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Stabil und lebhaft, aber nicht mehr überdreht

Das Lizenzgeschäft ist der Lebensnerv der Frankfurter Buchmesse. Der Nachfrage in Deutschland ist gut, wenn auch das Geld nicht mehr locker sitzt. buchreport sprach mit deutschsprachigen Agenten über Trends und Probleme.

Rund 86000 neue Bücher sind nach Zählung des Börsenvereins 2007 in Deutschland erschienen, davon 4130 Übersetzungen aus dem Amerikanischen oder Englischen. Die überwiegende Mehrheit wurde durch einen Literaturagenten vermittelt, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auf den Verträgen eine Schweizer Adresse steht.

Traditionell ist Zürich die Schaltstelle für englischsprachige Literatur, die ins Deutsche übersetzt werden soll. Die dort ansässigen Literaturagenturen Liepman, Mohrbooks und Paul & Peter Fritz sind als Subagenten für Verlage und Agenturen aus Großbritannien und den USA seit rund 50 Jahren die Schaltstelle zwischen den Sprachen.

Literaturagenturen auf dem Vormarsch

Die drei Firmen sind die traditionsreichsten Literaturagenturen im deutschen Sprachraum, doch längst nicht die einzigen. In den letzten Jahren sind auch in Deutschland zahlreiche Literaturagenturen gegründet worden, von denen viele aber nur deutschsprachige Autoren vertreten. Mit den Zürcher Firmen vergleichbar sind u.a. die Agenturen Thomas Schlück (Garbsen), Michael Meller Literary Agency und Ursula Benders Agence Hoffman, beide in München. Sie sind zweigleisig aufgestellt, verkaufen als Subagentur Übersetzungsrechte und vertreten deutsche Autoren weltweit.

Man kennt und schätzt sich untereinander, pflegt einen gesunden Wettbewerb und kooperiert mitunter auch. So wie die Paul & Peter Fritz AG, die seit fünf Jahren eng mit der Berliner Agentur Piper & Poppenhusen von Ernst Piper und Astrid Poppenhusen zusammenarbeitet. Inzwischen hat sich auch die Agentur Barbara Wenner dazugesellt. Schon 2000 hat Mohrbooks eine Niederlassung in Berlin eröffnet, die der ehemalige Piper-Lektor Uwe Heldt aufgebaut hat. Bis heute betreut er die deutschsprachigen Autoren der Agentur.

Die Weltwirtschaft mag stottern, doch in Deutschland läuft der Handel mit Lizenzen  gut. Den Verlagen sitzt das Geld zwar nicht mehr so locker wie in den 90ern, den „Casino-Jahren“, wie Peter Fritz sie nennt, doch „der Markt ist sehr stabil und lebhaft“, sagt Eva Koralnik, zusammen mit Ruth Weibel Inhaberin der Liepman AG. So lebhaft, dass z.B. der Agentur Fritz Ende Juni zur Halbzeit 2008 nur noch 10% zum Gesamtergebnis des Vorjahres fehlten.

Auch Mohrbooks’ Ko-Geschäftsführer Sebastian Ritscher kann mit den ca. 450 Abschlüssen, die die Agentur jährlich tätigt, gut leben. Joachim Jessen, Mitglied der Geschäftsführung der Schlück-Agentur, die u.a. Bestsellerautor Ken Follett in Deutschland vertritt und den Nachlass von Robert Gernhardt verwaltet, kann „ebenfalls nicht klagen“ und freut sich, dass deutsche Schriftsteller zunehmend auch finanziell Anerkennung finden. „Für Kleingeld sind die meisten nicht mehr zu bekommen.“

Ken Follett ist kein Maßstab

Dennoch warnt Jessen seine Autoren vor zu hohen Erwartungen. Wenn die Medien über die Millionen berichten, die beispielsweise ein Ken Follett kassiert, dann staunt das breite Publikum. Doch diese, so Jessen, „absoluten Ausnahmen“ verzerren das Bild: „Die Schere zwischen Topp und Flopp klafft immer weiter, was vor allem zu Lasten der Midlist geht.“ Sechsstellige Abschlüsse sind in Deutschland rar, fünfstellig gilt als gutes Geschäft. Peter Fritz hat vor diesem Hintergrund die Abschlüsse seiner Agentur über zwei Jahre analysiert und kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass 57% weniger als 5000 Euro eingebracht haben.

Dass vor allem amerikanische Literaturagenten gern über die geizig gewordenen Deutschen klagen, sehen die Agenten entspannt. Sebastian Ritscher: „Die Amerikaner sind aus den 90er-Jahren noch etwas verwöhnt, als viele deutsche Verlage heftigst um Marktanteile stritten und in teure Vorauszahlungen investiert haben, die kalkulatorisch nicht immer gerechtfertigt waren.“

Diese Zeiten sind (vorerst?) vorbei, doch Klagen gehört zum Geschäft. Tatsächlich verlassen sich die Amerikaner und Briten im Lizenzgeschäft auf die deutschen Verlage als solide Partner. Hier wie dort spielen betriebswirtschaftliche Überlegungen zunehmend auch im Lizenzgeschäft eine Rolle. „Letztlich muss der Cashflow stimmen“ (Ritscher).

Literaturagenten haben das ganze Jahr hindurch Saison, doch in den Wochen vor der Frankfurter Buchmesse ist das Leben für sie besonders hektisch. Frankfurt ist im Kalender der unumstößliche Pflichttermin, ergänzt seit einigen Jahren durch die London Book Fair im Frühjahr. Versuche der Briten, sich auf ein Level mit Frankfurt zu heben, bügeln  die Agenten jedoch ab. Eva Koralnik: „London ist zwar sehr professionell geworden und als Ergänzung zu Frankfurt sinnvoll und wichtig, aber mehr auch nicht.“ Nur eine Nebenrolle im internationalen Rechtehandel spielt die BookExpo America (BEA).

Die Erwartungen an das Lizenzgeschäft auf der Buchmesse sind auch in diesem Jahr hoch. Die Mammutveranstaltung am Main wird zwar nicht zuletzt wegen der hohen Kosten regelmäßig kritisch hinterfragt, aber die Alternative, ein Jahr einfach nicht hinzufahren, ist für einen Literaturagenten undenkbar. Auch im Zeitalter digitaler Kommunikation lassen sich das persönliche Gespräch, die Begeisterung für ein Buch, der Händedruck durch Telefon und Computer nicht ersetzen. „Die persönliche Beziehung ist das Wichtigste in unserem Beruf“, bringt Eva Koralnik ihr Verhältnis zu Frankfurt auf den Punkt. „Wir leben von den Kontakten; nur in Frankfurt treffe ich in so kurzer Zeit so viele Menschen“, bekräftigt Ritscher.

Seit 1978 haben die Literaturagenten ihr eigenes Zentrum. In diesem Jahr feiert das Literary Agents & Scouts Centre (LitAg) seinen 30. Geburtstag. Auch wenn vor allem Amerikaner und Briten gebetsmühlenartig über die abseitige Lage klagen und die langen, zeitraubenden Wege monieren, ist die unbestritten größte Plattform des globalen Rechtehandels regelmäßig frühzeitig ausverkauft. Und die Nachfrage steigt von Jahr zu Jahr: 507 Literaturagenten haben 2008 einen Tisch im LitAg bestellt, ein Plus von 7,6%.

Doch das LitAg ist nur eine Hälfte des Frankfurter Agentenalltags. Die andere Hälfte spielt sich außerhalb des Messegeländes ab, von Sonntag bis Sonntag. Bis zur Eröffnung der Buchmesse am Mittwochmorgen sind die Frankfurter Nobelhotels „Hessischer Hof“ und „Frankfurter Hof“ fest in der Hand der Agenten und ihrer Verlagsklienten. Eva Koralnik nennt diese „Messe vor der Messe“ liebevoll ein „strukturiertes Irrenhaus“, das sie aber keinesfalls missen möchte.

Die meisten Agenten führen die ersten Gespräche schon beim Frühstück, und auch um Mitternacht ist noch lange nicht Schluss.  Sebastian Ritscher hat nachgerechnet und kommt für das Mohrbooks-Team in diesem Jahr in acht Tagen auf 79 Termine mit deutschen Verlagen, 41 mit Klienten aus der englischsprachigen Welt und sechs diverse Treffen; nicht eingeschlossen sind unzählige Abendessen, Cocktailpartys und Empfänge.

Was Trends und Themen angeht, zeigt sich der Markt in diesem Jahr wenig experimentierfreudig und setzt auf bewährte Kost: Kriminalromane und Thriller laufen immer, Biografisches auch; Sachbücher sind erfahrungsgemäß ein schwieriges Pflaster, aber verkäuflich, wenn sie, so Peter Fritz, „gut ge- schrieben und originell sind“. Der Trend zur deutschen Literatur ist ungebrochen. Jessen: „Die Nachfrage nach guten Erzählern ist groß, auch Genre-Literatur wie beispielsweise historische Romane hat ihren Markt.“

E-Books werden zum roten Faden

Ein Thema, das die Branche umtreibt und sich in Frankfurt wie ein roter Faden durch die Gespräche ziehen wird, sind E-Books. Überzeugungsarbeit muss bei den Literaturagenten nicht mehr geleistet werden. Kindle und Co. haben hier längst Einzug gehalten und leisten beim Lesen von Manuskripten wertvolle Dienste. Jessen: „Diese Lesegeräte sind kein reiner Buchersatz, sie sind auch eine Generationenfrage. Man kann, wie ich, ein Liebhaber des gedruckten Buches sein und sie trotzdem nutzen.“

Buchrechte sind heute nur noch ein Teil des Pakets. Immer öfter bauen Literaturagenturen die elektronischen Buchrechte in ihre neuen Verträge ein. Bei der Paul & Peter Fritz AG ist diese Praxis mittlerweile Standard. Auch Mohrbooks bietet schon seit rund einem Jahr jenen Verlagen Komplettverträge, „von denen wir wissen, dass sie mit diesen Rechten aktiv umgehen“. Die Nachfrage steigt im Eiltempo.

Doch gleichzeitig besteht erheblicher Informationsbedarf, denn die Verunsicherung in den Verlagen ist groß. Ritscher: „Viele haben überhaupt keine Vorstellung, wie E-Books funktionieren, andere wissen ganz genau, was sie wollen und fragen ausdrücklich nach den Rechten. Das Problem ist, dass heute noch niemand absehen kann, wie sich der Markt entwickeln wird, was im elektronischen Format geht und was nicht und wie wirtschaftlich E-Books sein werden.“

Die Preisbindungsdiskussion trägt zusätzlich zur Unsicherheit bei und ist unter den Agenten so umstritten wie in den Verlagen. Peter Fritz: „Für mich persönlich ist ein digitales Buch ein anderes Produkt und fällt damit nicht unter die Preisbindung, Aber zu diesem Thema gehen die Meinungen unendlich weit auseinander. Frankfurt wird ganz sicher spannend.“

Anja Sieg, redaktion@buchreport.de

Links:

www.fritzagency.com
www.mohrbooks.com
www.liepmanagency.com
www.schlueckagent.com

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