Mit dem Start eines deutschsprachigen Kindle-Programms werden die Karten auf dem E-Book-Markt neu gemischt. In den USA profitiert Amazon davon, als Erster mit einem E-Book-Programm an den Start gegangen zu sein – in Deutschland muss der Onliner jetzt den Markt von hinten aufrollen. Aktuell dominieren Apple und Thalia auf dem digitalen Spielfeld. buchreport.de analysiert die Wettbewerbssituation und stellt die wichtigsten Anbieter vor.
Die GfK hat auf der Leipziger Buchmesse präsentiert, wie sich der E-Book-Kuchen bei den Portalen bislang verteilt hat (Frage: Über welche Portale haben Sie schon E-Books gekauft?). Erstaunlich dabei: der hohe Marktanteil von Apple, der niedrige von Libreka – und die Tatsache, dass Amazon bereits vor dem Start des deutschsprachigen Kindle-Programms auf Platz 3 lag.
Amazon Kindle
Das Unternehmen aus Seattle genießt im englischsprachigen Markt einen Vorsprung, weil es als erstes Verlage köderte und mit einem E-Book-Programm an den Start ging – im November 2007. Vor diesem Hintergrund umfasst allein der US-amerikanische Kindle-Store bereits über 810.000 elektronische Bücher, frei verfügbare Titel nicht eingerechnet. Bevor Apple mit dem iPad und iBookstore auf den Markt trat, lag der Marktanteil von Amazon in den USA schätzungsweise weit über 80%.
Während Amazon zunächst erfolgreich den Verlage die eigenen Pricing-Vorstellungen – Bestseller einheitlich für 9,99 Dollar – diktieren konnte, wehrten sich Macmillan und andere Großverlage gegen den (in ihren Augen) Dumping-Kurs. Als Apple den eigenen E-Book-Shop launchte und dabei den Verlagen bei der Preissetzung größtenteils freie Hand ließ (Agency-Modell), beugte sich Amazon dem Druck der Verlage und führte ebenfalls Verträge nach dem Agency-Modell ein. Dennoch kosten schätzungsweise immer noch über 80% der kostenpflichtigen Kindle-Bücher 9,99 US-Dollar oder weniger.
Auch die Konkurrenz soll demnächst über eine Provision an den Kindle-Erlösen beteiligt werden: Amazon will es anderen Buchhändlern innerhalb der USA (nach dem Vorbild von Google, s.u.) ermöglichen, den Kindle-Shop in die eigene Internetseite zu integrieren.
Während der Onliner die Lektüre der Kindle-E-Books anfangs nur auf dem eigenen Lesegerät ermöglichte, haben die Amerikaner inzwischen die Vertriebszone erweitert. Mit eigenen Kindle-Apps können auch Nutzer von Apple- und Android-Geräten die Kindle-Bücher lesen.
Anders als beispielsweise Apple zeigt Amazon neuerdings auch verlegerische Aktivitäten. Der größte Onlinehändler der Welt bietet über das Programm „Amazon Crossing“ englischsprachige Übersetzungen fremdsprachiger Bücher an. Ergänzend zu dem 2009 gestarteten Verlagsprogramm „Amazon Encore“, das auf englischsprachige Debütanten fokussiert ist, will Amazon mit „Crossing“ ausländische Autoren auf dem Heimatmarkt präsentieren.
Die Auswahl der Bücher für den hauseigenen Verlag soll mit Hilfe der weltweiten Auswertung von Kundendaten erfolgen, also sog. „Data Mining“: Kunden-Feedback sowie sonstigen Nutzer-Daten. Die Titel sollen von Amazon selbst übersetzt und über die eigene Schiene (Amazons Bücher-Shop plus Kindle-Store, also gedruckt und elektronisch) sowie „nationale und unabhängige Buchläden“ vertrieben werden.
Apple
Apple betrat den E-Book-Markt vergleichsweise spät, anlässlich der Vorstellung des iPad im Mai 2010 – zweieinhalb Jahre, nachdem Amazon die Kindle-Hardware und -Inhalte an den Start schob.
iPhone, iPod, iPad – der kalifornische Konzern unterstützt ausschließlich die eigene Produktpalette. Die Geräte sind multifunktional und eignen sich ebenso zum Surfen im Internet wie zum Musik hören, Videos gucken, telefonieren (iPhone) oder eben zum Lesen.
E-Books werden in Apples iBookstore im Epub-Format angeboten, sowohl kostenpflichtige Titel als auch gemeinfreie E-Books z.B. vom Projekt Gutenberg. Daneben können die Verlage einzelne Bücher in Form von Apps (auch angereicherte E-Books) im App-Store veröffentlichen – inzwischen setzen viele Verlage wie Droemer Knaur, Fischer, Kiepenheuer & Witsch, Rowohlt, Oetinger, Fischer und Bastei Lübbe auf enhanced E-Books. Schließlich bieten Aggregatoren (Textunes) oder Verlage (Marvel Comics) Leseapps an, in die hinein Bücher geladen werden können.
Erst kürzlich hat Apple die Konditionen für Verleger und Buchhändler verschärft. So soll es nicht mehr erlaubt sein, durch einen Link innerhalb einer App auf einen externen Shop zu verweisen, um Apple zu umgehen, ohne dass dieselben Titel auch im eigenen iBookstore von Apple angeboten werden. Aus diesem Grund wurde eine iPhone-App von Sony zurückgewiesen, über die Kunden E-Books direkt aus dem Online-Shop des japanischen Konzerns erwerben konnten.
Laut GfK hatte der iBookstore im März 2011 einen Marktanteil von 29% in Deutschland – Platz eins. Laut der Allensbacher Acta-Studie haben 87% der Deutschen schon einmal vom iPad gehört, allein im letzten Quartal (4/2010) verkaufte Apple weltweit über sieben Mio iPads (dies entspricht in etwa der Zahl der Kindle-Geräte, die Amazon schätzungsweise innerhalb eines Jahres verkauft). Laut der Acta-Studie nutzen rund 30% der iPad-Besitzer das Gerät zum Lesen von Büchern. Für Vielleser sind die Geräte von Apple aufgrund des leuchtenden LCD-Displays weniger geeignet, ihre Multifunktionalität spricht jedoch ein breites Publikum an.
Google startete erst im Dezember 2010 mit Google Books einen eigenen E-Book-Vertrieb. Der Leser kann über die üblichen Browser den Text in der „Wolke“ lesen – aber auch über Smartphones-Apps oder klassische E-Reader. Der Nutzer von Google Books ist somit nicht auf ein bestimmtes Gerät beschränkt. Bei den Formaten setzt Google neben PDFs primär auf Epub.
Mit mehr als drei Millionen Titeln verfügt der Internetriese nach eigenen Angaben über die „größte E-Book-Sammlung“ der Welt. Das Gros der Titel wird kostenlos im eigenen E-Bookstore angeboten – gemeinfreie Titel aus dem Bibliotheksprogramm, es sind jedoch auch einige Bestseller im Programm. Der E-Vertrieb ist bislang auf US-Kunden beschränkt, im Frühjahr soll das Angebot auf Europa erweitert werden.
Der Vertrieb erfolgt über den Google-Shop selbst sowie über Handelspartner aus dem Buchhandel (darunter auch Mitglieder der American Booksellers Association), die das E-Book-Sortiment bei sich einbinden können. Verknüpft ist das Angebot mit Googles Suchmaschine, aber auch mit dem Google Books Ngram Viewer, mit nach der Häufigkeit bestimmter Begriffe in den gescannten Büchern gesucht werden kann.
Thalia
Thalia hat mit dem „Oyo“ im Oktober 2010 einen eigenen E-Reader auf den Markt gebracht, der nur bei Thalia und angeschlossenen Online-Shops erhältlich ist. Das jüngste Weihnachtsgeschäft sei sehr erfolgreich gewesen, heißt es vom Filialisten, Anfang Dezember habe der Oyo über alle Kategorien unter den Top-5 der meistverkauften Produkte bei Thalia rangiert. Auf der Thalia-Webseite stehen mehrere 10.000 E-Books zum Kauf bereit. Den Marktanteil unter den E-Shops schätzte die GfK im März 2011 auf 19% (Platz 2).
Der Vertrieb erfolgt über das eigene Portal thalia.de und die Online-Schwestern aus der buch.de-Gruppe. Bei den Oyo-Geräten ist die Anbindung an den thalia.de- bzw. buch.de-Shop vorinstalliert.
Weltbild
Mit einem E-Reader Modell für 99,99 Euro (Aluratek Libre) hat Weltbild die teurere Konkurrenz im Jahr 2010 unter Zugzwang gesetzt. Leserbefragungen hätten ergeben, dass sich die Weltbild-Kunden ein preiswertes Einstiegsmodell wünschen. Laut Weltbild-Geschäftsführer Klaus Driever war die vierte Charge des eigenen E-Readers Aluratek Libre bereits vor Weihnachten ausverkauft; seit dem Sommer, so die Wasserstandsmeldung Mitte Dezember 2010, habe sich die E-Book-Nachfrage verdreifacht.
libri.de
libri.de bietet E-Books über den eigenen Shop und die White-Label-Shops der über 1000 Partner-Buchhändler an – analog zum Barsortiment KNV, das ebenfalls den Partnerbuchhändlern einen E-Shop zur Verfügung stellt. Die Hamburger wickeln die E-Book-Bestellungen ab, der Buchhändler erhält 5 bis 10% Provision für jeden E-Book-Download. Der Libri-Shop ist auf vielen Readern vorinstalliert, so auch auf dem Acer-Modell LumiRead oder dem GalaxyTab von Samsung. Auf der Leipziger Buchmesse stellte Libri eine Android-App vor, mit der E-Books gekauft werden können.
Libreka
Viereinhalb Jahre nach dem Startschuss von „Volltextsuche Online“ als Leuchtturmprojekt des Börsenvereins und der Weiterentwicklung zum E-Book-Vertriebskanal „Libreka“ hat die MVB zum Herbst 2010 eine radikale Kehrtwendung vollzogen. Vor die Wahl gestellt, sich künftig stärker im Konzert der großen E-Book-Plattformen von Apple, Amazon und Google Gehör verschaffen zu wollen, oder sich auf die Funktion der Lieferung der E-Bücher an die bisherigen Konkurrenten zu fokussieren, wollen sich die Frankfurter künftig darauf konzentrieren, im Auftrag der Verlage mit Apple & Co. zu verhandeln und die auf Libreka gesammelten Titel an die Portale auszuliefern. Erste Verträge schlossen die Frankfurter mit Barnes & Noble und Apple. Seit März beliefert Libreka auch den Telekom-Kiosk PagePlace.
Bei der Positionierung der E-Book-Plattform Libreka agiert die Börsenvereins-Wirtschaftstochter MVB unter scharfer Beobachtung der Zwischenbuchhändler. Sie haben eigene Modelle, mit denen sie im E-Book-Vertrieb mitmischen wollen. Weil die MVB mit ausgewählten Zwischenbuchhändlern über ein Joint-Venture verhandelte, kam es im November im Branchenparlament zum Eklat.
Um Libreka als Distributionsplattform weiter auszubauen, hat die MVB zum 1. Januar 2011 die Claudio Medien GmbH übernommen und bietet seitdem auch Hörbücher zum Download an. Im Laufe diesen Jahres sollen über Libreka neben E-Books auch digitale Hörbücher national und international ausgeliefert werden.
Barnes & Noble (nur USA)
Der US-Buchhändler Barnes & Noble hat einen eigenen E-Book-Reader names „Nook“ entwickelt. Der Buchhändler investiert großzügig in das digitale Geschäft, was sich zuletzt negativ auf die Ertragslage auswirkte: Anhaltende Kosten für die Entwicklung des eigenen E-Book-Readers sorgten im zweiten Geschäftsjahresquartal 2010 (bis Oktober 2010) für Verluste im Wert von 12,6 Millionen US-Dollar. Im jüngsten Quartal (bis Ende Januar) stiegen die Umsätze mit der eigenen Internetseite gegenüber dem Vorjahresquartal um 32% auf 210 Mio US-Dollar. Viele amerikanische Analysten bezweifeln jedoch, dass es der Buchhändler schaffen wird, digital auf Augenhöhe mit Amazon und Apple mitzuhalten.
Weitere Anbieter
Die Vertriebspalette bei E-Books ist in Deutschland breit und umfasst neben einem Pionier wie Ciando (der einen eigenen Shop unterhält und andere Anbieter mit E-Books beliefert) auch digitale Kioske wie das kürzlich von der Telekom gestartete Angebot PagePlace (u.a. von Libreka mit E-Books bestückt); auch Vodafone bietet den Mobilfunkkunden digitale Bücher zum Herunterladen an.
Perspektivisch könnte sich besonders das Joint-Venture von Random House und Holtzbrinck zu einem starken Wettbewerber der etablierten Portale entwickeln – wann der „Premium“-Shop (so der Arbeitstitel) startet, ist aber noch unklar.
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