Der Wechsel zwischen Spannung und Entspannung gehört einfach zum Leben. Was aber, wenn aus beruflichen oder privaten Gründen die Spannung zum Dauerzustand wird und sich zur Angst, zur Existenzangst steigert? Dann stellen viele Menschen fest, dass niemand ihnen beigebracht hat, unter dem Hochdruck des Lebens bewusst innere Freiheit zu finden. Yogalehrer Ulrich Hoffmann hat eine Methode auf Lager, die Yoga-Prinzipien Entspannung, Kraft und Gleichgewicht in den Alltag hineinzuholen.
Ulrich Hoffmann ist Meditations- und Yogalehrer, Autor und Journalist. Arbeitsdruck kennt er zur Genüge: Als Textchef verantwortete er bereits Hunderttausende von Druckseiten, unter anderem der Zeitschriften Gala, Living at Home und AD Architectural Digest. Aktuell ist Ulrich Hoffmann ein Autor im Glück: Mit Ralph Caspers erzählt er in „Ab in die Dertschi!“, warum es toll ist, Kinder zu haben. Und in „One, two, free“ gibt er Tipps auf die yogische Art für weniger Stress. Seine beiden Herzensthemen sind damit zeitgleich im Buchhandel. Ulrich Hoffmann lebt mit seiner Familie in Hamburg.
Die Werbung zeigt immer nur fröhliche, entspannte Menschen – in der Freizeit, aber auch bei der Arbeit. Wie entspannt sind die Deutschen wirklich, die in Deine Kurse kommen?
Wer in einen Kurs kommt oder eines meiner Bücher liest, hat immerhin schon gemerkt, dass Handlungsbedarf besteht. Das ist der erste Schritt!
Viele nehmen den Alltag als pausenlos stressig wahr, in der Firma wie zu Hause. Darauf geht die Idee des Buches zurück: Yoga-Übungen ohne Zeitverlust ins Leben zu integrieren.
Dabei geht es mir nicht nur um die körperliche Entlastung, die Dehnungen und Streckungen. Im Mittelpunkt steht ein neues Bewusstsein: Das, was wir ohnehin tun, zu nutzen, um es aufmerksam und konzentriert zu tun.
Wenn die Menschen nach der Yoga-Übung ins Reden kommen – ist es dann eher der private oder mehr der berufliche Druck, von dem sie sich lösen wollen?
Es ist der existenzielle Druck, etwas falsch zu machen. Die Hoffnung auf Perfektion als Gegengift zur Angst – vor der Kündigung, vor Missbilligung, vor dem Alleinsein. Dieser zunehmende Stress zieht sich durch alle Lebensbereiche und alle Schichten.
Du lehrst Dein Konzept „one, two, free“ – in Kursen und in einem Buch, eine Art „Yoga extra light“. Warum ist so ein Konzept überhaupt erforderlich – können die Leute kein „richtiges“ Yoga lernen?
„One, two, free“ macht Elemente des Yogas einfach und jederzeit verfügbar. Das ist kein Ersatz und keine Alternative zu einem kompletten Yogakurs.
Es tut gut, sich unter der Woche in ganz alltäglichen Situationen an Sinn und Zweck der Yogaübungen zu erinnern und sie „ins Leben“ zu holen. Yoga und Alltag schließen sich nicht aus, sie befruchten sich!
Du bist von Deiner Ausbildung her Journalist und damit Medien-Profi. Was hat Dein Interesse für Meditation, Yoga und Entspannung damit zu tun? Sind das einfach Themen, die sich gut verkaufen?
Journalist bin ich aus Neugier geworden. Aus dieser Neugier heraus habe ich vor über zehn Jahren zum ersten Mal meditiert. Ich habe dann weitergemacht, weil es mir gut tat. Über die Meditation kam ich zum Yoga. Als mir klar wurde, dass ich darüber schreiben möchte, habe ich mich zum Meditations- und Yogalehrer ausbilden lassen. Der beste Weg, etwas zu verstehen, ist, es zu erklären.
Natürlich freut sich jeder Autor auch über gute Verkaufszahlen.
Bei der Arbeit ist der Mensch selten ganz „free“, denn er unterliegt der Notwendigkeit, mit ihr seinen Unterhalt zu sichern. Gibt es in dieser äußeren Unfreiheit eine innere Freiheit, und wie weit geht diese?
Die „Freiheit“ von „One, two, free“ ist zuerst einmal die körperliche Freiheit von Anspannung. Dem Lösen der Anspannung folgt oft die Wahrnehmung der Lage. Diese Bestandsaufnahme ist notwendig, um die eigene Position bewusst einnehmen zu können.
Und welche Auswirkungen hat das auf den Privatmenschen Ulrich Hoffmann?
Natürlich bin auch ich manchmal unzufrieden mit dem Schicksal oder dem Wetter. Aber ich habe gelernt, schneller in der Situation „anzukommen“ und mir zu überlegen: Kann und will ich etwas ändern – und wenn ja, was? Oder, wenn nicht, dann eben weiter im Text.
Als Autor möchte ich immer das perfekte Buch schreiben – und weiß doch, das das nicht geht. Im Yoga ist es genau so: Man versucht, die Übung so gut wie möglich zu machen – und sich doch nicht mit sich oder Anderen zu messen. Diese beiden Zielrichtungen gleichzeitig erleben zu können, ist Übungssache.
Wünschen Vorgesetzte sich in diesem Sinn freie Mitarbeiter, oder müssen sie sie eher fürchten?
Vorgesetzte wünschen sich Mitarbeiter, die gute Arbeit leisten und selten krank sind. Dazu leistet „One, two, free“ ganz klar einen Beitrag.
Sorgt der Mitarbeiter bewusst dafür, gesund zu bleiben und sich wohlzufühlen in seiner Welt, arbeitet er auch besser. Davor fürchtet sich kein Vorgesetzter.
Ich bin sicher, Gräfe & Unzer bietet interessierten Firmen, die das Buch an alle Mitarbeiter ausgegeben möchte, gute Konditionen. 🙂
Woran liegt es wohl, dass Schulen und Universitäten alles mögliche lehren, nur nicht die Fähigkeit, sich gezielt und bewusst innerlich frei zu machen?
Vielleicht, weil die Aufgabe staatlicher Schulen bislang vor allem darin bestand, fleißige Arbeitsbienen auszubilden. Aber das wird nicht mehr lange so bleiben. Meine Frau und ich führen in den nächsten Wochen an der Schule unserer Kinder eine „Projektwoche Yoga und Meditation“ durch. Das Interesse hat uns überrascht. Viele Schüler wissen bereits, dass sie selbst Wege finden müssen, das ihnen angebotene Wissen originell und individuell nutzbar zu machen.
Aus den USA kommen die ersten Studien, die den Vorteil von regelmäßigen Meditations- und Yogastunden in Schulen belegen. Ich gehe davon aus, dass meine Enkel in der Schule ein Fach wie „innere Freiheit“ oder „Lebensführung“ haben werden.
Ulrich Hoffmann One, two, free. Gräfe & Unzer Verlag. Februar 2016. 144 farbige Seiten, EUR 14,99
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Porträtfoto (c)ulrichhoffmann.de
Illustrationen(c)Gräfe & Unzer Verlag
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