Konditionenzoff: Was bewegt die Amazon- und Verlags-Kritiker?
Sie kämpfen für ihr eigenes Leben
Als „Schakal“ in der Branche bekannt: Andrew Wylie
Was und wer treibt beide Seiten in der Amazon-Konditionendebatte an? Die „New York Times“ und der US-Berater Mike Shatzkin suchen nach Protagonisten und Motiven. Und finden einen einst amazonfreundlichen Agenten und durch und durch egoistische Interessen.
Mehr zum Thema Konditionenzoff im Dossier von buchreport.de
Die „New York Times“ berichtet, dass der Agent Andrew Wylie jeden seiner Autoren animiert, beim Authors United-Protest mitzumachen. In Wylies Gefolgschaft seien Hochkaräter wie Philip Roth, Orhan Pamuk, Salman Rushdie, V. S. Naipaul und Milan Kundera, außerdem die Erben der Nachlässe von Saul Bellow, Roberto Bolaño, Joseph Brodsky, William Burroughs, John Cheever, Allen Ginsberg, Norman Mailer, Arthur Miller und Hunter S. Thompson. Rund 300 Autoren und Rechteinhaber seien seinem Rat gefolgt, berichtet der Agent.
„Was Amazon tut, schadet der Verlagsindustrie und den Interessen der Autoren. Wenn Amazon nicht gestoppt wird, droht das Ende der literarischen Kultur in Amerika“, warnt Wylie in der „NYT“. Worauf das Blatt nicht hinweist: Eben jener Andrew Wylie setzte 2010 Verlagen die Pistole auf die Brust, weil diese zu geringe E-Book-Tantiemen an die Autoren ausschütteten, gründete einen eigenen Digitalverlag und paktierte mit dem vermeintlichen Kulturzerstörer Amazon. Wylies eigenes Imprint Odyssey Editions startete seinerzeit mit 20 Titeln von renommierten Autoren wie Martin Amis, Orhan Pamuk, Philip Roth und Salman Rushdie, die zwei Jahre lang exklusiv über den Kindle-Store von Amazon vertrieben wurden. Inzwischen sind die Titel auch bei Nook, Kobo, Apple und Google erhältlich.
Mike Shatzkin: Warum kritisieren Selfpublisher die Verlage?
US-Verlagsberater Mike Shatzkin fragt sich in einem Blogpost, welche Motive sowohl die Pro- als auch Anti-Amazon-Fraktion bewegt. Und kommt zu dem Schluss, dass es gar nicht primär um wirtschafts-, gesellschafts- oder kulturpolitische Fragen geht. Jene Autoren und Agenten und Verleger, die mit Hachette die traditionelle Verlagsindustrie verteidigten, „kämpfen für ihr eigenes Leben“, so Shatzkin. Denn würde Amazon noch stärker, wäre es für Verlage wie Hachette oder HarperCollins schwieriger, Vorschüsse zu zahlen und mehr Bücher zu veröffentlichen – was unmittelbar Autoren und Agenten tangieren würde.
Was das „Verlags-Bashing“ der amazonfreundlichen Autoren motiviere, sei schwieriger zu ermitteln, so Shatzkin. Sie würden nichts verlieren, blieben die Verlage starke Akteure auf dem Buchmarkt – denn nur dann werde Amazon den Autoren gegenüber die bestmöglichen Services anbieten.
Shatzkins Vermutungen laufen letztlich auch auf egoistische Motive der amazonfreundlichen Autoren hinaus:
Wenn sie große Verlage „bashen“, seien oft konkrete Forderungen an Verlage damit verbunden (höhere E-Tantiemen, kürzere Verträge, etc) – vielleicht erhofften die Autoren, indem sie Verlage dämonisierten oder sich über sie lustig machten, dass Amazon sich gedrängt fühlen könnte, ebenfalls die Konditionen und den Service zu verbessern, vermutet Shatzkin (ohne von dieser These überzeugt zu sein).
Oder aber es gehe nur ums Ego: Verlags-Basher bekämen Aufmerksamkeit, viel Applaus.
Shatzkins Conclusio: Auch für die Indie-Autoren sei es am besten, wenn es den Verlagen weiterhin so gut gehe, dass sie ihr Modell so lange wie möglich beibehalten können.
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