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Stephan Porombka: Die nächste Buchhandlung

Stephan Porombka: Die nächste Buchhandlung

Der Buchmarkt wird im Moment radikal umgestaltet. Auch die literarische Kultur und damit die Medienkultur verändern sich. Die Buchhandlung Ocelot hat in dieser Situation die großen Zukunftsfragen ausgeblendet und etwas Neues aufgebaut, einen faszinierenden Netzraum.

Ocelot, not just another Bookstore, die Kultbuchhandlung in Berlin-Mitte, wird ein Jahr alt. Das ist der Anlass für ein paar Gedanken über Buchhandlungen, die up to date sind, weil sie sich kreativ und produktiv auf die Veränderung der Buchkultur einstellen. — Als Rede gehalten am 27. September 2013.

ocelot gross

Ich freue mich sehr, dass ich zum ersten Geburtstag von Ocelot ein paar Worte sprechen darf. Meine Freude ist besonders groß, weil Frithjof Klepp, der Gründer dieser Buchhandlung, vor ein paar Jahren mein Student gewesen ist. Wenn ich daran erinnere, dann geht es mir aber nicht um die Beziehungsfigur, die man lange Zeit damit assoziiert hat. Wir haben es hier nämlich nicht mit einem Meister-Schüler-Verhältnis zu tun, bei dem klar ist, dass der Student macht, was der Professor ihm vorschreibt. Da haben sich die Zeiten geändert. Studenten hat man heute, damit sie etwas anderes machen als man selbst.

Zum einen müssen sie sich spätestens nach ihrem Abschluss in dynamischen Märkten bewegen, die sich derart schnell verändern, dass Handbuchwissen veraltet und unbrauchbar wird, wenn man es nur kopiert und auswendig lernt.

Zum anderen tut man, wenn man von meiner Position aus die Gegenwart beobachten will, gut daran, die Studierenden als Sonden und Medien zu verstehen. Sie operieren nämlich mit ihren ganz eigenen Kompetenzen (die ja auch schon an und für sich total interessant sind) in Regionen, die man selbst gar nicht erreicht. Man kommt ja nicht überall hin. Und man kann ja auch nicht alles selbst machen. Deshalb ist es immer gut, wenn man die anderen machen lässt, wenn man sie dabei beobachtet, wenn man möglichst oft mit ihnen spricht, wenn man sich dann seine Gedanken dazu macht und auf diese Weise etwas lernt.

So hat es sich also in den letzten Jahren umgekehrt: Ich bin es nämlich, der seit langem und sehr intensiv bei Frithjof studiert.

Ich studiere bei ihm nicht nur, wenn ich in der Buchhandlung die Neuerscheinungen durchschaue und dazu Milchkaffee trinke. Ich studiere auch, wenn ich Frithjof zusehe und mit ihm über das plaudere, was hier in diesem Raum und um diesen Raum herum eigentlich gerade passiert.

Wenn ich heute zum ersten Geburtstag von Ocelot sprechen darf, dann freut mich das also deshalb so sehr, weil ich nun meinerseits von dem, was ich gelernt habe, ein paar Gedanken zurückgeben kann, die ich mir durch mein Ocelot-Studium gemacht habe und die ich mir so ganz sicher nicht gemacht hätte, wenn es Frithjof und sein Ocelot-Projekt gar nicht gegeben hätte.

Ich starte dafür mit einem großen Bogen und zoome mich dann immer weiter in diesen Buchladen hier zu uns auf diese Geburtstagsfeier.

2.

Was wir im Moment erleben, ist eine radikale Umgestaltung des Buchmarktes. Es gibt auf diesem Markt wohl keinen ernstzunehmenden Akteur mehr, der das nicht bestätigen würde. Dabei gehen mittlerweile alle davon aus, dass diese Umgestaltung gerade erst begonnen hat. Wir wissen auch: Sie geht einher mit einer Umgestaltung der literarischen Kultur und damit natürlich der Medienkultur überhaupt.

Vor einigen Monaten hat der damalige Chefredakteur des Online-Auftritts der ZEIT Wolfgang Blau in einer großartigen Rede über die derzeitige Transformation der Zeitungsbranche darauf hingewiesen, dass man sich die Tragweite der heutigen Veränderungen etwas angemessener vorstellen kann, wenn man sich ins 16. Jahrhundert zurückversetzt. Er zitiert die Kritiker der heraufziehenden Buchkultur und zählt die geradezu apokalyptischen Szenarien auf, die damals entworfen worden sind:

Die Gesellschaft wird eine gottlose sein. Sie wird in ihre Individuen zerfallen, die das Diesseits dem Jenseits vorziehen, weil sie Gottesfurcht durch neue Formen der Lebenslust ersetzen. Das wiederum wird alle und alles emotional aufheizen. Die Bücher werden die Phantasietätigkeit anstacheln und in den Herzen und Köpfen Feuer legen.

Dann kommt Wolfgang Blaus erste Pointe. Diese Kritiker der heraufziehenden Buchkultur, sagt er, hatten mit ihren Befürchtungen Recht.

Zweite Pointe: Es ist dann schließlich alles noch viel schlimmer gekommen, als die Kritiker es damals befürchtet haben.

Dritte Pointe: Wir merken das heute nur nicht mehr so stark, weil wir in jene Kultur hineingeboren sind, die damals durch den Medienwechsel entstanden ist.

Und damit lautet dann Wolfgang Blaus vierte Pointe: Man sollte sich heute dringend darauf einstellen, dass alles in nächster Zukunft schon ganz anders wird – und zwar nochmal ganz anders, als wir uns das aus der Perspektive des letzten Medienwechsels überhaupt vorstellen können.

Das klingt apokalyptisch, ist aber von Wolfgang Blau gar nicht so gemeint. Gedacht ist es viel mehr als Ermunterung für die Kollegen seiner Branche, bestimmte Blockaden zu lösen und produktiver mit dem Blick auf das Nächste umzugehen.

Damit hält er sich an eine Diagnose, die der Soziologe Dirk Baecker gegeben hat. Vor ein paar Jahren hat er in seinen “Studien zur nächsten Gesellschaft” darauf hingewiesen, dass der epochale Wechsel, mit dem wir es im Moment zu tun haben, vor allem einen Wechsel für unsere Zeitorientierung bedeutet.

Die Gesellschaft orientiert sich aufgrund der immer höheren Geschwindigkeiten, mit denen sie sich selbst beobachtet und auf ihre Beobachtungen reagiert, immer weniger an der Vergangenheit. Sie orientiert sich auch immer weniger an der Gegenwart. Sie hält sich zunehmend an das, was als Nächstes passiert. Sie wird wohl oder übel zu einer Experimentalkultur, in der man versucht, nächste Schritte in einem Gelände zu setzen, von dem man nicht weiß, wie es beschaffen ist, und in dem man nicht weiß, was man auslöst, wenn man das tut, was man tut.

Auch das endet nicht in der Apokalypse. Dirk Baecker ist kein Prophet des Untergangs. Er mahnt stattdessen eine neue Form der Selbst- und Weltbeobachtung an, die das Nächste produktiv denken kann.

3.

Diese Grundannahmen nötigen nicht nur die Zeitungs-, sondern auch die Buchbranche dazu, sich zu überlegen, wie man mit den anstehenden Veränderungen umgehen will. Genötigt ist damit natürlich auch der Buchhandel. Genötigt ist man vor allem dann, wenn man darüber nachdenkt, ob es sich überhaupt noch lohnt, eine Buchhandlung aufzumachen.

Der erste Reflex ist, angesichts der neuen Geschwindigkeiten die Hände in den Schoß zu legen und gar nichts zu tun. Denn was immer man auch macht, es trägt sein eigenes Verfallsdatum schon mit sich. Und das liegt in der Regel in nicht allzu weiter Ferne. Mit anderen Worten: Man macht also keine Buchhandlung auf, weil das Produkt, das man dort verkaufen könnte, sowieso schon obsolet ist.

Der zweite Reflex ist dieser: Weil die Geschwindigkeiten so hoch sind und alles mit sich reißen, versucht man, noch etwas schneller zu sein und sich selbst in Richtung Zukunft zu überholen. Man will schon da sein, wenn die Zukunft ankommt. Deshalb hält man sich an das Neueste vom Neuesten. Von dem glaubt man, dass sich darin die Zukunft des Buches, die Zukunft des Schreibens, die Zukunft des Lesens versteckt. Man setzt also mindestens auf eBook. Auf jeden Fall setzt man aufs Digitale und auf allerneueste Geräte, Konsolen, Apps, Uhren, auf Daten-Brillen vielleicht. Und man hofft darauf, dass sich der Markt in diese Richtung bewegt.

Dann gibt es als Drittes den Gegenreflex dazu. Der geht so: Man baut den Buchladen in eine feste Burg um. Von dieser Burg aus wird die Buchkultur so lange wie möglich gegen die Heiden verteidigt. Außen mag die Hochgeschwindigkeit wüten, drinnen steht man auf der Bremse. Alles soll sein und bleiben wie früher. Im Mittelpunkt steht das gute Buch. Es gilt als letzt- und einziggültiges Orientierungsmedium für die moralische, ästhetische und politische Erziehung des Menschengeschlechts. Der gute Buchhändler gilt als Apostel, der den Menschen die heilige Schrift näher bringt – durch eine Beratung, von der behauptet wird, dass sie niemand so gut leisten kann wie der Buchhändler, schon gar nicht der Dämon Big Data, der außerhalb der Buchhandlung den ganzen Markt neu strukturiert und dabei auch das Prinzip Beratung völlig neu definiert.

4.

Mit diesen drei Reflexen stellt man sich nun aber nicht auf die Herausforderungen einer Kultur ein, die sich nicht mehr an der Vergangenheit orientiert, die sich von der Gegenwart ablöst und auf das Nächste fixiert. Stattdessen führen diese Reflexe direkt an tote Punkte.

Reflex eins (Ich mache gar nichts, weil sowieso alles ziemlich schnell überholt wird) führt direkt in einen Fatalismus, mit dem man dazu verdammt ist, allem nur noch argwöhnisch zuzugucken, ohne überhaupt noch etwas zu unternehmen, das Spaß machen und dem Leben Sinn geben könnte.

Reflex zwei (Ich überhole mich selbst, um schneller in der Zukunft zu sein, als alle anderen) zwingt dazu, sich von der Gegenwart zu verabschieden und aus lauter möglichen Zukünften eine einzige Zukunft auszuwählen und Wetten darauf abzuschließen, dass diese eine Zukunft dann auch wirklich kommt. Angesichts der Tatsache, dass wir es nicht mit einem linearen Fortschritt zu tun haben, ist eine solche Wette natürlich der reine Irrsinn.

Reflex drei (Wir bauen eine Burg und versuchen innerhalb der Mauern die Zeit aufzuhalten), ist nur eine andere Form, sich von der Gegenwart zu verabschieden und sich auf direktem Wege der Depression auszuliefern. Denn klar ist: Von dieser Position aus kann alles nur schlimmer und schlimmer werden. Man selbst versteht die Welt nicht mehr, versteht sie zunehmend immer weniger, nabelt sich ab und verinselt. Wobei gilt, dass die Insel, auf der man sich bewegt und die man partout nicht verlassen will, immer kleiner und immer instabiler wird. Das macht die Depression dann nicht schöner.

Wir lernen aus diesen falschen Reflexen, dass wir die Geschwindigkeit nicht wirklich rausnehmen dürfen. Denn wir können die Dynamik der Kultur nicht bremsen. Wer es versucht, der riskiert, den Kontakt zur Gegenwart zu verlieren.

Wir spüren aber auch an uns selbst, dass wir die Geschwindigkeit nicht zu sehr erhöhen dürfen. Wer zu schnell ist, brennt aus und kommt sicher nicht dort an, wo die Zukunft hinläuft.

Wir lernen, dass wir uns stattdessen Möglichkeiten eröffnen müssen, die Sachen in einer Bewegung zu halten, die wir als ein Spiel beobachten und verstehen, an dem wir teilnehmen können.

Das heißt: Die Kultur, die sich von der Fixierung auf die Vergangenheit löst und auch die Orientierung an der Gegenwart überwindet, um sich auf das Nächste zu konzentrieren, ist interessiert an spielerischen Experimenten, mit denen fortlaufend nächste Zustände hergestellt und beobachtet werden können.

5.

Schaut man nun genau hin, dann sieht man: Frithjof Klepp hat mit seinem Ocelot-Projekt genau das gemacht.

Zuallererst muss man feststellen: Er hat sich nicht lähmen lassen. Frithjof hat in einem Moment, in dem alle über die Bedrohung der Buchkultur, über die Krise des Buchhandels und über die Schwierigkeit, überhaupt noch einen größeren unabhängigen Buchladen zu führen, die großen Zukunftsfragen einfach ausgeblendet. Er hat sich stattdessen darauf konzentriert, etwas in Gang zu setzen. Auf den Weg gebracht hat er ein Projekt, von dem man gar nicht wusste, ob es überhaupt laufen kann.

Und wir sind begeistert, dass es läuft. Wir haben vor einem Jahr auf Ocelot geschaut und alle großen Feuilletons haben seit einem Jahr immer wieder über Ocelot geschrieben, weil hier ein Experiment gestartet wurde, das nicht darauf angelegt ist, eine letzte Antwort auf die Transformation der Buchkultur zu finden. Ocelot interessiert und fasziniert, weil es für die Lust an einem durchaus waghalsigen Experiment mit offenem Ausgang steht.

Ocelot hat für uns diese Lust entdeckt. Denn Ocelot hat uns davon entlastet, dass wir uns in Debatten darüber verheddern, ob es mit dem Buch zu Ende geht oder nicht. Ob es bei aller Piraterie irgendwann noch gute Literatur geben wird. Ob Amazon gewinnt oder nicht. Ob es irgendwann keine Buchläden mehr geben wird. Die Antwort lautet: Es gibt Ocelot! Und weil es Ocelot gibt, enden hier an den Eingangstüren die alten Debatten und etwas Nächstes beginnt.

Das Experiment fasziniert uns aber auch, weil es auf exemplarische Weise versucht, das Gedruckte und das Digitale zu verklammern. Es gehörte von Beginn an zum Ocelot-Programm, nicht nur auf das Buch zu setzen. Zum Programm gehörte auch, sich Gedanken darüber zu machen, wie ein Buchladen mit dem Netz verkoppelt werden kann.

Ocelot hat dafür einen Raum besetzt, indem mit den Büchern geradezu szenographisch gearbeitet wird. Geschaffen wurde hier ein Bühnenbild, in das mit klaren Linien Fenster hineingeschnitten sind. In Szene gesetzt wird auf diese Weise der Rückzug des Buches. Hier gibt es nicht die Überfülle der alten Buchhandlungen. Die Regale sind Cluster innerhalb größerer Flächen. Es sind Knotenpunkte in einem Netz, durch das man sich bewegt, wenn man durch den Laden geht.

Zugleich baut Ocelot seine Präsenz im Netz aus. Zuletzt mit dem Online-Shop, der die Möglichkeit bietet, sich die Bücher mindestens genauso schnell liefern zu lassen, wie große Online-Händler das können. Der Netzgedanke ist aber noch auf ganz andere Weise präsent. Er hat etwas zu tun mit der Idee, mit dem Buchladen eine Community aufzubauen. Gemeint ist damit ein Netzwerk von Leuten, die sich auch über ihre Zugehörigkeit zu Ocelot definieren.

Frithjof Klepp hat es von Beginn an darauf angelegt, junge deutsche Autorinnen und Autoren aus Schreibschulen einzuladen, an seinem Projekt mit Lesungen, Seminaren, Musikveranstaltungen, aber auch mit eigenen Blogs teilhaben zu lassen. Wer die Texte dieser Autorinnen und Autoren online liest, darf nicht erwarten, hier jene Literatur zu bekommen, die so auch gedruckt erscheint. Soziale Medien funktionieren anders. Über Blogs, Facebook und Twitter werden Texte in Umlauf gebracht, damit sie Impulse für etwas Nächstes geben. Wer selbst in den sozialen Medien liest und schreibt, der weiß: Die Texte sind als einzelne nicht so wichtig. Wichtig ist die produktive Atmosphäre, die sie erzeugen.

Das ist der Netzgedanke, der im Ocelot-Projekt am intensivsten umgesetzt ist. Es geht nicht um das Internet an sich. Es geht um die Erzeugung einer Atmosphäre, durch die man sich bewegt. Und zwar dann, wenn man im Laden ist. Aber auch dann, wenn man nicht hier ist und stattdessen über das Netz der Community mit dem Laden verbunden bleibt.

Vielleicht trifft es das am Genauesten: Frithjof Klepp hat mit dem Ocelot-Projekt zu einem Zeitpunkt, an dem niemand mehr an die Kraft der Buchhandlungen geglaubt hat, eine Atmosphäre geschaffen, die ihren Energiekern hier in diesen Räumen hat und doch weit über diese Räume hinausreicht.

Frithjof Klepp hat mit dem Ocelot-Projekt einen Netzraum geschaffen, durch den wir uns bewegen und in dem wir Bücher wählen können, sie kombinieren können, sie dort hinten auf den Kissen liegend lesen können, sie hier vorne mit Kaffee zu uns nehmen können – und sie natürlich kaufen und mitnehmen können.

Dabei bekommt man mehr als ein Buch. Erworben wird der Anschluss an ein Netzwerk, dass die Atmosphäre in unseren Taschen bis an die Orte trägt, wo wir die Bücher aufschlagen und weiterlesen. Wo immer wir dann auch sind: Wir lesen Ocelot. Wir sind dann alle ein bisschen Ocelot. Mit Büchern, die wir hier kaufen, haben wir Teil an diesem Projekt. Wir erwerben ein Lebensgefühl, eine Einstellung, eine Haltung, die etwas mit Unabhängigkeit zu tun hat. Etwas mit Waghalsigkeit. Etwas mit Lust am Experiment. Und etwas mit Lust an der Veränderung.

Das sogenannte „gute Buch“ zählt in diesem Zusammenhang nur so viel, wie es an dieser Bewegung teilhat. Diese Bewegung ist darauf ausgerichtet, nächste Zustände herzustellen. Nur deshalb wird sie in Gang gesetzt. Und weil das ohne die großen Thesen und ohne die großen Verspannungen passiert, erfüllt es, was der Soziologe Dirk Baecker einer Gesellschaft verschreibt, die sich von der Vergangenheitsfixierung ablöst, die ihre Orientierung auf die Gegenwart auflöst und sich immer mehr für das interessiert, was als Nächstes passiert.

6.

Ich habe über all das viel von Frithjof Klepp gelernt, weil ich im letzten Jahr hier bei ihm besonders intensiv studiert habe. Was ich dabei vor allem lernen konnte: Dass man unter den gegebenen Bedingungen solche Projekte wie Ocelot einfach macht. Weil das Machen großartig ist. Weil es um die Bewegung des Machens geht.

Es steckt dahinter eine doppelte Einsicht, die den produktiven Umgang mit dem Nächsten in den Bereich der Lebenskunst bringt. Denn zum einen bedeutet es: Wer sich auf das Nächste einlässt, der lässt sich mit einem „Ja“ auf eine Bewegung ein, die alles das, was jetzt noch ist, verändern wird. Mehr noch: Man verändert sich selbst.

Dieses „Ja“ geht einher mit einer Entspannung gegenüber dem eigenen Projekt. Denn man weiß, dass dieses Projekt nicht dazu da ist, einen gültigen Schlussstein zu setzen. Es geht weiter. Alles wird anders. Und man selbst ist dabei. Und man zieht aus diesem Dabeisein sein Glück.

Damit bekommt, wer sich auf das Nächste einlässt, übrigens auch eine Einsicht ins eigene Verschwinden. Dass man nicht ewig bleibt, hat plötzlich etwas Tröstliches. Das ist das Zweite, was die Ausrichtung auf das Nächste mit einer neuen Lebenskunst verbindet: Wer die Idee hat, innerhalb von netzwerkartigen Zusammenhängen Impulse für etwas Nächstes zu geben, der besteht nicht darauf, selbst dieses Nächste zu sein. Man steht nicht am Ende. Man ist nur dabei. Jetzt. Und man zieht aus diesem Dabeisein sein Glück.

Das ist vielleicht ein bisschen zu viel des Guten. Vielleicht sollte man ja an seinem ersten Geburtstag nicht so laut über die Einsicht in die eigene Vergänglichkeit sprechen. Aber ich wollte es heute trotzdem mal sagen, um klar zu machen: Dass Ocelot eben wirklich nicht nur ein weiterer Buchladen ist. Für mich ist es ein Ort, an dem ich auch etwas über den entspannten und zugleich produktiven Umgang mit der Einsicht ins Verschwinden gelernt habe.

Ich habe bei Dir und mit Dir also sehr viel gelernt, lieber Frithjof. Dafür danke ich Dir. Ich glaube, dafür danken wir Dir alle hier. Wir sind alle dabei. Jetzt. Und wir ziehen daraus unser Glück.

Stephan Porombka ist Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der Universität der Künste in Berlin. Seine Homepage findet man hier: www.stephanporombka.de. Er twittert unter @stporombka

Foto: Daniel Lenz

Kommentare

1 Kommentar zu "Stephan Porombka: Die nächste Buchhandlung"

  1. Caroline Schultz | 2. Oktober 2013 um 9:03 | Antworten

    Vielen Dank für diesen genial Interssanten Blog Artikel. Ich freue mich schon auf den Vortrag von Frithjof Klepp auf der Frankfurter Buchmesse. Beste Grüße

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