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Start auf neuen Laufwegen

Nach rund 5 Wochen Lockdown haben sich am Montag in vielen Buchhandlungen in Deutschland wieder die Türen für Kunden geöffnet – unter Mahnung von Bundeskanzlerin und Wissenschaftlern, nicht auch die eingeübten Vorsichtsmaßnahmen zu lockern und „keine Sekunde leichtfertig oder leichtsinnig zu sein“. Eine gewisse Skepsis ist in dieser Situation also angebracht: Erst 2 Wochen später werden die Infektionszahlen zeigen, ob es nicht doch wieder verschärfte Einschränkungen geben wird.

Gewappnet für den Kundenkontakt: Allerorten haben sich Buchhändler mit dem nötigen Equipment ausgestattet, um ihre Läden fit für die Kunden zu machen. In der Kirchzartener Bücherstube ist man „stolz und glücklich, dass wir die Herausforderungen der letzten Wochen mit vereinten Kräften sehr gut gemeistert haben und bisher nicht an Kurzarbeit denken mussten“. Dort bedient Cordula Strecker (l.) an der Plexiglasscheibe. Nadine Hochrein und Pauline Fittkau (Mitte) von Geschichten*reich in Seligenstadt haben sich mit Mundschutz aus‧gestattet. Damit zu sprechen, sei aber noch gewöhnungsbedürftig. Brigitte Schiffer (r.) von der Bremer Buchhandlung Balke ist „unglaublich erleichtert, dass wir wieder in den ‚normalen‘ Arbeitsalltag zurückdurften.“ Bestellte ‧Bücher werden weiterhin mit Bollerwagen geliefert. (Fotos: Kirchzartener Bücherstube, Geschichtenreich; Balke)

Dennoch: Im Buchhandel ist derzeit die Erleichterung groß, dass endlich wieder direkter Kundenkontakt möglich ist. „Alle Kunden äußern sich freudig, dass die Buchhandlungen wieder offen sind – sie haben uns vermisst! Und das ist ein gutes Gefühl“, sagt etwa Osiander-Mitinhaber Heinrich Riethmüller. Bei Buchhandelsmarktführer Thalia zieht man eine gemischte Bilanz: Der Andrang sei in den Stadtteilen und kleineren Orten sehr lebendig gewesen, in den großen Innenstädten, in denen viele Geschäfte in der Nachbarschaft noch nicht öffnen durften, dagegen verhaltener.

Beim unabhängigen Buchhandel bemaß sich die Kundenfrequenz zum Auftakt in einem Spektrum von überschaubar bis hoch. Auch Schlangenbildung blieb zwischenzeitlich nicht aus, berichten etwa die Buchhandlungen Carolin Wolf (Bruchsal) oder Ein guter Tag (Schwerin). Der Kundenstau hat in erster Linie natürlich mit den Sicherheitsvorkehrungen zu tun, die die Buchhandlungen allerorten umgesetzt haben.

 

Mit Spuckschutz und Desinfektionsmittel gewappnet

Dort gehören Plexiglas an der Kasse, Desinfektionsmittel und Mundschutz mittlerweile zum Standardinventar. Wie die Maßnahmen im Einzelnen aussehen, ist aber durchaus individuell, wie folgende Beispiele zeigen:

  • Osiander hat in einigen Läden Einkaufskörbe verteilt, um die Zahl der Kunden im Blick zu behalten. Nur Kunden mit Korb durften in den Laden.
  • Die Kirchzartener Bücherstube (Baden-Württemberg) hat eine Ein- und eine Ausgangstür definiert. Ein Schild am Eingang macht darauf aufmerksam, dass maximal 6 Personen in das Geschäft kommen dürfen, dort befindet sich auch eine Desinfektionsstelle. Eine Plexiglasscheibe an der Ladentheke ist als Trennung angebracht, auf einen Mundschutz verzichtet das Team aber. „Etwas ungelenk“ sei man noch dabei, Kunden den Eintritt zu verweigern, „aber auch das schaffen wir“.
  • Bei Bücher bei Dausien ist dagegen auch von der Stadt Hanau verfügter Mundschutz Pflicht, für Verkäufer und Kunden. Im Nähgeschäft nebenan, wo Masken und Stoffe verkauft werden, ist die Schlange entsprechend lang. Für die 300 qm große Buchhandlung hat das Team 10 Kunden als Begrenzung festgelegt, zum Auftakt waren aber maximal 8 zeitgleich da.
  • Die Buchhandlung Schaten im Uni-Center in Bochum wartet derweil noch auf die Lieferung eines Spuckschutzes und der Bodenmarkierungen. Aktuell hilft sie sich mit einem Provisorium in Form eines Schirmständers und gespannter Folie aus.

Bitte Abstand halten: Um die nötige Distanz zu wahren, haben sich die Buchhandlungen verschiedene Optionen überlegt: Bei der Mayerschen auf der Düsseldorfer Königsallee sind Absperrbänder mit Verhaltensregeln angebracht (l.), die Mitarbeiter tragen Mundschutz und ‧bedienen hinter Plexiglas (r.). Mit rotem ‧Klebeband markiert Osiander, wo die Kunden stehen dürfen (Mitte). (Fotos: Mayersche; Osiander)

Insgesamt verhalten sich die Kunden nach Einschätzung der Buchhändlerinnen und Buchhändler vorsichtig und verständnisvoll, wenn es Wartezeiten gibt. Viele fragen schon von außen, ob sie hereinkommen dürfen, berichtet etwa die Buchhandlung Rote Zora in Merzig (Saarland).

Am Kaufverhalten habe sich dagegen wenig geändert. Insgesamt stehen Beschäftigungsbücher für Kinder wie Erwachsene sowie Unterhaltungstitel wie in den Wochen zuvor hoch im Kurs. Bei Thalia stellt man allerdings fest, dass der Beratungsbedarf vor Ort höher sei als vor der Krise, während schnelle Einkäufe nach wie vor online erledigt werden. An den Standorten wünsche man sich, dass die Menschen zum Schutz der Mitarbeiter auf den Abstand und die weiteren Hygieneregeln achten. Das sei zum Auftakt noch nicht überall gelungen.

 

»Uns hängt der Stress noch sehr in den Knochen«

Trotz der grundsätzlich optimistischen Stimmung ist im Handel die starke Belastung der vergangenen Wochen zu spüren: Viele mussten in kürzester Zeit alternative Lieferservices aufbauen und alle Kräfte mobil machen, um mit den Kunden in Kontakt zu bleiben. Hinzu kommt, dass mit der Ladenöffnung diese neuen Angebote parallel weiter bedient werden müssen.

Bei Buchhändlern von Ein guter Tag (Schwerin) sind die Gefühle daher gemischt: „Uns hängen die letzten Wochen und der damit verbundene Stress noch sehr in den Knochen. Denn neben den existenziellen Sorgen, der Bürokratie und der jeden Tag aufs Neue gestellten Frage ‚Wie geht es weiter?‘, galt es, eine völlig neue Arbeitsweise zu etablieren und zu routinieren. Das war alles andere als einfach und hat von allen im Team viel Geduld und Einsatz gefordert.“ Auch will in Schwerin niemand so recht an die Lockerungen glauben: „Man bleibt in Hab-Acht-Stellung.“

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