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Sehr wirkungsvolle Art des Empfehlungsmarketings

In der kommenden Woche laden fünf Kölner Verlage zur LitBlog Convention ein. Die erste Resonanz zum Debüt? Offenbar exzellent – die Tickets waren nach einer Stunde ausverkauft. Im Interview erklären fünf Organisatorinnen, warum Blogger heute so wichtig für Verlage sind, was sie von Journalisten unterscheidet – und ob Blogs langfristig das Feuilleton ersetzen werden.

Die erste LitBlog Convention findet am Samstag, 4. Juni 2016, in Köln bei Bastei Lübbe statt. Neben Lübbe organisieren die Verlage DuMont Buchverlag, DuMont Kalenderverlag, Egmont LYX/INK und Kiepenheuer & Witsch das Blogger-Verlage-Treffen.  Hier eine Übersicht zum Programm.
Warum sind Blogger heute so wichtig für Verlage?
Christina Knorr (Egmont, Foto): Sie sind eine bemerkenswerte Erscheinungsform der modernen Literaturrezeption bzw. des modernen Literaturbetriebs. Buchblogger als Vielleser sind Endkunden und zugleich durch ihre Rezensionen Multiplikatoren. 
Viviane Popp (DuMont Kalender): Für uns sind die Blogger auch auf eine andere Art „nicht nur“ Multiplikatoren: Als Kalenderverlag orientieren wir uns an allgemeinen Lifestyle- und Trendthemen aus den Bereichen Food, Reisen, DIY, Fotografie etc. Wir suchen gezielt nach längerfristigen Trends, die sich für Kalender gut umsetzen lassen. Deshalb ist ein gegenseitiger Austausch für uns so wichtig. Wir möchten aber auch die Buchblogger erreichen, die ein Faible für haptische Produkte haben und sich auch für Illustration und Fotografie begeistern.
Ulrike Meier (Kiepenheuer & Witsch): Das gilt für uns als Literaturverlag natürlich genauso. Weil sie ein extrem wichtiger Teil der Öffentlichkeit sind, verfolgen wir Buchblogs und andere Blogs und beobachten intensiv die verschiedenen Social Media Kanäle, um Trends, Themen und Diskurse wahrzunehmen. Manchmal entdecken wir sogar konkrete Bloginhalte, aus denen dann ein Buch wird. Oder einen Blogautor, der sein Talent auch auf das Bücherschreiben ausweitet.

Und Bloggerrelations sind eine sehr wirkungsvolle Art des Empfehlungsmarketings – im besten Wortsinn! Wenn ich die bloggende Person kenne, sei es über das Netz oder vielleicht sogar, weil ich sie auf einem Bloggertreffen oder einer Lesung persönlich getroffen habe, dann vertraue ich auch ihren Buchempfehlungen. Ähnlich wie wenn mir eine Freundin ein Buch ans Herz legt. Ihrem Buchtipp glaube ich mehr als jeder Werbe-Anzeige.

Laura Müller (DuMont Buchverlag): Ja, die Blogger finden durch ihre Authentizität ganz anders Gehör beim Endkunden. Weil sie näher dran sind an den Bedürfnissen des Normalbürgers als die Feuilletons der Republik.
Ist diese Erkenntnis bei den Verlagen angekommen? 
Christina Knorr (Egmont): Gerade im Bereich der Unterhaltungsliteratur haben Verlage die Bedeutung von Blogs meines Erachtens schon sehr früh erkannt und genutzt.
Tina Pfeifer (Bastei Lübbe):  Ja, definitiv. Es gibt kaum einen Verlag, der nicht mit Bloggern zusammenarbeitet oder eine Zusammenarbeit zumindest anstrebt. 
Ulrike Meier (Kiepenheuer & Witsch, Foto): Die Erkenntnis ist da, manchmal mangelt es an den Umsetzungsmöglichkeiten – oft wegen Personalmangels. Bloggerrelations sind zeitintensiv. Die Blogger sollten wissen, welche Personen im Verlag ihre gleichbleibenden Ansprechpartner sind. Ständiger Wechsel oder überlastete Pressereferentinnen, die das zusätzlich zu ihrem Tagesgeschäft „mal so nebenher“ machen sollen, sind da eher kontraproduktiv. Es geht ja nicht nur um den Aufbau eines Adressverteilers, sondern um Beziehungsaufbau und -Pflege. Idealerweise lernt man sich irgendwann auch persönlich kennen. Auf Buchmessen oder spätestens auf der LitBlog Convention…
Tina Pfeifer (Bastei Lübbe): Das stimmt. Große Publikumsverlage haben es hier sicherlich einfacher, auch weil sie in vielen Fällen von den Bloggern selbst kontaktiert werden. 
In welchen Genres spielen Blogger eine besonders wichtige Rolle? 
Tina Pfeifer (Bastei Lübbe):  Definitiv im All Age-Bereich und auch Thriller/Spannung kommt sehr gut an.
Christina Knorr (Egmont):  Vor allem im Bereich der Unterhaltungsliteratur sind Blogger ernstzunehmende und wichtige Multiplikatoren und Influencer geworden.
Ulrike Meier (Kiepenheuer & Witsch): Aber auch für unser literarisches Programm sind die Blogger sehr wichtig. Es gibt eine zwar deutlich kleinere, aber einflussreiche Gruppe versierter Literaturblogger. Das sind im positiven Sinn Literaturverrückte. Sie stehen auch untereinander in regem Austausch, und ich bin beeindruckt, wie kenntnisreich, intelligent und ausführlich sie über unsere literarischen Titel und Autoren berichten und diskutieren.

Bei Sachbüchern arbeiten wir klar themengebunden. Blogs, die sich mit gleichen oder verwandten Themen befassen, z.B. Nachhaltigkeit, Politik, Feminismus etc., besprechen oft unsere Sachbücher, auch wenn sie keine Buchblogs sind. Insofern: Blogs spielen für alle Genres eine wichtige Rolle.

Laura Müller (DuMont Buchverlag):  Ich finde auch: So pauschal ist das nicht zu beantworten. So vielschichtig wie der Markt der Neuerscheinungen ist, so vielfältig ist die Blogosphäre.

Die Organisatoren der LitBlog Convention: (hinten) Laura Bastian, Laura Müller, Viviane Popp, Annette Geduldig, Anna Jansen, Philipp Rusch (vorne) Christina Knorr, Tina Pfeifer, Barbara Wüst, Ulrike Meier, Katharina Waltermann (nicht auf dem Bild) Rebecca Sevenig, Jerome Weirauch, Dana Marti, Dorothea Martin

Wie unterscheiden sich aus Verlagssicht Blogger- von Journalistenrelations hauptsächlich?

Laura Müller (DuMont Buchverlag):  Mit Bloggern ist ein sehr viel kurzfristiger Austausch möglich als mit den meisten etablierten Medien.
Viviane Popp (DuMont Kalender, Foto): Ja, schnelle und unkomplizierte Kommunikation. Gemeinsame Aktionen können auch kurzfristig umgesetzt werden. Blogger entscheiden mehr nach dem eigenen Geschmack. Sie sind keine ausgebildeten Journalisten. Das darf man auch nicht erwarten. Es sind Menschen, die sich für Bücher und Kalender begeistern und das mit anderen Menschen teilen.
Tina Pfeifer (Bastei Lübbe):  Mit Bloggern kann man viel mehr ausprobieren, weil sie nicht an Vorgaben seitens der Herausgeber gebunden sind. Sie können und wollen frei entscheiden, worüber sie bloggen, entsprechend ist unser Spielraum viel größer.
Christina Knorr (Egmont):  Blogger rezensieren meist Bücher der Genre, die sie selbst gerne lesen und handeln somit aus Eigeninitiative. Bloggen ist für sie Leidenschaft und Hobby, ihr Mitteilungsdrang also intrinsisch motiviert. Als professioneller Journalist kann man häufig nicht nach dem eigenen Geschmack wählen, sondern nach dem, was die Redaktion bzw. das Medium wünscht. Das führt dazu, dass in Blogger-Rezensionen häufig eine besondere Authentizität in der Fan-Liebe und Begeisterung zum Buch wiedergespiegelt wird – auch wenn sich das sich das bei der Rezension eines professionellen Journalisten selbstverständlich nicht zwingend ausschließt. Trotzdem führt dieser Umstand dazu, dass Blogger in der Blogosphäre, wenn man so will „unter ihresgleichen“, zu Recht eine besondere Glaubwürdigkeit gezollt wird.
Werden die Blogs langfristig das Feuilleton ersetzen?
Ulrike Meier (Kiepenheuer & Witsch): Nein, dieses Entweder-Oder ist Quatsch. Beide richten sich meiner Meinung nach an ganz eigene Zielgruppen, die sich stabil auf eine bestimmte Größe einpendeln werden. Als 1950 das  Fernsehen eingeführt wurde, hat man den baldigen Tod des Kinos angenommen. Und die Digitalisierung soll den Tod des Fernsehens bringen, laut Bill Gates hätte es schon 2012 mit ihm aus und vorbei sein müssen. Stattdessen ist der Fernsehkonsum gestiegen. 
Alle Medien, ob nun TV, Blogs oder Zeitungen mit Feuilletonteil, werden sich auf ihre eigene Art weiterentwickeln und nebeneinander existieren. 
Tina Pfeifer (Bastei Lübbe, Foto): Das Feuilleton ist perfekt zugeschnitten auf seine Zielgruppe und die Blogs ebenso auf ihre Leserinnen und Leser. Deshalb können beide wunderbar nebenher existieren und kannibalisieren sich in meinen Augen nicht. Was beide aber voneinander lernen können: Offenheit der Rezensenten gegenüber Texten, die nicht zu ihren sonstigen Lesegewohnheiten zählen. Da bewegen sich beide Gruppen häufig in sehr eingefahrenen Strukturen.
Wie war die Resonanz auf die Ankündigung der LitBlog Convention bei den Bloggern?
Tina Pfeifer (Bastei Lübbe):  Wir sind überwältigt. Nicht nur die Karten waren innerhalb kürzester Zeit – genauer gesagt in einer Stunde – ausverkauft. Auch das persönliche Feedback der Blogger war durchweg positiv. Alle sind neugierig und gespannt. Und wir haben viel Lob dafür bekommen, dass wir als Verlage eine solche Initiative ergriffen haben. Das zeigt, dass solch eine Convention definitiv gefehlt hat.
Viviane Popp (DuMont Kalender): Vorfreude und Neugier – auf beiden Seiten!
Laura Müller (DuMont Buchverlag): Ja, wir sind mindestens genauso gespannt auf den 4. Juni wie offensichtlich die Teilnehmer. Für uns ist es auch das erste Mal, ein so großes Bloggerevent zu veranstalten. 
Bei der LitBlog Convention arbeiten mehrere Verlage zusammen, was außergewöhnlich ist. Warum dieser Schulterschluss? Liegt der im Trend?
Tina Pfeifer (Bastei Lübbe):  Wir bündeln unsere Kräfte für ein gemeinsames Ziel: Unseren Lesern auf der LitBlog Convention ein buntes, umfangreiches Bild anzubieten. Alleine wären wir dafür viel zu eingeschränkt.
Viviane Popp (DuMont Kalender): Die Blogger haben die Möglichkeit, gleich mehrere Verlage kennenzulernen. Die Litblog Convention ist nicht nur eine Werbeveranstaltung für einen einzelnen Verlag oder Autor, sondern wir repräsentieren Köln als Verlagsstadt.
Christina Knorr (Egmont):  Ja, eine Stadt wie Köln hat als Literaturstandort viele unterschiedliche Facetten zu bieten – auch das wollten wir mit einem breit gefächerten Tagesprogramm verschiedener Verlage zeigen. 
Laura Müller (DuMont Buchverlag, Foto): Ob das ein Trend wird, können wir nicht beantworten. Sind wir die Trendsetter? Vielleicht tun es uns einige Häuser in anderen Verlagsstädten wie München, Hamburg, Frankfurt, Berlin nach, wer weiß? 
Christina Knorr (Egmont): Nach unserer bisherigen gemeinsamen Erfahrung: Wir können es nur empfehlen!  
Ulrike Meier (Kiepenheuer & Witsch): Ja, die Zusammenarbeit war sehr gut, hat uns allen Impulse geliefert und großen Spaß gemacht.
Tina Pfeifer (Bastei Lübbe): Und wenn die LitBlog Convention am Samstag ein Erfolg wird, ist eine Wiederholung nicht ausgeschlossen. 

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