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Standards schaffen Spielräume

Durch den digitalen Wandel stehen in der Buchbranche viele Arbeitsabläufe auf dem Prüfstand. Wie Verlage sich dafür mit Prozessmanagement rüsten können, erläutert Beraterin Andrea Tenorth (hier ihre Internetseite). Sie macht sich zurzeit als Beraterin für Prozess- und Projektmanagement selbstständig. Zuvor hat sie als Einkaufs- und Herstellungsleiterin bei Bastei Lübbe Abläufe dokumentiert und optimiert.

Sind die Buchverlage ausreichend auf den digitalen Wandel vorbereitet?

Das digitale Geschäft ist noch sehr volatil. Alle Verlage beschäftigen sich mit dem Thema, aber ich habe meine Zweifel, ob das ausreicht, um wirklich flexibel reagieren zu können, wenn das Stammgeschäft eines Tages wirklich nicht mehr rentabel sein sollte. Im Grunde genommen können die Verlage im Moment nur experimentieren, weil keiner weiß, wie das Produkt von morgen aussieht.

Inwiefern hilft der Blick auf die Prozesse?

In der Verlagsbranche, wie in vielen anderen Branchen auch, ist die Organisationsstruktur in der Regel über die Jahre gewachsen, sodass sehr komplexe Systeme entstanden sind. Wenn man einen Teilprozess verändert,
hat das in der Regel Auswirkungen auf viele weitere Abläufe und Abteilungen. Wer die Prozesse kennt, kann die Konsequenzen solcher Veränderungen besser abschätzen und die Mitarbeiter besser abholen.

Haben die Verlage die Bedeutung von Prozessmanagement erkannt?

Teilweise: Den Verlagen ist das Schlagwort zwar bekannt und sie setzen sich damit auseinander, aber die Bedeutung wird häufig noch unterschätzt. Wer erst jetzt damit beginnt, die Prozesse aufzunehmen, muss es anders machen als im klassischen Lehrbuch. Im aktuellen dynamischen Umfeld macht es keinen Sinn, eine detaillierte und starre Prozessstruktur aufzusetzen, weil dann die Dynamik und Flexibilität verloren geht, mit der wir uns auf Veränderungen einstellen können. Deshalb rate ich den Verlagen, möglichst agil zu denken.

Was sind die größten Hürden bei der Prozessoptimierung?

Ein Prozessverständnis ist grundsätzlich etwas, was man lernen muss. Das ist nicht jedem klar. Für mich gehören auch zwingend Standards zum Prozessmanagement dazu. Standards zu setzen in einer Branche, die per se innovativ und kreativ sein will, ist nicht so ganz einfach, weil viele sie gleichsetzen mit schlicht, lieblos und billig.

Warum sind Standards trotzdem wichtig?

Sie ermöglichen eine sehr gleichmäßige Qualität, schnelle Produktionszeiten und reduzieren Kosten. Andererseits gibt es durchaus auch Abläufe, die man nicht so detailliert festlegen kann und will. Man muss also sehr genau hingucken, wo Standards Sinn machen und wo man genügend Spielraum
einbauen muss, um auch andere Prozesse zu ermöglichen. Es ist eine Pointe, dass eine Standardisierung auch Spielräume schafft für Kreativität.

Eine Analyse zum Thema Prozessoptimierung in der Buchbranche lesen Sie im buchreport.spezial RWS, das dem buchreport.magazin August beiliegt (hier zu bestellen).

Kommentare

1 Kommentar zu "Standards schaffen Spielräume"

  1. Buchbetreuerin | 29. Juli 2014 um 18:33 | Antworten

    Es wird dringend Zeit, dass die Verlage ihre Prozesse optimieren!! Das sage ich als Agentin, die Bücher an Verlage vermittelt. Im Schnitt dauert es 4-5 Monate (!), bis endlich mal eine Entscheidung getroffen ist, ob ein von einer Agentur angebotenes Buchprojekt angenommen wird oder nicht – viel zu lange! Die Entscheidungswege ziehen sich umständlich über mehrere Hierarchieebenen (Lektor, Cheflektor, Programmleiter, Geschäftsführer….) und müssen dann noch auf einer Programmkonferenz abgesegnet werden. Das passt nicht mehr in die heutige Zeit – das kommt aus dem 19. Jahrhundert!
    Insbesondere Autoren, die selbständig sind und Bücher aus beruflichen Gründen publizieren, haben meiner Erfahrung nach keine Lust, so lange auf eine Verlagsentscheidung zu warten (zumal sie dann noch unter dem Strich dem Verlag Exemplare abkaufen müssen). Viele wählen dann entweder den Verlag, der am schnellsten die Zusage gibt, oder überhaupt keinen Verlag und gehen ins Selfpublishing.
    Verlage haben bisher die Notwendigkeit, endlich die Entscheidungswege bis zur Annahme oder Ablehnung von Buchprojekten deutlich zu verkürzen, nicht erkannt; zudem differenzieren etliche auch nicht zwischen professionellen Agenten, die gleich etwas „Ausgereiftes und Marktfähiges“ anbieten und laienhaften Autoren, die unbeholfen mit dem ersten Manuskript ihres Lebens angewackelt kommen – alle dürfen gleich lange warten. Auch dadurch gehen den Verlagen gute Autoren verloren! Aber leider sitzen die Verlage gegenüber den Autoren immer noch auf einem viel zu hohen Ross – man hat es nicht nötig, sich um sie zu bemühen, es gibt zu viele davon. Andererseits kann aber auch der eine alles entscheidende Bestseller darunter sein, den man aus Trägheit übersieht und in langen Entscheidungswegen vergrätzt. Die Arrogranz der Verlage ist es u.a., die viele Autoren (etliche unnötig) ins Selfpublishing treibt.
    Meiner Erfahrung nach gibt es zurzeit lediglich EINEN renommierten Sach-/Fachbuchverlag in Deutschland (den Namen möchte ich hier nicht nennen), bei dem die Autorenakquise schnell und prozessoptimiert läuft – und dieser eine Verlag zieht im Moment in so großer Zahl Autoren und Buchprojekte an Land, dass sich die Konkurrenz in einigen Jahren umgucken wird, wo sie in diesem Marktsegment eigentlich geblieben ist. Im Augenblick ist das noch nicht öffentlich sichtbar, aber in ca. 5 Jahren wird der Verlag einen riesigen Vorsprung vor der Konkurrenz aufgebaut haben.
    Viel zu tun für Frau Tenorth!

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