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»Seit Amazon braucht sich niemand um die Versorgung mit Büchern zu sorgen«

Das Gutachten der Monopolkommission für eine Abschaffung der Buchpreisbindung wird in den Medien vielfältig diskutiert (s. Beispiele hier). Dabei hat sich die „FAZ“ bereits gegen die Preisbindung positioniert. Im Wochenend-Ableger „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (3.6.2018) hat jetzt deren Leiter der Wirtschafts- und Finanzredaktion, Rainer Hank, noch einmal mit einem großen Rundumschlag und scharfen Worten nachgelegt. Er lobt das „lesenwerte“ Gutachten der Monopolkommission und titelt: „Gebt endlich die Preise für Bücher frei!“

Seine Argumentation:

  • In der Marktwirtschaft sind die Preise frei. Den Nutzen habe der Verbraucher, denn er profitiere am Ende von billigeren Preisen und besserer Qualität. Das gelte für alle Waren und Dienstleistungen.
  • Bloß das Buch mache eine Ausnahme: „Hier gibt es die ,Buchpreisbindung‘, die seit über hundert Jahren von der Branche und ihrer aggressiven Lobby mit Zähnen und Klauen verteidigt und von der Politik mit einem eigenen Gesetz geregelt wird, welches die Wettbewerbsordnung und das Wirtschaftsrecht aushebelt.“
  • Das verhindere Preiswettbewerb und schütze „den stationären Buchhandel (Hugendubel & Co.) vor der Konkurrenz durch kostengünstigere Anbieter zum Beispiel im Internet.“ Als Hilfe für die Läden in der Abwehr gegen einen damals aggressiv auftretenden Versandhandel sei die Preisbindung eingeführt worden.
  • Der „ungeschminkte Branchenegoismus“ sei mit zusätzlichen „ideologische(n) Begründungen“ unterfüttert worden, vor allem mit dem Narrativ des Kulturgutes Buch.

Die Begründung der Buchpreisbindung „scheppert“ Hank zufolge „an allen Ecken“. Allein die fehlenden empirischen Befunde zur Wirksamkeit seien Grund genug, die Buchpreisbindung zu schleifen. Das Argument der Quersubventionierung kulturell hochstehender Bücher durch Bestseller bedeute etwa, dass Leser zu viel Geld für Bestseller zahlen müssen.

Hanks Schlusspointe lautet, dass sich seit Amazon niemand um die Versorgung der Menschen mit Büchern zu sorgen brauche. Und: „Der Kapitalismus ist bekanntlich für die Menschen da, denen er ihre materiellen und kulturellen Wünsche gut und günstig befriedigt.“ Am Markt werde die Kultur nicht zugrunde gehen.

Kommentare

7 Kommentare zu "»Seit Amazon braucht sich niemand um die Versorgung mit Büchern zu sorgen«"

  1. Mit der gleichen Argumentation können wir dann auch öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen schleifen, in leichter Abwandlung: „Den Nutzen habe der Zuschauer, denn er profitiere am Ende von billigeren Preisen und besserer Qualität. Das gelte für alle Waren und Dienstleistungen. Das Argument der Quersubventionierung kulturell hochstehender Sendungen und aufwändig recherchierter Dokumentationen durch unterhaltende Quotenbringer bedeute etwa, dass Zuschauer zu viel Geld für Unterhaltung zahlen müssen. Am Markt werde das Fernsehen nicht zugrunde gehen.“ Ob Herr Hank angesichts der Masse an Scripted Reality-Shows und billiger D-Promi-Formate und in memoriam des Grundgedankens, der einstmals hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem stand, hier auch zustimmen würde?

  2. Ruedi Amrhein | 5. Juni 2018 um 20:39 | Antworten

    Lieber Herr Hellinger
    gut auf den Mann gespielt. Aber genau getroffen.
    Ich geben Ihnen absolut Recht.
    Von einem, der in der Schweiz die buchpreisfreien Zeiten erlebt als Verlagsvertreter.

  3. Eric Lorenzen | 5. Juni 2018 um 18:30 | Antworten

    Es ist doch nur noch eine Frage der Zeit bis Amazon seine langen Finger auch nach dem Zeitungs-Geschäft ausstreckt. Und auch da wird Amazon natürlich eine Monopolstellung anstreben. Ich bin gespannt, wenn Amazon eine z.B. „Frankfurter News“ deutlich günstiger rausbringt als eine Frankfurter Allgemeine, wie die etablierten Zeitungen dann reagieren. Und wenn dann irgendwann auch noch alle Kioske und Buchhandlungen geschlossen sind kann die Frankfurter Allgemeine vielleicht noch einen mehr oder weniger schlechten Deal mit Amazon machen.

  4. Stürmer, Kathrin | 5. Juni 2018 um 9:23 | Antworten

    Das Gutachten der Monopolkommission hat etwas Gutes und etwas Schlechtes: Das Gute ist eine ziemlich detaillierte Zuarbeit, an welchen Stellen die Buchpreisbindung von wem auch immer juristisch angegriffen werden kann – nebst offener Reaktion des EUGH. Das Schlechte ist das mangelnde Bewusstsein dafür, dass Literatur das Bild des Lesers von sich, der Welt und den Menschen um sich herum beeinflusst. An dieser Stelle kann wirtschaftliche Konzentration einer bestimmten Größenordnung Demokratie gefährdend wirken, indem Haltungen und Stimmungen einer bestimmten Orientierung befördert werden. Dass es nichts gibt, was es nicht gibt, wissen wir spätestens seit Cambridge Analytica. Gegen so etwas hilft Vielfalt. Deshalb hat Deutschland als Lehre aus der Geschichte die Bildungshoheit der Länder – auch wenn wir oft darüber schimpfen. Und deshalb sind zum Glück eine beachtliche Menge von Bürgern auch für dieses Thema sensibel. Dass in der gegenwärtigen Situation einer wirtschaftlichen Auseinandersetzung mit den USA die Monopolkommission die Konzentrationsprozesse ausgerechnet im Buchhandel fördern möchte grenzt an Ironie der Geschichte. Wer sagt eigentlich, dass die Gesetzgebung der preisbindenden Staaten falsch ist – vielleicht muss unter o.g. Gesichtspunkt EU- Recht überprüft werden. Oder das EU-Parlament muß nach Herrn Zuckerberg irgendwann Herrn Bezos bzw. ganz andere Wirtschaftslenker einladen, falls es das noch kann. To big to fail gab es übrigens auch schon mal…

  5. Bravo und Danke für die treffsichere Replik, Herr Hellinger!

  6. „Gebt endlich die Preise für Zeitungen frei!“ sollte es dann auch heißen, Herr Hank…

  7. Peter Hellinger | 4. Juni 2018 um 12:56 | Antworten

    Muss man sich auf der Zuge zergehen lassen: Vertreter der Zeitungsverlage, die sich ja so schlimm von Monopolisten ausgebeutet fühlen, dass sie nicht nur in DE sondern jetzt auch EU-weit ein Leistungsschutzgesetz zum Schutz vor Google für ihre Online-Artikel haben stricken lassen (die erst durch Google Geld mit Werbung einspielen), finden, dass es das Buchpreisbindungsgesetz nicht braucht, weil die Versorgung mit Büchern ja schließlich über den Monopolisten Amazon sichergestellt sei …

    Hätte die Monopolkommission zu behauten gewagt, dass es man keine Zeitungsverlage mehr braucht, weil man ja die News auch im Internet lesen kann; schliesslich sei Kapitalismus bekanntlich für die Menschen da, denen er ihre materiellen und kulturellen Wünsche gut und günstig befriedigt – wie hätte da wohl die Schlussfolgerung des Herrn Hank gelautet?

    Peter Hellinger (Verleger und dankbar für die Buchpreisbindung)

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