Eine neue Indie-Buchhandlung sorgt in den USA im Normalfall nicht für Aufsehen. Doch wenn ein Mann, der als Vollblutverleger bekannt ist, überraschend die Seiten wechselt, ist ihm die Aufmerksamkeit der Branche sicher: Jack McKeown (Foto), ehemals Verleger von HarperCollins und Perseus, viel beschäftigter Verlagsberater und beredter Advokat der E-Books, wird Buchhändler.
Am 1. Juli eröffnet er im schicken Westhampton Beach auf Long Island vor den Toren New Yorks Books & Books Westhampton Beach. Doch McKeown wäre nicht McKeown, wenn er sich mit irgendeiner Buchhandlung zufrieden geben würde. Hinter den knapp 200 qm steckt eine ungewöhnliche Dreier-Beziehung mit einem interessanten Geschäftsmodell.
McKeown und seine Partnerin Denise Berthiaume, Präsidentin der auf Verlagswerbung spezialisierten Agentur Verso Advertising, haben sich für ihr neues Abenteuer mit Mitchell Kaplan zusammengetan. Der 52-Jährige ist Mitbegründer der Miami International Book Fair und einer der erfolgreichsten und engagiertesten Indie-Buchhändler der USA.
Kaplan hat sich seit 1982 in Florida mit drei Filialen im Großraum Miami, einer Flughafenbuchhandlung im Miami International Airport und einem Ableger auf der Insel Grand Cayman ein kleines, hoch profitables und lebendiges Buchhandelsimperium aufgebaut. Die Stärke von Books & Books ist die enge Anbindung an das lokale Umfeld – die Books & Books-Cafés sind etablierte Szenetreffs – sowie die intensive Kooperation mit lokalen Kulturinstituten und städtischen Einrichtungen. Monatlich finden bis zu 60 fast immer gut besuchte Veranstaltungen statt.
Books & Books in Florida liefert die Vorlage
Eigentümer von Books & Books Westhampton Beach sind McKeown und Berthiaume, doch der Neuankömmling wird sich in Ausstattung, Design und Sortimentsgestaltung eng an Kaplans Buchhandlungen orientieren. Die Idee, sich als Buchhändler selbstständig zu machen, kam McKeown, als er letztes Jahr für Verso eine Studie über die Buchkaufgewohnheiten der Amerikaner erstellt hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Buchhandlungen durchaus eine langfristige Zukunft haben, wenn sie ihren örtlichen Markt zielgenau bedienen und zudem für die digitale Schiene offen sind.
„Viele ältere Amerikaner, besonders die wohlhabende Babyboomer-Generation, sind überdurchschnittlich aktive Buchkäufer. Sie sind im Internet zu Hause, bevorzugen es aber, ihre Bücher vor Ort im Buchhandel einkaufen“, weiß McKeown. Er hat seine Hausaufgaben gemacht: Es ist genau diese Zielgruppe, die in Westhampton und auf Long Island ihren Ruhestand genießt, auf die das Sortiment zugeschnitten ist, inklusive E-Books für die jüngeren
Familienmitglieder.
Marketing, Autorenveranstaltungen, E-Mail-Newsletter und Bestandsmanagement werden von Books & Books übernommen und für Klientel maßgeschneidert. Über Versos dichtes digitales Netzwerk will McKeown so schnell wie möglich seine Kunden auch online mit Aktionen ansprechen; umgekehrt hat Kaplan ebenfalls Zugang zu Versos Datenbank. „Wir poolen unser Wissen und unsere Stärken, beide Seiten können voneinander lernen.“
Während McKeown Fulltime-Buchhändler wird und seine Beratertätigkeit zurückdreht, will Berthiaume ihre Zeit zwischen der Buchhandlung und Verso aufteilen. Kaplan steht beratend zur Verfügung und wird für die Anfangsphase auch Mitarbeiter aus seinen Läden abstellen. Wenn sich die Zusammenarbeit bewährt, schließt er weitere Satelliten-Buchhandlungen mit anderen Partnern nicht aus.
aus buchreport.express 21/2010
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