Seit George Jones (Foto) vor zwei Jahren die Verantwortung für die Borders Group übernommen hat, sind die Bilanzpressekonferenzen des zweitgrößten amerikanischen Buchhändlers für Überraschungen gut. Im vergangenen Jahr kündigte der CEO aus heiterem Himmel den Ausstieg aus dem internationalen Buchgeschäft an, diesmal packte er noch eins drauf und schloss einen Verkauf des Unternehmens als Ganzes bzw. einen (nicht näher spezifizierten) Teilverkauf nicht aus.
Shareholder-Value heißt das Stichwort, das Jones und Finanzchef Ed Wilhelm umtreibt. Die Aktionäre wollen Geld sehen, und zwar möglichst viel. Doch genau da liegt das Problem, denn Borders geht es nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut: Im vergangenen Jahr wurde der Umsatz zwar um 2,6% auf 3,82 Mrd Dollar verbessert, doch unter dem Strich wird Rot geschrieben. Der Verlust wuchs um 4% auf 157,4 Mio Dollar.
Aktienkurs von Borders auf Berg- und Talfahrt
Seit Monaten dümpelt die Aktie lustlos vor sich hin. Dass Jones für das vierte Quartal 2007 die Dividende ausgesetzt hat, brachte das Fass zum Überlaufen: Der Aktienkurs fiel um 29% auf ein Rekordtief von 5,07 Dollar; noch vor zwölf Monaten war er dreimal so hoch. Die Talfahrt wurde erst am Montag gestoppt: Nach Spekulationen über ein mögliches Interesse von Barnes & Noble an seinem Erzkonkurrenten zog der Kurs um 43% auf 7,25 Dollar an.
Barnes & Noble selbst hält sich alle Optionen offen. Chief Operating Officer Mitchell Klipper antwortete bei der Vorlage des Geschäftsberichts 2007 auf entsprechende Fragen, er sei zwar von Borders’ Bankern (noch) nicht angesprochen worden, würde aber eine Übernahme sorgfältig prüfen. Ähnlich äußerte sich Chairman Leonard Riggio gegenüber dem Wall Street Journal. Der Marktführer hat 2007 bei einem Umsatzplus von 2,8% auf 5,41 Mrd Dollar einen operativen Gewinn von 135,8 Mio Dollar erzielt, 9,8% weniger als ein Jahr zuvor.
Während die US-Buchbranche einen Einstieg des Branchenprimus beim Kronprinzen nicht zuletzt aus wettbewerbsrechtlichen Gründen für eher unwahrscheinlich hält, wird kritisch über einen umstrittenen „Rettungsanker“ diskutiert, den Pershing Square Capital Management LP geworfen hat. Die Private-Equity-Firma, die mit 26% der größte Aktionär von Borders ist, hat eine kurzfristige Finanzspritze von 42,5 Mio Dollar zur Verfügung gestellt.
Pershing präsentiert sich als Retter in der Not
Das Darlehen gibt Jones und Wilhelm zwar den nötigen Handlungsspielraum, um mit den Finanzexperten von Merrill Lynch & Co. und J.P. Morgan Securities Inc. strategische Alternativen über den Verkauf hinaus zu prüfen, doch ist es mit 12,5% Zinsen für zehn Monate nicht billig. Dass Pershing außerdem für den Fall, dass sich kurzfristig kein Käufer findet, für 125 Mio Dollar Borders Australia übernehmen will, nährt Spekulationen, dass Pershing-Chef William Ackman selbst ein begehrliches Auge auf den Großbuchhändler geworfen hat.
Derweil die Gerüchteküche hochkocht, spielt Jones einen möglichen Verkauf als „letzte Alternative“ herunter. „Ich gehe davon aus, dass das Strategiepapier vom vergangenen Jahr Borders in die richtige Richtung führt, möglicherweise durch die Schwäche des Marktes aber nicht wie geplant bis 2009 zu realisieren ist“, sagte er vor Journalisten. Mindestens 13 Concept Stores, der neue Internetauftritt ab Mai und die Halbierung der traditionellen Mall-Buchhandlungen von Waldenbooks laufen wie geplant.
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