Stellen Sie sich vor, viele Menschen reden über Ihre Produkte, Ihre Themen – und Sie sind nicht dabei. Stellen Sie sich vor, Ihre potentiellen Kunden und Leser organisieren sich über Social Media, formulieren Produkt-Ideen, machen andere Nutzer zu Meinungsführern – während Sie sich selbst versichern, dass Ihr Verlag doch eine starke Marke, ein klares Profil habe und sich Ihre Produkte eigentlich von selbst verkaufen müssten. Stellen Sie sich vor, dass Themenspezialisten, Blogger eine steigende Reichweite im Web haben, während die Zugriffe auf Ihre Webseiten rückläufig sind. Und stellen Sie sich vor, dass Ihre Kernzielgruppe den Dialog mit Ihnen sucht – und Sie hören nicht zu.
Social Media hat alle üblichen Phasen des Hypes und der Ernüchterung hinter sich. Aber Social Media verschwindet nicht, denn die dahinterliegenden Veränderungen sind zu tiefgreifend und werden von vielen Treibern weiter verstärkt. Kunden suchen heute Kommunikation, keine unterbrechende platte Werbebotschaft. Nutzer suchen im Chaos der überwältigenden Menge an digitalen Informationen Orientierung und Austausch. Marketing und Kommunikation wandelt sich von der streuverlusthohen „1 Sender – viele Empfänger“-Regel, also rein quantitativen Maßnahmen, hin zu qualitativen Maßnahmen.
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Am 29. Januar 2014 bietet buchreport ein Webinar an, das sich auf einem einführenden Niveau dem Thema Social Media in der Verlagspraxis widmet. Hier weitere Infos.
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Neben diesen hier nur angerissenen Veränderungen, die durchaus als digitale Revolution bezeichnet werden dürfen, machen gleichzeitig auch viele Verlage eine Wandlung durch. Verlage orientieren sich vom Produkt-Produzenten hin zum Service-Anbieter und positionieren sich über ein mit der Verlagsmarke gekoppeltes Themen-Portfolio. Das bedeutet, dass ein Buchverlag eben nicht mehr die Produktion von gedruckten Buchtiteln im Fokus hat, sondern für ein Thema steht. Und zwar mit Kompetenz über alle Medien- und Kommunikationskanäle.
Wenn Verlage Kundenkommunikation in den Mittelpunkt stellen, die Optimierung bestehender Produktformen oder auch „nur“ das Mitteilen der eigenen fachlichen Kompetenz – dann braucht es einen Kommunikationskanal, und zwar in beide Richtungen. Social Media sind solche Kanäle, in denen ein Austausch auf Augenhöhe passieren kann. In denen ein Verlag auch neben Autoren (die oft eine stärkere Marke als Verlage haben), Mitbewerbern und teilweise der Industrie, die selbst als Content-Produzent vermehrt auftritt, bestehen kann.
Neben der Ausrichtung weg vom Produkt verändert sich auch der Distributionsweg von Verlagsprodukten. E-Commerce hat keinen Buchhändler, der beratend zur Verfügung steht. E-Commerce hat Produktdaten, einen Preis, eine Verfügbarkeit und behilft sich bei der Beratungskompetenz mit Nutzer-Rezensionen. Das war es dann auch schon. Kein Wunder, dass sich Nutzer aus dem Kreis Ihres eigenen Netzwerks bei Kaufüberlegungen Rat holen. Die gute alte Mund-zu-Mund-Empfehlung wird im Digitalen mit einem erweiterten Kreis an Freunden und Mit-Interessierten zum entscheidenden Kauf-Impuls. Oder steht als Blog-Beitrag jedem Suchenden mit einem Klick zur Verfügung.
Inmitten all dieser Veränderungen kann man als Verlag natürlich eine unwillig-defensive Haltung einnehmen. Da draußen werden Märkte zu Gesprächen. Dann reden wir eben mit, bevor uns gar niemand mehr zuhört. Zum Jagen getragen zu werden, ist aber sicher keine nachhaltige Strategie. Denn Social Media kann auch offensiv genutzt werden – zur Ideen-Generierung, zum Produkte-Test, zur Autoren-Akquise oder Inhalte-Generierung. Oder Verlage machen Meinungsführer zu Markenbotschaftern. Der Möglichkeiten sind viele.
Mittelfristig gewinnen werden hier Verlage, die mit Kompetenz und Offenheit und einer gewissen Flexibilität der Strategie (und auch Mut) genau den richtigen Ton erwischen, um in Kontakt und Dialog mit ihrer Zielgruppe zu treten. Und als kleines Trostpflaster: Größe ist zumindest hier nicht entscheidend. Verlage brauchen keine mann/frau-starken Social Media-Abteilungen. Qualitative Ansprache entscheidet. Authentizität und Pfiffigkeit geht vor platten Werbe-Aussagen. Inhaltliche Kompetenz geht vor lauen Werbe-Versprechungen, um ernst genommen zu werden.
Kompetenz, Authentizität und Kommunikationsstärke in unseren Zielgruppen – eigentlich alles Eigenschaften, die Verlage gerne für sich reklamieren. Dann sollten wir uns auch nicht scheuen, diese Stärken auszuspielen. Auch in Social Media.
Steffen Meier ist Online-Chef im Eugen Ulmer Verlag und Sprecher im Arbeitskreis Elektronisches Publizieren im Börsenverein. im buchreport-Webinar zum Thema „Social Media in Verlagen“ wird Meier die Einführung ins Thema geben.
@Amelie von Tharach. „… „Social Media hat viele reich gemacht … und den meisten viel Geld gekostet .. und ich befürchte, dass niemand so recht weiß, was Social Media soll und kann“ – Mir ist im Lauf der Social Media Debatte am Rande nie Folgendes ganz aus dem Sinn gegangen. Irgendwo wurde die Diskussion, nicht immer aber hin und wieder schon öfter, in einem „Jargon der Eigentlichkeit“ geführt. Dieser Jargon lässt unter dem Deckmantel von eigener, oft nur schwer durchschaubarer Begrifflichkeit für auch noch unverständliche Bereiche, dennoch mit Anmut und Würde der Sprache vorgetragen, immer auch eine „falsche“ Sinngebung zu. Dem Jargon kommt es auf den Tonfall des Gesagten, nicht so sehr seinen Sinn des Inhalts, der oft nur behautet wird, an. Sprache als Werkzeug zur Camouflage: „Demnach wäre der Charakter des Jargons überaus formal: er sorgt dafür, daß, was er möchte, in weitem Maß ohne Rücksicht auf den Inhalt der Worte gespürt und akzeptiert wird durch ihren Vortrag.“ – Theodor W. Adorno: Jargon der Eigentlichkeit, http://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/Jargon_der_Eigentlichkeit.pdf
„Jede Branche, jeder Betrieb, jeder Beruf, jeder Beteiligte, der sich – außer mit dem Ziel reiner Selbstzufriedenheit – zur Erreichung (sozialer) Sichtbarkeit und (wirtschaftlicher) Reichweite im weltweiten Netz präsentiert, muss sein Angebot von Informationen, Gütern und Dienstleistungen durch geschickte Nutzung der passenden Kanäle und Netzwerke so kommunizieren (Agenda Setting / Framing / Branding), dass es in der Flut von Daten und der Übermacht der Anderen nicht nur nicht untergeht, sondern auch durch besondere Hervorhebung bemerkt werden kann.
Ganz unversehens hat a) das Marketing in Verlagen und in der Selfpublisher-Szene eine starke Rolle angenommen und ist b) die Funktion des (Selbst-) Verlegens in den Marketingabteilungen von Unternehmen gewichtiger geworden. Dehalb verlangt der Einsatz von Content Marketing nach neuen oder erweiterten Kompetenzen. Der (Selbst-) Verleger wie Marketingpublisher muss jetzt offen in fließenden Inhalten und Prozessen statt wie ehemals geschlossen in festgelegten Produkten und Projekten denken, urteilen, werten, arbeiten und liefern können. Er muss wie eine Gesamtausgabe von Verleger, Lektor, Redakteur oder Autor überlegen, oder zumindest vorweg wissen, wie er diese Aufgaben verteilt und wieder zusammensetzt, welche Inhalte seine Klientel, die Kunden, Käufer und Konsumenten, aus Aktualitäts-, Wissens-, Nutz- und Unterhaltungswert bei Informationen, Rat und Meinungen, bei Buntem, Boulevard und Convenience, ansprechen könnten. Und er muss vor allem mit den vielen Aufbereitungsformen und Abrufkanälen puzzeln und auch überkreuz darin praktizieren können.
Das Ganze ist zwischen Anbieter und Abnehmer so etwas wie ein elektronisches Kommunikationsmodell zur gegenseitigen Direktvermarktung digitalisierter Informationen, bereitgestellt als Selbstbeteiligungsofferte in umschichtiger Haus zu Haus Belieferung mit handsamen Verpackungsgrößen
einschließlich einfacher Wege bei Bestellung, Anlieferung, Bewertung, Widerspruch und Rücksendung. Einiges daran ist neu, sehr neu, einiges schon bekannt und einiges auch schon sehr lange bekannt. Allerdings hat Vieles im Zuge der Digitalisierung auch ganz neue Facetten bekommen und veränderte Formen angenommen.“
Aus einer noch zu vervollständigen Epub-Serie „Paradigma: Post-industrielles Publizieren“: http://epubjournal.de/journal/medien-maerkte-multiplikatoren/84-paradigma-post-industrielles-publizieren-1
Ein sehr guter Beitrag dem ich mich eigentlich nur anschließen kann.Es genügt nicht mit Gewinnspielen Fans zu sammeln, die jedoch die eigenen Beiträge nicht mit Interesse verfolgen und Interesse kann nur über den passenden Content erzeugt werden.
Bei vielen Unternehmen sehe ich, dass sie die verschiedenen Social-Media-Kanäle vor allem als Werbeplattform nutzen oder zu nutzen versuchen. Doch wer seinen mühsam gewonnen Fans nicht mehr bieten kann als Hinweise auf Neuerscheinungen wird sie nicht lange bei der Stange halten.
Infotainment ist hier der Schlüssel zum Erfolg. User Liken eine Seite, da sie eine Erwartung an sie stellen. Sie beziehen sie freiwillig in ihr Privatleben mit ein und bringen somit auch ein Stück Vertrauen zum Ausdruck. Das Vertrauen, dass sie einen Mehrwert erhalten. Welcher Mehrwert erwartet wird unterscheidet sich sicher von Nutzer zu Nutzer. Während proaktive eher den Austausch mit Unternehmen oder anderen Usern suchen, wünschen sich andere vermutlich nur ein wenig Spaß, etwas dass sie gelegentlich zum schmunzeln oder träumen bringt, gepaart mit den wichtigsten Informationen zu ihrem Interessengebiet. Doch sicher möchte niemand im Stundenrythmus plumpe Werbebotschaften serviert bekommen.
Hier gilt es Empathie zu beweisen, eine eigene Begeisterung für die jeweiligen Verlagstitel glaubhaft zu vermitteln und bei Fragen schnell und kompetent zu reagieren.
Schon der Begriff Social Media verrät was im Vordergrund stehen sollte. Soziale Aspekte. Es gilt den User ernst zu nehmen und in gewissem Rahmen einzubeziehen um eine dauerhafte Bindung herzustellen.
Crowdsourcing ist ein Begriff der immer mehr an Bedeutung gewinnt und das Konzept kann richtig eingesetzt zum Nutzen aller beteiligten Parteien beitragen.
Käufer emanzipieren sich. Sie wollen mitbestimmen und das tun sie bereits. Crowdfunding weißt Erfolge auf wie den Kinofilm IronSky oder derzeit das PC spiel StarCitizen, dass nur aus privaten Mitteln einer begeisterten Community über 36 Mio $ sammeln konnte.
Eine konsistente Kommunikation, in der man selbst zwar die Richtung vorgibt, sich jedoch auf Augenhöhe mit seinen Kunden unterhält empfinde ich als maßgeblich. Verlage müssen für etwas stehen, sie müssen wiedererkennbar und sympathisch sein um weiteres Vertrauen zu gewinnen.
Freizeit ist ein wertvolles Gut, dass man nur dem zur Verfügung stellt, der sie mit etwas erfüllt, von dem man sich angesprochen fühlt. Natürlich müssen Werbeeffekte erzielt werden, doch sollte man diese nie als einziges Ziel definieren. Imagebildung, ist Werbung und diese ist deutlich nachhaltiger als einfache Werbeanzeigen.
Warum muss ich plötzlich an den uralten Sponti-Spruch „stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin“ denken?“
Oder „wir machen Social Media, aber wen interessiert das?“ Überall sehe ich die sogenannten Kommunikationskanäle (ein schrecklicher Begriff), die nur in einer Richtung als „Angebot“ und mit der Botschaft „Kauf mich, ich bin ein Buch“ funktionieren. Was bedeuten zehntausend „Likes“? Die bedeuten nichts. Die Betteleien um „Gefällt mir“ zu markieren sind genau so unsinnig, wie gekaufte Gefälligkeits-Rezensionen von Freunden.
Zitat aus vorstehendem Beitrag: „E-Commerce hat keinen Buchhändler, der beratend zur Verfügung steht. E-Commerce hat Produktdaten, einen Preis, eine Verfügbarkeit und behilft sich bei der Beratungskompetenz mit Nutzer-Rezensionen. Das war es dann auch schon. Kein Wunder, dass sich Nutzer aus dem Kreis Ihres eigenen Netzwerks bei Kaufüberlegungen Rat holen. Die gute alte Mund-zu-Mund-Empfehlung wird im Digitalen mit einem erweiterten Kreis an Freunden und Mit-Interessierten zum entscheidenden Kauf-Impuls. Oder steht als Blog-Beitrag jedem Suchenden mit einem Klick zur Verfügung.“
Die Frage ist doch: „Wie initiiert, inspiriert und motiviert man die Teilnehmer der verschiedensten Netzwerk(chen), die vorrangig nur Spaß und Likes für ihre Postings suchen, aber noch lange nicht zu ernsthaften (also kaufauslösenden) Empfehlungsgebern oder Käufern werden?“ Die Menschen im Internet wollen Spaß, sie wollen interessante Inhalte auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten, und sie wollen Bestätigung für ihre Meinungen.
Der Verfasser des vorstehenden Beitrags hat es sehr richtig erkannt, wenn er schreibt: „Social Media hat alle üblichen Phasen des Hypes und der Ernüchterung hinter sich.“ Social Media hat viele reich gemacht, und zwar die ersten Verkünder der „neuen Sau die man durchs Dorf gejagt hat.“ Social Media hat den meisten viel Geld gekostet, und ich befürchte, dass niemand so recht weiß, was Social Media soll und kann.
Fazit: Ich brauche klare bewährte Konzepte
„Social Media hat den meisten viel Geld gekostet, und ich befürchte, dass niemand so recht weiß, was Social Media soll und kann.“ Ich könnte jetzt gemein sein und sagen: da kann doch „Social Media“ nichts dafür, wenn es falsch betrieben wird…nein, ernsthaft: Social Media darf nicht zum Selbstzweck werden, aber auch nicht deswegen (mitsamt unseren Zielgruppen) links liegen gelassen werden, weil wir unpassende Konzepte dafür haben. Andererseits ist es auch schwer, allgemeingültige Nach-Schema-F-Pläne zu entwickeln, da eben jede Zielgruppe anders tickt, andere Themen will, eine andere Ansprache.
Eigentlich tun wir ja nichts völlig Ungewohntes: schauen, wo die Zielgruppe ist, Ziele definieren (was will ich mit dieser Gruppe erreichen) und dann in Ansprache und Thema mich so verhalten, wie ich es ansonsten auch tun würde mit dem Sortimenter um die Ecke, dem Industriekunden auf der Messe oder dem Leser beim Plaudern über unser gemeinsames Thema.