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Steffen Meier: Smartphone – das unterschätzte Lese-Gerät?

Steffen Meier: Smartphone – das unterschätzte Lese-Gerät?

In einer von Bitkom und AKEP (Arbeitskreis Elektronisches Publizieren im Börsenverein) gemeinsam durchgeführten repräsentativen Befragung wurde untersucht, mit welchen Endgeräten aktuell auf E-Books zugegriffen wird. Dabei gab es einige überraschende Ergebnisse – das Smartphone scheint sich dabei zum Lesegerät der Zukunft zu mausern, was wiederum die wenigsten Verlage im Fokus haben.

Bisher ging die Trennlinie hierzulande in Sachen E-Book-Lesegeräte zwischen klassischen E-Readern und Tablets. Für diese Devices wurden Inhalte erstellt, Plattformen bestückt, Marketing betrieben. International spielten zwar andere Endgeräte eine deutlich dominierendere Rolle, worauf etwa die Marktforscher von Nielsen Bookscan schon 2011 hinwiesen – aber welcher deutsche Verlag agierte schon beim Thema E-Books international?

Nun gibt es aber erste Anzeichen dafür, dass dieser Trend sich auch langsam in Deutschland durchsetzen könnte. So wurde in der Untersuchung nach der täglichen Nutzung gefragt (sozusagen die E-Book-Heavy-User): Hier kamen über alle Altersgruppen die Tablet-Nutzer auf 9,5%, die E-Reader-Leser auf 11,3% – und die Smartphone-Nutzer auf immerhin 12,5%. Besonders signifikant waren die Nutzungsunterschiede entlang der Altersgruppen und der Geschlechter. So griff beim digitalen Lesen vor allem die Altersgruppe der 14-29-Jährigen mit 21,3% täglich zum Smartphone, während die anderen Altersgruppen signifikant weniger dazu neigten. Eine andere interessante Zahl: Mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer nutzten das Smartphone zum Lesen.

Ein weiterer Nutzungs-„Gap“ zeigt sich bei einem Feature, über das in der Branche schon länger diskutiert wird – der Synchronisierung der Inhalte über mehrere Endgeräte hinweg. Während die Nutzergruppen über 29 Jahren eher verhalten interessiert ist, nutzen dies die 14-29-Jährigen immerhin zu fast 25% – diesmal ohne Unterschied zwischen den Geschlechtern.

Es scheint sich also bei der jungen E-Book-Generation eine neue, nicht auf ein Endgerät fixierte Lese-Ökonomie herauszubilden, die aus mehreren Endgeräten mit einem wachsenden Schwerpunkt „Smartphone“ besteht.

Zum einen spielt dabei sicherlich eine Rolle, dass Smartphones sowieso, getrieben durch soziale Netzwerke, das zentrale Kommunikationsgerät für viele jüngere Nutzer sind (Telefonie wird immer mehr zum zusätzlichen Asset, nicht zum Kern-Feature). Andererseits erreichen Smartphones zunehmend respektable, fast schon an Tablets heranreichende Display-Größen.

Im Übrigen ist dies auch ein Trend, der sich mehr und mehr in digitalen „emerging markets“ wie Südamerika, Afrika oder Asien zeigt. Verkürzt: Das Smartphone ist sowieso im Haushalt vorhanden, warum dann nicht auch zum Lesen von E-Books nutzen?

Was aber heißt das für Verlage?

Wenn sich der Trend weiter fortsetzt, wovon man wohl ausgehen muss, werden sich E-Book-Plattformen durchsetzen, die auf Smartphones nutzerfreundlich funktionieren – im Idealfall Plattformen, die auch über (angedockte) Hardware mehrere Endgeräte abbilden. Konkret muss man sich als Verlag auch die Frage stellen, so man in den Bereich Direktvertrieb investiert, ob man selbst die richtigen Endgeräte im Fokus hat. Sind die eigenen Shops und Landeseiten mobil optimiert?

Idealerweise orientiert sich dann auch die Aufbereitung der digitalen Literatur an Smartphone-Display-Größen. Fließtext wie in der Belletristik gebräuchlich ist sozusagen von Haus aus optimiert – wie aber sieht es mit Fachinhalten, Ratgeber-Literatur aus? Andererseits können diese vielleicht in nicht allzuferner Zukunft Hardware-Eigenheiten wie Online-Verfügbarkeit (auf gut Deutsch: Internet) oder Lokalisierungsmöglichkeiten und Kartenanbindungen als zusätzliche Features einbinden? Die alte, immer noch nicht zufriedenstellend beantwortete Frage vieler Verlage, ob App oder E-Book, sei hier einmal ausgeklammert.

Falls sich übrigens beim Lesen dieses Beitrags der eine oder andere in die Jahre gekommene Rezipient über die Jugend wundert, die sich Inhalte aller Art „augenfressend“ ohne Jammern auf kleinen Displays zu Gemüte führt – der oder die möge sich doch bitte an den eigenen Schulalltag erinnern, den Deutsch-Unterricht und die dort eingesetzten berühmten gelben kleinen Büchlein, durch die man sich damals auch ohne Klagen hindurchlas. Und wenn es zu Klagen kam, dann eher ob des Inhalts – weniger wegen der „Display“-Größe der Bände aus dem schwäbischen Ditzingen.

Steffen Meier ist Sprecher im Arbeitskreis Elektronisches Publizieren im Börsenverein und ab April Leiter Produktinnovation und -marketing beim Dortmunder E-Book-Spezialisten Readbox.

Kommentare

1 Kommentar zu "Steffen Meier: Smartphone – das unterschätzte Lese-Gerät?"

  1. Diese Erkenntnisse decken sich mit meinen Erfahrungen. Die kleinen E-Books im Format von ca. 100-150 Normseiten werden vorwiegend auf Smartphones gelesen.

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