Facebook und Twitter verändern nicht nur die Kommunikationskanäle der Buchverlage, sondern auch der Medien. Gregor Vogelsang (Foto), COO bei der Burda Magazine Holding und neuerdings auch Geschäftsführer der Burda Creative Group (Corporate Publishing, kreative Kommunikationslösungen), hält die Keynote auf der 1. Social Media-Konferenz der Akademie des Deutschen Buchhandels zum Thema „Google+, Facebook, Xing − Social Media-Strategien für Verlage und Medienhäuser“ am 9. November in München (hier mehr).
Im Interview beschreibt Vogelsang die Herausforderungen für Journalisten, die Ziele auf den unterschiedlichen Plattformen und die schwierige Umstellung der Medienhäuser von „Senden“ auf „Empfangen“.
Social Media-Redakteur, Community-Manager, Social Network-Manager – Ist die „Facebook-Redaktion“, wie es im Titel Ihrer Keynote heißt, lediglich ein weiteres Arbeitsfeld für Journalisten oder ein gänzlich neues Berufsbild?
Weder noch: Der Umgang mit Menschen in Sozialen Netzwerken ist inzwischen ein zentraler und integraler Bestandteil journalistischen Arbeitens. Wer heute als Kapitän auf einem Großsegler seinen Dienst verrichtet, benötigt im Vergleich zu vor 500 Jahren auch andere, zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten.
Es geht also nicht so sehr darum, in Zukunft alles anders zu machen. Social Media eröffnet vor allem neue Wege, um das, was guten Journalismus ausmacht, besser zu machen: Journalisten sind damit in der Lage bessere Geschichten zu erzählen, weil sie neue, direktere Möglichkeiten der Recherche zur Verfügung haben (Stichwort: Crowd Sourcing). Außerdem können sie sich damit viel direkter mit den Mediennutzern auseinander setzen. Und: Journalisten haben damit einen neuen Kanal zur Verfügung, um Inhalte zu verbreiten. Das bedeutet natürlich auch eine Umstellung für den einen oder anderen Journalisten. Für eine Social Media-Plattform zu schreiben, die richtigen Worte und den richtigen Ton auf oftmals nur 140 Zeichen zu treffen weicht sehr stark von der „klassischen“ Berichterstattung ab. Der direkte Dialog auf Social Media-Plattformen wie Facebook, Twitter & Co. wird immer wichtiger. Zeitnahe Reaktion, der Umgang mit manchmal kritischem User-Feedback, die Interaktion zwischen Autor und Leser oftmals in Echtzeit – diese Aspekte von Social Networks sind neue Herausforderungen, denen sich ein Journalist heute stellen muss.
Passen Qualitätsjournalismus und Social Media zusammen?
Qualität ist nicht allein dadurch gegeben, dass ein Beitrag gedruckt oder gesendet wird. Und Qualität hat auch nichts mit der Länge des Beitrags zu tun, siehe die berühmte „Short Story“ – heute würde man dazu Tweet sagen – von Ernest Hemingway: „For sale: Baby shoes, never worn.“ Zentral ist die Erkenntnis, dass das Verfassen von Twitter-Meldungen, das Posten von Facebook-Meldungen oder das Schreiben von Corporate-Blogs Qualitätsjournalismus nicht ausschließt. Beide Aspekte – gute Hochglanz-Berichterstattung im Print-Objekt sowie die digitale, schnelle und zeitnahe Berichterstattung im Internet – müssen von Qualität geprägt sein. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Verlag der Absender ist, der sich durch hochwertigen Qualitätsjournalismus auszeichnet.
Twitter, Facebook, Google+, YouTube & Co.: Welche Plattform ist für Verlage aktuell am interessantesten?
Hubert Burda Media ist auf verschiedenen Kanälen präsent, nutzt aber vor allem Facebook und Twitter. Google+ ist in einem frühen Stadium, wird aber für das Unternehmen ebenfalls sehr interessant werden. Für Journalisten bieten aber alle Plattformen Möglichkeiten: Xing ist das neue Kontaktbuch, Twitter die schnelle Quelle und ein Kanal für die schnelle Verbreitung von News, Facebook der Kanal für die Verbreitung von Inhalten an die Fangemeinde der Zeitschriftenmarke oder des Journalisten und das Pflegen dieser Community. Welche Plattform genutzt wird, ist abhängig von den Zielen, die erreicht werden sollen. Dementsprechend gibt es auch unterschiedliche Erfolgsparameter: Bei Twitter geht es um Mentions und Re-Tweets, bei Facebook um die Fans, Comments und den Click Through zu den Websites der Titel.
Wie kann man mit Social Media Content einen Mehrwert für die Nutzer schaffen?
Für die User ist der eigentliche Nutzen von Social Media die schnelle, neue Nachricht (Twitter) und der „soziale Mehrwert“, den der Inhalt bietet – sprich die Möglichkeit, das eigene soziale Netzwerk mit diesem Inhalt zu versorgen und damit in diesem Netzwerk bereichernd aktiv zu werden. Fakt ist dabei allerdings auch, dass eine reine Konvertierung von Print-Inhalten oder Website-Infos in einen Twitter-Stream oder in eine Facebook-Gruppe selten erfolgreich ist. Weitere interessante Mehrwerte können Beteiligungen der Nutzer an redaktionellen Auswahlprozessen, Vorschauen auf und Kommentieren von kommenden Themen sowie Wettbewerbe wie beispielsweise der Elle-Model-Wettbewerb auf Facebook sein.
Sind es vor allem große Verlags- und Medienhäuser, die sich eigene Social Media-Manager leisten, während kleinere Verlage ihre Netzwerk-Aktivitäten nebenher betreuen?
Ganz im Gegenteil, erfolgreiche Blogs sind die kleinsten „Verlage“ überhaupt und erst durch das Netz denkbar. Es ist auch nicht notwendig, eine eigene „Social Media-Bürokratie“ aufzubauen. Vielmehr geht es um die Verankerung von Social Media überall dort, wo es für Verlage relevant ist: in den Redaktionen, im Vertrieb, in der Marktforschung, im Kundenservice, in der Abonnentengewinnung.
Natürlich ist es richtig, dass ein größeres Unternehmen mehr finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung hat, die oftmals auch größere Community und Social Media-Nutzerschaft zu betreuen. Es gibt aber auch kleinere Verlage oder Verlagsbereiche, die sehr professionell erfolgreiche Social-Media-Strategien verfolgen. Insgesamt befindet sich die Branche ohnehin noch im Wandel: Verlage erkennen jetzt, dass das Thema Social Media kein kurzfristiger Hype, sondern eine Realität ist. Soziale Netzwerke haben das Verhalten der Mediennutzer erneut revolutioniert und diese Entwicklung zu ignorieren oder nur halbherzig zu beachten, kann sich heute eigentlich kein Medienunternehmen mehr leisten.
Wie sinnvoll ist es überhaupt, Ressourcen und Kapazitäten in ein spezifisches Stellenprofil zu investieren, das sich ausschließlich um Social Communities kümmert?
Es geht nicht um die Schaffung neuer Stellen, sondern darum, wie Redakteure, Marketing-Manager und Kolleginnen und Kollegen im Vertrieb sich die Möglichkeiten Sozialer Netzwerke zunutze machen können, um ihre originären Aufgaben noch effektiver und effizienter zu erfüllen. Das kann durch spezielle Rollen unterstützt und gefördert werden, wie zum Beispiel Social Media-Evangelists wie sie im angloamerikanischen Raum eingesetzt werden. Aber eigentlich geht es vor allem darum, von der Unternehmensspitze her das Signal zu senden, dass Social Media wichtig ist: Wenn ein Chefredakteur in England zu seinen Redakteuren sagt „Tweet or leave“ ist das vielleicht eine etwas drastische Form, aber es zeigt eben unmissverständlich: Nehmt Social Media ernst, werdet aktiv und gestaltet mit. Das ist es, was wir in Verlagen brauchen.
Was empfehlen Sie Verlagen, die sich in sozialen Netzwerken engagieren wollen?
Vor allem: Hören Sie auch einfach mal zu! Medienunternehmen sind auf Senden eingestellt und die Umstellung auf Empfangen fällt nicht leicht. Aber genau darum geht es: Fans, Follower und Nutzer ernst nehmen, ihnen zuhören, ihre Ideen aufnehmen und nicht mehr glauben, dass man ohnehin weiß, was für die Leserinnen und Leser das Richtige ist. Das wissen wir nämlich nicht.
Interview: Akademie des Deutschen Buchhandels
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