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Sparen auf Kosten der Schüler

Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger ist in der vergangenen Woche in die pädagogische Offensive gegangen: Die Umstellung von gedruckten auf digitale Schulbücher verbessere die Lehrqualität – was auch hierzulande auf offene Ohren bei Bildungspolitikern gestoßen ist. Johannes Haupt, Experte für E-Books- und Lesegeräte, erklärt, warum die Initiative ein falsches Vorbild für Deutschland ist.

Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger gab sich vergangene Woche alle Mühe, die angekündigte Umstellung von gedruckten auf digitale Schulbücher als Verbesserung der Lehrqualität zu verkaufen. Die Inhalte könnten aktueller und interaktiver bereit gestellt werden, Schüler hätten weniger Ballast mit sich herum zu tragen. Zudem unterstreiche die eBook-Intiative Kaliforniens Technologieführerschaft in den USA, so Schwarzenegge

Dabei handelt es sich bei der zweistufigen Maßnahme – zum neuen Schuljahr werden zuerst gedruckte Mathe- und Naturwissenschaftsbücher durch digitale Angebote ersetzt, später sollen suksessive weitere Fächer folgen – in erster Linie um ein Sparprogramm. Auf dem bevölkerungsreichsten amerikanischen Bundesstaat lasten riesige Schulden, das Haushaltsdefizit liegt in diesem Jahr bei rund 24 Milliarden Dollar.

Erst im Mai lehnte die kalifornische Bevölkerung bei einer Abstimmung etliche Notfallmaßnahmen ab, die in ihrer Drastik keine Fragen offen lassen: Gehälter von Staatsangestellten sollten eingefroren, die Gesundheitsleistungen von jungen Menschen gekürzt und die Sozialhilfe mehrerer Hunderttausend Menschen ersatzlos gestrichen werden.

Nun wird auch im Bildungssystem gespart: Rund 1.000 Lehrkräfte wurden allein in Los Angeles zum Ende des Schuljahres 07/08 entlassen, das staatliche Ferienprogramm für Schulkinder fällt in diesem Sommer aus. Von August an sollen mit der Umstellung auf digitale Literatur dann noch einmal mehrere Millionen Dollar jährlich eingespart werden.

Qualität der Lehre sinkt

Vor diesem Hintergrund muss bezweifelt werden, dass der schulische Lernerfolg bei der Konzeption der eLearning Offensive eine gewichtige Rolle gespielt hat. Offenbar wird nicht einmal der Versuch unternommen, mit den schon heute gegebenen Möglichkeiten eine bestmögliche Bildung zu gewährleisten. Aufwändig produzierte tagesaktuelle Multimedia-Inhalte wird man auf den neuen Bildungsplattformen wohl kaum vorfinden.

Auch sieht das kalifornische Programm keine Hardwareanschaffungen vor – weder für die Kinder noch für Bildungseinrichtungen. An Schulen ohne Computerraum sollten Lehrer das digitale Unterrichtsmaterial künftig eben ausdrucken, heißt es in der Regierungsmitteilung. Von „interaktivem Lernen“ kann hier keine Rede mehr sein.

Weiterhin wird die Konzentration beim Lernen leiden, wenn Schüler – etwa bei der Lektüre seitenlanger wissenschaftlicher Literatur – immer nur einen Klick von MySpace und Facebook entfernt sind. Das gleiche gilt für die Lernumgebung: Wenn im Nachbarzimmer der Fernseher läuft, kann man sich künftig nicht mehr mit dem Buch unter dem Arm zurückziehen.

Kein Geld für Investitionen

Viele dieser Vorbehalte hätte Kalifornien entkräften können, würde die Bildungsinitiative auch die Bereitstellung kostenloser (oder zumindest stark subventionierter) eBook Lesegeräte beinhalten. Denn schon heute ermöglichen eReader wie der Amazon Kindle eine augenfreundliche und ablenkungsfreie Lektüre auch von längeren digitalen Texten. Aber für die Hardware fehlt an der amerikanischen Westküste das Geld.

Schon heute könnte eine eLearning Initiative langfristig Kosten sparen und die Lernqualität erhöhen – technische Möglichkeiten und Endgeräte gibt es bereits. Allerdings muss dazu investiert werden – durch Initialkosten für eReader und Schulcomputer amortisiert sich ein gelungenes eLearning Programm erst nach einigen Jahren.

Zeit, die Schwarzenegger nicht hat: Kalifornien steht kurz vor dem Staatsbankrott. In sofern kann man aktuell aus dem Silicon Valley nicht mehr erwarten als dieses insgesamt unausgegorene Bildungsprogramm. Vor diesem Hintergrund sollten auch die Ergebnisse beurteilt werden – eine vorschnelle Verurteilung von eBooks im Bildungsbereich ist nicht angebracht.

Falsches Vorbild für Deutschland

Kaliforniens Initiative hat als erstes derart weit reichendes eLearning-Projekt weltweit Beachtung gefunden. Auch deutsche Kommunalpolitiker haben mit Interesse zur Kenntnis genommen, was für Einsparpotenziale eBooks an Schulen schon heute bieten. Schon gibt es konkrete Überlegungen, auch hierzulande Schulbücher durch eBooks zu ersetzen – ebenfalls mit dem Primärziel, zeitnah Geld zu sparen.

Dabei kann nur eine langfristig ausgelegte eBook Strategie im Bildungsbereich zum Erfolg führen – für Politik wie für die Schüler und damit fürs Gemeinwohl. Ob eLearning bei einer erfolglosen (weil ineffektiven) Umstellung in naher Zukunft noch einmal eine Chance bekommt, ist unwahrscheinlich. Umso wichtiger ist es im Interesse aller Parteien, das Thema ganzheitlich anzugehen und nicht nur den „schnellen Euro“ im Auge zu haben.

Johannes Haupt (lesen.net – Tagesaktuelles zu eBooks & Lesegeräten)

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