Die Frage, wie stark und worin sich Bücher für Mädchen und für Jungen unterscheiden (sollten), verliert nicht an Brisanz. Innerhalb und außerhalb der Buchbranche wird immer wieder lebhaft darüber diskutiert, inwiefern Kinderbücher den bestehenden Geschlechterrollen entgegenwirken können.
„Ich glaube immer weniger an geschlechtsspezifische Lesepräferenzen“, sagte beispielsweise der Kinderbuchautor Christian Tielmann im vergangenen Jahr in einem gemeinsamen Interview mit seinem Co-Autor Frank Maria Reifenberg. „Der Glitzer auf den Mädchenbüchern und die Schwerter auf den Jungsbüchern sind nur Zeugnis des Alltagssexismus und der Erwartungsprojektionen der am Buchmarkt beteiligten Strategen.“ Reifenberg ergänzte: „Die Differenzierung zwischen Jungen und Mädchen ist im Buchhandel auf den ersten Blick erkennbar: blau-düster und rosa-glitzernd. Schauen Sie sich die Thementische besonders in den großen Buchhandlungen an. Es erfordert von allen Beteiligten eine Menge Einsatz, sich dem auch entgegenzusetzen, denn jede dieser Festlegungen – ob bei Überraschungseiern oder Büchern – schleift die Klischees und Stereotypen tiefer ein.“
Den „blau-düsteren“ und „rosa-glitzernden“ Kinderbüchern hat sich jetzt unter dem Titel „Blaue Bücher, rosa Bücher“ die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) angenommen. In einer aufwendigen Auswertung von 50.000 Bilder-, Kinder- und Jugendbüchern versuchte das „SZ“-Team, Antworten auf Fragen zu finden wie: Welche Eigenschaften werden Mädchen und Jungen in Kinderbüchern zugeordnet? Welche Themen behandeln Bücher für Jungen, welche Bücher für Mädchen? Hat sich das im Laufe der vergangenen Jahrzehnte verändert? Einige zentrale Antworten aus der Untersuchung:
- „Männliche Helden erleben unserer Analyse zufolge im Schnitt weit mehr als doppelt so viele Abenteuer wie ihre weiblichen Pendants.“
- „Die Erlebniswelt von Mädchen dagegen – auch das zeigt die Schlagwortanalyse – kreist häufiger um Themen wie Tiere, Schule und Familie und verlässt damit die bekannte Alltagswelt weniger.“
- Aber auch: „Es geht – zumal heute – auch anders. Weibliche Hauptfiguren beispielsweise holen auf, insgesamt ist das Geschlechterverhältnis rein quantitativ schon annähernd ausgeglichen. Viele Verlage gehen gerade in jüngerer Zeit mit dem Thema Gendergerechtigkeit bewusster um.“
Alle Artikel des „SZ“-Kinderbuchprojekts im Überblick:
- Hier geht es zur Website mit den Analyse-Ergebnissen und -Einordnungen.
- Das Vorgehen und die Auswertung der Daten erklärt das Team hier.
- Hier lesen Sie ein Begleitinterview mit dem Bilderbuchforscher Lars Burghardt .
- In einem Kommentar beklagt Meredith Haaf die vorherrschende „Aversion gegen das Weibliche“.
- Und hier stellt die Redaktion einige Titel als Positiv- und Negativbeispiele vor.
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