Im Rückblick ist die Buchbranche in diesem Jahr von der Diskussions- in die Praxisphase eingetreten. Auf dem elektronischen Parkett tummeln sich immer mehr Akteure aus und von außerhalb der klassischen Buchbranche – und je größer die Hoffnungen auf künftig stattliche Erlöse aus dem neuen Geschäft, desto rauer der Ton. Die wichtigsten Entwicklungen des Jahres:
- Auf der Hardware-Seite konnten besonders Sony (Start des Readers zur Leipziger Buchmesse) und Amazon (internationale Ausweitung der Kindle-Zone zur Frankfurter Buchmesse in über 100 Ländern) Akzente setzen – zum Jahreswechsel steigt auch der Berliner Reader-Hersteller txtr ins Rennen ein.
- Ein ähnliches Gedrängel wie auf der Hardware-Seite ergibt sich auf der Vertriebs- bzw. Dienstleistungsseite. Neben den Online-Universalisten mit E-Book-Segment (Amazon, Google, libri.de, weltbild.de, buch.de, hugendubel.de etc.) und E-Book-Spezialisten (Ciando, Libreka) setzen zunehmend auch Buchhändler mit Internet-Aushängeschild (powered by Libri und KNV) sowie Verlage selbst (besonders Fachverlage wie Springer SBM) Akzente.
- Inmitten von Inhalte-Anbietern und Shops feilen Dienstleister wie Arvato Systems und KNV an ihren Komplettlösungen für die Auskopplung von elektronischen Büchern in verschiedenen Formaten.
- Auf dem sich formierenden Markt der Dienstleister sucht Libreka noch nach der eigenen Rolle – der E-Book-Shop sorgt im Zwischenbuchhandel für Verärgerung. Um den Branchenkonsens nicht noch weiter zu strapazieren, muss Libreka seine Technologie dem Zwischenbuchhandel zur Verfügung stellen.
- Im Gefolge der USA-erfahrenen Konzerne Random House und Holtzbrinck stellen sich immer mehr Verlage auf die digitale Herausforderung ein.
Verlage befürchten, ausgebootet zu werden
Allerdings nicht immer ganz freiwillig: Da immer mehr Autoren mit ihren Agenten auf eigene Faust den E-Vertrieb ansteuern und dabei lukrative Verträge mit Onlinern abschließen – es locken Umsatzbeteiligungen von bis zu 80% –, fürchten die Verlage, langfristig ausgebootet zu werden. Umso heftiger sind aktuell die Auseinandersetzungen mit Autoren und anderen Rechteinhabern mit Blick auf die digitale Backlist-Verwertung. In der Frage, ob die Autoren- oder Verlagsseite die Rechte an digitalen Ausgaben älterer Titel besitzen, hat zuletzt Random House-Chef Markus Dohle vehement die eigenen Pfründe verteidigt.
Konflikte zeichnen sich auch in der Pricing-Frage ab: Wegen dem von amazon.com eingeführten Einheitspreis für Bestseller (9,99 Dollar) und aus Angst vor Kannibalisierung haben große US-Verlage begonnen, ihre E-Titel erst Monate nach der Hardcover-Ausgabe zu veröffentlichen. Worauf die Onliner wiederum mit verschärftem Preis-Dumping gekontert haben. Eine Umfrage von Frankrfurter Buchmesse und buchreport hat 2009 gezeigt, wie unsicher die Verlage bei der Preisfestsetzung von E-Books weiterhin sind.
Perspektive des Sortiments bleibt unklar
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, sollte man meinen. Ob der jedoch der stationäre Buchhandel ist, darf bezweifelt werden. Nachdem Sony die zur Leipziger Buchmesse eingefädelte exklusive Partnerschaft beim Vertrieb des Sony Readers mit dem Buchhandel inzwischen aufgekündigt und auch mit Saturn & Co. angebändelt hat, bleibt die Perspektive der Sortimenter, sich ein Stück vom elektronischen Umsatzkuchen zu sichern, unklar.
Dass diese mit Hilfe von Libreka über ihre Webseiten E-Books verkaufen können, ist angesichts des Nischen-Status des Gros der Sortimenter-Shops keine befriedigende Aussicht. Ebenso fraglich ist der Erfolg des Verkaufs von E-Books im stationären Sortiment, den Libreka ebenfalls ermöglicht hat.
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