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Spiegelbest: Das Ende der Buchpiraterie

Ich schreibe diesen Beitrag – und darf diesen Beitrag schreiben – weil ich mit Gründen bekanntgeben möchte, dass ich mit der Buchpiraterie zur Buchmesse aufhören werde. Spiegelbest ist ein Nickname. Er steht für die Legitimierung der Buchpiraterie, die es nach deutschem Recht und Gesetz nicht geben kann. Er steht dafür, die Rechtlosigkeit des Internets zu einem globalen Gewohnheitsrecht zu machen. Damit bin ich selbstverständlich nicht allein. Das Filesharing wird als Netzrecht angesehen und verteidigt. Von den Filmen, zur Musik bis zu den Ebooks wird alles geshared. Nicht wenige sehen das Filesharing als das grundlegende Recht einer Generation an.

Die Buchpiraterie kam erst spät auf. Warum sie für mich nun zu Ende geht, kann ich nur erklären, wenn ich einen Blick auf unsere Anfänge werfe.

Ich bin in einer Zeit zur Buchpiraterie gestoßen, als die Scanner der Papierbücher von den Einkäufern der Ebooks – den Retailern – abgelöst wurden. Jeder Scan war zuerst ein liebevoller und sehr zeitaufwendiger Nachbau des Originals. Jeder Scanner besitzt ein verdrehtes, aber inniges Verhältnis zu seiner Vorlage, schließlich muss er sie lesen – zur Korrektur und zur Formatierung. Die Retailer (wie ich) waren von anderer Art. Sie waren die Ladendiebe. Eine schnelle Greiftruppe, die sich nicht lange anschaute, was sie davonschleppte. Unter den Massen von Ebooks, die sich nun Tag für Tag über die Szene ergossen, wurden die wenigen Scanner begraben. Es gibt sie, aber sie sind die Exoten, die Maskottchen der Buchpiraterie.

Netzanarchisten und Sophisten

Gibt es eine Entschuldigung für diese Art von Piraterie? Nun, im engen juristischen Sinn sicherlich nicht, aber vergessen wir nicht, wie leicht es uns gemacht wurde. Niemand von den Uploadern, niemand von den Downloadern ist jemals erwischt worden. Die Gesetze bestanden nur auf dem Papier. Vergessen wir auch nicht, dass wir drm-freie Titel haben anbieten dürfen – lange Zeit besaßen wir de facto ‚Konkurrenzschutz‘. Vergessen wir nicht, dass die Ebooks oft soviel gekostet haben wie die Papierbücher. Betriebswirtschaftlich berechtigt oder nicht, war dies in den Augen der Leser nicht angemessen. Und die Netzanarchisten wie ich taten ihr Bestes zu begründen, dass es im Netz kein Dein und Mein gibt. Und gegen alle Juristerei traten wir täglich den Beweis an: Ein gefragtes Ebook, das im Netz aufschlug, gehörte kurze Zeit später niemandem und allen!

Die Klagen der ‚Rechteinhaber‘ – wie wir sie nennen – haben mich nicht interessiert, und ich habe mich redlich bemüht zu propagieren, dass wir Leser selbst ein natürliches Recht auf schutzbefreites und preiswertes Lesen hatten. Es war nicht schwer, die Buchpiraterie in die Nähe von ‚Mundraub‘ zu rücken. Wenn ich auf die Diskussionen mit den Autoren zurückblicke, dann hat sich ein Ladendieb auf gleicher Stufe mit dem Ladenbesitzer auseinandersetzen dürfen. Jede witzige Kehrtwendung, jede Dreistigkeit, jede Anmaßung fand den Beifall des Publikums. Es – das Publikum – wollte möglichst viele Bücher für möglichst wenig Geld lesen und hat uns Buchpiraten deshalb zu Gerechten der Buchwelt gemacht. Vergessen wir also nicht, wieviel Unterstützung wir bei allen Leserschichten fanden.

Die Amazon Flat ist ein Wendepunkt

Und jetzt zur Buchmesse kommt die Flat von Amazon. Wird unser Traum vom unbegrenzten und kostenlosen Lesen wahr? Nur zum Teil, denn Amazon hat nichts als die eigenen Autoren im Programm. Aber schauen wir uns an, was passieren wird: Zuerst einmal werden alle Amazon-Kunden diese Flat angeboten bekommen. Wenn ich Amazon richtig kenne, werden die Konditionen für die Kunden äußerst attraktiv sein. Geschätzte 40-50% der Knden werden beginnen, ihre Bücher flat (und damit digital) zu lesen. Frage: Werden diese Kunden weiter bereit sein, für ein Buch (egal ob Papier oder digital) € 20,00 auszugeben? Oder werden sie das Angebot der Buchpiraten in der Gestalt von l**.to aufsuchen, wo jeder Verlagstitel, den es nicht in der Amazon Flat gibt, für € 0,10 verkauft wird?

Ich stelle für mich fest, dass bei den Ebooks das Endgame um den Buchmarkt der Zukunft begonnen hat. Noch werden die meisten Bücher in Papier gelesen. Was aber ist, wenn die Amazon Flat das digitale Lesen populär macht? Es gibt keinerlei Empirie, aber wenn die Flatbooks die Papierbücher verdrängen, dann werden die Verlage von zwei Seiten in die Zange genommen: von den Amazon Indies – darunter viele flinke Abschreiber – und von den eigenen Ebooks, die bei den Buchpiraten gelandet sind. Wer irgendwelche Zweifel hat, wie professionell das Angebot von letzteren ist, der schaue sich eine Seite wie l**.to gerne aus der Nähe an.

Ladendiebe werden zu Brandstiftern

Wir Buchpiraten sind zwar Ladendiebe, aber wir wollten zu keiner Zeit das Geschäft ruinieren, das wir regelmäßig besucht haben. Amazon aber will die Verlagslandschaft mit seiner Flat in Brand setzen. Ich für mich stelle fest, dass ich eine solche Brandschatzung als Buchpirat nicht unterstützen will. (Denn das tue ich, wenn ich weiter Verlagstitel hochlade.) Von Anfang bis Ende war ich nicht nur fleißiger Buchpirat, sondern auch begeisterter Leser der Verlagstitel.

Für mich geht die ‚alte‘ Buchpiraterie, wie ich sie kenne – einigermaßen harmlos und einigermaßen idealistisch – bald zu Ende. Mache weiter, wer weitermachen will – ich lege kein Feuer an das, was ich liebe!

Kommentare

5 Kommentare zu "Spiegelbest: Das Ende der Buchpiraterie"

  1. Statt illegal laden kann man ja auch gebrauchte Bücher kaufen oder jene, die nicht mehr der Buchpreisbindung unterliegen (Modernes Antiquariat)

  2. Das ist aber eine recht merkwürdige Entscheidung, denn unabhängig davon, ob nun Amazon oder „Buchpiraten“ den Preis für das Anfertigen einer digitalen Kopie eines E-Books definieren, muss doch ein Verlag ohnehin eine völlig andere, neue Rolle einnehmen, um nicht in Grund und Boden gebrannt zu werden, egal, ob Amazon oder „Buchpiraten“ oder File-Sharer oder Leser zündeln. Es liegt doch auf der Hand, dass, wenn die Vervielfältigung und Distribution zum Nulltarif möglich ist, sich das Geschäftsmodell mehr auf die initiale Herstellung verlagern muss, zumal das komplette Verlagswesen nur deshalb entstanden ist, weil die Vervielfältigungs- und Distributionskosten für den einzelnen Autor nicht zu bewältigen waren. Logischerweise befindet sich das jetzt im Rückbau.

  3. Ob man es glauben möchte oder nicht: EIN Buchpirat zieht sich vom „Geschäft“ zurück. Was folgt daraus für die Gesamtproblematik Ebook-Piraterie? Gar nichts.

    Wie groß war dereinst mal die Bedrohung durch Spiegelbest? Schwer zu sagen – wir haben es versucht:
    http://www.buchreport.de/blog.htm?p=3321
    Fazit: Könnte schlimm gewesen sein, aber es gab/gibt deutlich Schlimmere.

    Ich weiß, dass das Thema Ebook-Piraterie in Verlagen äußerst unbeliebt ist und dass es entsprechend qualifiziertes Personal dort in der Regel nicht gibt, obwohl es da um viel Geld und die Grundlage von Geschäftsmodellen geht. Auf der EPublish 2013 habe ich mal einen Workshop dazu gehalten und am Anfang die (theoretisch themenaffinen) Teilnehmer gefragt, ob sie denn boe***, avax***, L*G* kennen. Die wenigsten kannten auch nur eine der Seiten.

    Lernen könnte man von Spiegelbest und anderen Piraten mal ein wenig in Sachen Tempo. Wenn SB mal (subjektiv) Fahndungsdruck verspürt, kostet(e?) es ihn ein Arschrunzeln und wenige Tage, um komplett Server, Seite, sonstwas zu wechseln. Wenn ich ihm eine Mail schicke (ja, wir sind seit ca. zwei Jahren im Dialog), habe ich nach einer halben Stunde eine Antwort und nicht, wie bei vielen Verlagen, erst nach einem halben Jahr. (Die Zeitangaben sind nicht polemisch gemeint, sondern realistisch.) Bizarr genug, wenn sich Pirat und Anti-Pirat in vielen (z. B. technischen) Dingen einigst sind, während in den Verlagen der Diskurs immer noch auf dem Niveau hartes oder weiches DRM, Stopschilder/Leitplanken, Stärkung des Urheberrechts und ähnlichem Kicki steht.

    Es wird jetzt wieder Leute geben, die mir Panikmache unterstellen. Andere, wenn auch eben nur wenige, werden wissen, was mit kryptischen Kürzeln wie l**.to oder gar L*G* gemeint ist und vielleicht sogar eine Ersatzrate berechnen können. Dazwischen viele, denen ich weiterhin (gratis) sehr empfehle, sich auf dem Piraterie-Gebiet kundig zu machen. Vielleicht mal Spiegelbest fragen?

  4. Verstehe ich das richtig: eine Flat von Amazon wäre schlimmer als die Buchpiraterie? Und der Buchpirat hat die Verlagswelt ja eigentlich immer ganz ganz lieb gehabt? Wer´s glaubt…

    • Um es mal auf den Punkt zu bringen: Wenn sich die Zahl der Ebookleser durch die Einführung der Amazon Flat verzehnfacht, wird sich auch die Zahl der illegalen Downloader in etwa verzehnfachen. Für die Buchpiraten – nicht anders als für die Verlage – kommt die Veränderung in der Tat von außen.

      Und zu meiner Liebe zu Verlagswelt: Ich höre auf, weil die Verlagsbestseller bald nicht mehr im knapp 5-stelligen, sondern im deutlich 6-stelligen Bereich illegal runtergeladen werden. Ich bin halt der Meinung, dass die Buchpiraterie damit zu einem Existenzproblem der Verlage wird.

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