Es klingt nicht nach Pflicht, sondern nach Liebe. „Buchhandlungen sind für mich wie Pralinenläden – ein Ort der Verführung“, kommt Ulrike Sosnitza ins Schwärmen, wenn sie vom Sortiment erzählt. Der persönliche Draht zum Kunden, die individuelle und ernst gemeinte Empfehlung sowie der Wohlfühlfaktor samt Kaffee zum Buch – all das schätzen die Autoren besonders, die bei der Woche unabhängiger Buchhandlungen selbst in die Rolle des Händlers geschlüpft sind.
buchreport hat bei ihnen nachgefragt, was sie an den Indie-Buchhandlungen schätzen und wie sie deren Zukunft sehen. Teil 1 mit Jutta Reichelt und ihrer ersten Assoziation zum Charme der Unabhängigen: Toiletten.
Jutta Reichelt
ist freie Schriftstellerin und lebt in Bremen. Die 1967 geborene Reichelt studierte Jura und Soziologie. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit unterrichtet sie u.a. „Literarisches Schreiben“ und leitet diverse Literaturwerkstätten.Zuletzt ist 2015 der Roman „Wiederholte Verdächtigungen“ bei Klöpfer & Meyer erschienen. Jutta Reichelt erhielt mehrere Auszeichnungen, u.a. war sie Stipendiatin der „Bremer Romanwerkstatt“ sowie Preisträgerin des Tübinger Würth-Literaturpreises und des Irseer Pegasus.
Worin liegt der Charme des unabhängigen Buchhandels?
Aufgefordert vom Charme des unabhängigen Buchhandels zu erzählen, fallen mir als erstes Toiletten ein. Auch Buchhändlerinnen (die Buchhändler fühlen sich bitte mitgemeint) müssen ja mal. Will man diese Toilette als Autorin kurz vor einer Lesung aufsuchen, verdunkelt sich regelmäßig das Gesicht der gerade noch überaus freundlichen Buchhändlerin. Vielleicht ist die Putzfrau längerfristig erkrankt oder ein Kunde hat sich gerade übergeben?
Aber nein, die Toilette befindet sich in bester und sauberster Ordnung – sie ist nur nicht zu erreichen: Der Weg dorthin ist zugebaut. Bücher. Bücher. Bücher. Denn Buchhändlerinnen (und insbesondere diejenigen in unabhängigen Buchhandlungen) lieben Bücher mehr, als alle mir bekannten anderen Menschen. Mehr noch als Bibliothekarinnen, die sich so gut aufs Sammeln und Ordnen verstehen und mehr auch noch als Schrifstellerinnen, die sich in Wörter und Sätze verlieben und die das Interesse am (eigenen) Text ja meist verlieren, sobald er zum Buch geworden ist.
Und als wäre das nicht schon mehr als genug, lieben Buchhändlerinnen auch noch ihre Kundinnen (womöglich nicht alle in der gleichen Intensität) und zwar auf diese verschwenderische, großzügige Weise, die ihre wahre Bestimmung erst in der Hinwendung zum Anderen, in der geglückten Buch-Empfehlung findet. Wer will es ihnen da verdenken, dass sie die banalen Dinge des Alltags gelegentlich aus den Augen verlieren …
Wie groß sind Ihre Sorgen um seinen Fortbestand?
Ich habe den Eindruck, dass mehr Menschen begriffen haben, dass sie in den (Buch)-Läden um die Ecke einkaufen müssen, wenn sie wollen, dass (Buch)-Läden um die Ecke existieren. Insofern bin ich wieder etwas zuversichtlicher, dass gerade die kleineren Buchhandlungen eine Zukunft haben.
Was ist zu tun – außerhalb einer solchen Aktionswoche?
Ich erlebe immer wieder, dass viele Menschen ein großes Bedürfnis nach Orten, nach Formaten haben, bei denen man miteinander ins Gespräch kommen kann. Buchhandlungen eignen sich dafür hervorragend, müssten aber in ihrer Veranstaltungsplanung manchmal etwas kreativer und experimentierfreudiger werden, um zu solch einem Ort zu werden.
Kommentar hinterlassen zu "»Sie lieben Bücher mehr, als alle mir bekannten anderen Menschen«"