
Kundenzufriedenheit und Kundennutzen sind wichtiger als vollständige Kontrolle
Aus diesen Elementen entwickelt sich das wichtigste Argument gegen jede restriktive Form von DRM: die Kundenzufriedenheit. Wenn Verlage eine ihrer Zielgruppen neu ansprechen müssen – da sie nicht mehr primär die Buchhändler als Vermittler von ihren Produkten überzeugen müssen, sondern die Endverbraucher –, sollte der Grundsatz „Kundennutzen und Kundenzufriedenheit sind die Basis der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens“ genauso in den Mittelpunkt des Handelns eines Verlages treten, wie dies (hoffentlich) im Kontakt zum verbreitenden Buchhandel bisher der Fall war.
Dies bedeutet, sich dem Nutzungs- und Rezeptionsverhalten der Nutzer und des Marktes anzupassen. Insbesondere sollte hierbei der Grundsatz gelten: kein Zwang. Dass die Softwareindustrie dies anders vorlebt – man betrachte das Zusammengehen von Blizzard und Facebook oder den Registrationszwang bei vielen Computerspielen und Anwendungen –, sollte keine Ausrede sein. Gegen den Einsatz von DRM-Software spricht neben der komplizierten Handhabung durch die Schutzmechanismen auch die Tatsache, dass dem Kunden das Downloaden von DRM-Software aufgezwungen wird. Dies ist ein weitreichender Eingriff – man stelle sich analog vor, der Buchhandel liefere zwar jedes verkaufte Buch nach Hause, brächte aber eine Kette gleich mit und montiere diese am Regal des Kunden. Auf Zwang reagiert die Netzcommunity doch allzu oft mit Widerstand um des Widerstands Willen. Oder mit Verzicht. Schließlich gilt es auch die Aversion des sensibilisierten Computernutzers gegen solch aufgezwungene Programme („der Spion auf dem eigenen Computer“) zu beachten, insbesondere wenn diese anfangen, alle E-Books auf dem Rechner eines Nutzers zu indizieren.
Gleichzeitig ist dem Verbraucher als Kunden doch selten bewusst, dass er beim Kauf von Software oder digitalen Inhalten eine Lizenz und nicht das Produkt an sich erwirbt. Er behandelt seine Kopie als sein Eigentum und erwartet, darüber entsprechend verfügen zu können. Hier mag die Verlagsbranche dann zwar eine eindeutige Rechtsposition besitzen, aber wer hat Kraft, Energie und Möglichkeit, bei rund einer Milliarde Internetnutzern die entsprechend notwendige Bewusstseinsänderung durchzusetzen? Dies bedeutet nicht einen Aufruf zur Duldung von Piraterie in Tauschbörsen oder gar des gewerblichen Diebstahls von Verbreitungs- und Verwertungsrechten von Verlagen und Urhebern – aber deren Verfolgung sollte auch mittels digitalem Wasserzeichen in kundenfreundlicher Art und Weise möglich sein -, sondern zu einem möglichst großen Beitrag zur Kundenzufriedenheit und zum Kundennutzen.
Einen Mehrwert bieten und davon profitieren
Folgerichtig sehe ich auch das Bundle von ständiger Onlineverfügbarkeit und „privatem“ Download als nächsten logischen Schritt beim Vertrieb von Verlagsprodukten an. Der (fast) überall verfügbare Onlinezugang ist ein echter Mehrwert, eine Kopie aber kann eben auch Offline genutzt werden. Tatsächlich besteht durch dieses Angebot eine Möglichkeit, dem Kunden ein Mehr an Leistung zu signalisieren und die notwendige Akzeptanz für höherer Preise und legale Nutzungsformen zu gewinnen.
Sebastian Fürbringer studiert Buchhandel/Verlagswirtschaft an der HTWK Leipzig
Kommentar hinterlassen zu "Sebastian Fürbringer: Verzichtet auf DRM"