Ein Anruf in München fördert zutage, dass in dem Strafverfahren gegen Random House-Justiziar Rainer Dresen wegen vermeintlich vorsätzlicher Kennzeichenverletzung ein neuer Termin angesetzt ist. Eigentlich kann man nicht genug staunen, dass diese Justizposse, der Dresen zu Recht „erhebliches Peinlichkeitspotenzial für die Staatsanwaltschaft“ bescheinigt, um einen weiteren Akt verlängert wird. Aber das bizarre Verfahren ist Teil einer bedenklichen Entwicklung, die die Verlage in Zukunft zunehmend zu beschäftigen droht: Die wachsende Verwirrung über das rechtliche System zum Schutz des geistigen Eigentums.
Dabei zeigt die „Causa Dresen“, dass diese Verwirrung sich nicht nur in der offenen Feindseligkeit zeigt, die dem Urheberrecht teilweise aus der sogenannten Internetcommunity entgegenschlägt. Auch den erklärten Verteidigern des Rechts am geistigen Eigentum geht derzeit mitunter das Gespür dafür verloren, was es eigentlich leisten soll und kann. Helene Hegemanns sorgloser Umgang mit fremden Texten einerseits und die sich häufenden, teilweise bizarren Plagiatsklagen gegen Bestsellerautoren aus jüngerer Zeit andererseits, sind insofern zwei Seiten derselben Medaille.
Beide Erscheinungsformen dieser Verwirrung sind eine Gefahr für die Verlage und ihre Autoren – und eine Herausforderung: In den aktuellen komplizierten Debatten über Vorratsdaten, Google-Services und Leistungsschutzrechte müssen sie das Bewusstsein für den Schutzzweck wachhalten, der darin besteht, dass sie weder kalt enteignet noch der nötigen Gestaltungsspielräume für ihre Arbeit beraubt werden.
aus buchreport.express 9/2010
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