Mit der aktuellen Bekanntgabe der Gewinner des Deutschen Verlagspreises wird der Ruf nach einer strukturellen Verlagsförderung wieder lauter.
Vergangene Woche haben sich 63 kleinere Buchverlage über die Zusage von Fördergeldern des Deutschen Verlagspreises gefreut. Am 22. September wird es in Berlin, wo ohnehin ein Drittel der Preisträger beheimatet ist, von Kulturstaatsministerin Claudia Roth Urkunden und je 24.000 Euro für innovative Programme und/oder außergewöhnliche Projekte geben – sowie aus Gründen der Event-Dramaturgie 3 höher dotierte Hauptpreise.
Das ist erfreulich für die ausgewählten Unternehmen, aber löst nicht die strukturellen Probleme. Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom Cleff hatte Anfang Juli die gestiegenen Herstellungs- und Energiekosten hingewiesen: „Viele Branchenunternehmen arbeiten wirtschaftlich am Limit. Gerade kleine Verlage verzeichnen große Einbußen bei weiterhin hohen Kosten. Es ist deshalb entscheidend, dass die Politik nun zügig die Förderung für Verlage, die sie im Koalitionsvertrag zugesagt hat, umsetzt.“
Der seit 2019 jährlich vergebene Deutsche Verlagspreis war von Beginn an umstritten. Einerseits ist jede Stütze willkommen, die die Reichhaltigkeit des Buchangebots jenseits des Mainstreams wirtschaftlich absichert, andererseits gehen naturgemäß viele Kleinverlage leer aus. Und auch bei den Gewinnern fehlt Planungssicherheit, selbst wenn es eine Reihe von Verlagen gibt, die mit ihrer Arbeit mehrfach mit Preisgeld bedacht wurden.
So gibt es auch in diesem Jahr frische Kritik an der Vergabepraxis und die Aufforderung zu einer strukturellen Verlagsförderung ohne Event-Brimborium. Eine entsprechende an Claudia Roth gerichtete Petition kritisiert die bisherige Vergabepraxis, „denn auch in der 5. Runde wurden viele Verlage bedacht, die den Preis bereits in den Vorjahren erhalten hatten“. Das sei kontraproduktiv: „Diversität der Verlagslandschaft wird damit nicht gefördert, denn die mehrfach Bedachten verdrängen Dank finanzieller Ausstattung die übrigen.“ Gefordert wird die Aussetzung der bisherigen Vergabepraxis zugunsten einer strukturellen Förderung, die in anderen Ländern erfolgreich angewendet werde.
Als ein Modell gilt die Verlagsförderung der Schweiz, das auf eine „Jurierung“ verzichtet und mehrjährig angelegt ist:
Im Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung ist der Prüfauftrag einer Verlagsförderung formuliert. Auf buchreport-Anfrage heißt es aus Roths Behörde BKM: „Wir prüfen mit den Ländern eine Förderung unabhängiger Verlage, um die kulturelle Vielfalt auf dem Buchmarkt zu sichern.“ Derzeit werde die Einführung einer strukturellen Verlagsförderung dementsprechend geprüft. Dies geschehe auf Grundlage der von BKM in Auftrag gegeben Studie „Aktuelle Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse im Bereich der Förderung verlegerischer Vielfalt auf dem Buchmarkt in Deutschland“ von 2021. BKM werde nach interner Auswertung der Studie mit den Ländern in die weitere Prüfung eintreten. Im Zuge der Auswertung der Studie führt BKM auch Gespräche mit der Branche.
Klingt eher nach Wiedervorlage 2024. Die Branche hatte durch den Börsenverein bereits im vergangenen Jahr ein Eckpunkte-Papier vorgelegt:
Börsenverein: Eckpunkte für eine Verlagsförderung
- Verlage aller Programmsparten müssen gefördert werden können.
- Es soll ein modulares Fördersystem geben wie in der Schweiz.
- Gedacht ist es für kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitenden und bis zu 50 Mio Euro Jahresumsatz bzw. 43 Mio Bilanzsumme.
- Man hat 4 Module im Blick: Titelbezogene Förderung, Ausbildung und Nachwuchs, Nachhaltigkeit und Klimaschutz sowie digitale Transformation.
- Der Förderzeitraum soll 5 Jahre sein, um Planungssicherheit zu schaffen.
Das angesprochene modulare Fördersystem in der Schweiz sieht in der Praxis aktuell so aus: Von 2021 bis 2024 unterstützt das Bundesamt für Kultur (BAK) 94 Verlage mit insgesamt 7,5 Mio CHF (entspricht etwa 7,5 Mio Euro). Davon sitzen 57 Verlage in der Deutschschweiz. Es gibt zwei unterschiedliche Förderinstrumente:
- Strukturförderung: 42 „größere“ Verlage erhalten Beiträge zur strukturellen (d.h. nicht an Projekte gebundenen) Förderung für die gesamte Förderperiode, die von jährlich 7500 bis 80.000 CHF reichen. Darunter sind Verlage unterschiedlicher Größenordnung, von Kampa und Rotpunktverlag über Kein & Aber und Unionsverlag bis zu größeren Playern wie Diogenes, mit einem Umsatz von 27,5 Mio Euro (2022) im buchreport-Ranking der 100 größten Buchverlage.
- Förderprämien: Außerdem werden „kleine“ Verlage mit Förderprämien unterstützt, die laut BAK „in Ergänzung zur strukturellen Förderung der größeren Verlage die Bedeutung der kleineren Verlage hervorheben“ sollen: Insgesamt sind das 52 Verlage, denen jährlich Beiträge zwischen 7500 und 10.000 CHF überwiesen werden. Das Spektrum der prämierten Verlage reicht vom Bilgerverlag über Dörlemann bis zum Verlag Die Brotsuppe.
- Das Prozedere: Eine Fachgruppe prüft die eingereichten Gesuche und gibt dem BAK Empfehlungen ab. Die geförderten Verlage schließen Dienstleistungsverträge mit dem BAK ab. Darin verpflichten sie sich, bestimmte Tätigkeiten zu entwickeln. Die Autonomie der Geschäftsführung und Programmausrichtung würde nicht beeinflusst, betont das Bundesamt.
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