Die MVB hat mit Netto einen externen Großkunden gefunden, der in der Unternehmensbilanz die Kerzen leuchten lassen soll. Dafür liegt ein weit gediehener Folgeauftrag nach Bekanntwerden der Liaison aber erst einmal auf Eis.
Verprellter Partner der MVB ist die buchhändlerische Genossenschaft eBuch, mit rund 600 Mitgliedsfirmen mächtigste Allianz im stationären Sortiment (s. auch die exklusive Meldung im buchreport.express 48/2012, hier zu bestellen). Die Verbundgruppe hätte laut Vorstand Lorenz Borsche „gern mit Libri, Lieferant der großen Mehrheit der eBuch-Händler, eine umfassende E-Book-Lösung aufgezäumt“. Libri trete im E-Book-Geschäft allerdings mit dem neuen Shopkonzept ebook.de als Wettbewerber auf. Auch vor diesem Hintergrund wurde bis vor Kurzem mit der MVB über eine alternative E-Book-Shoplösung für alle E-Buch-Sortimenter verhandelt.
Die MVB, die bislang erst wenige Buchhandels-Kunden für die White-Label-Shops gefunden hat, köderte mit Rabatten (20%) und der Komplettabwicklung des Geschäfts. Mit „600 Buchhandlungen, 500.000 Titel, ein Shop“ war sogar schon ein Slogan gefunden. „Die Verträge waren fertig, wir wollten vor Weihnachten mit der Nachricht raus“, schildert Borsche. Jetzt wurden die Verhandlungen erst einmal abgebrochen – die Netto-Kooperation wirkte wie ein Torpedo.
eBuch attackiert Vorsteher und Hauptgeschäftsführer
Mittlerweile hat die eBuch in einem offenen Brief (hier komplett) den „Netto-Schock“ bzw. „Sündenfall der MVB“ thematisiert – die MVB habe einen Branchenfremden mit dem „derzeit besten E-Book-Angebot“ auf dem Markt beglückt. Mit den eigenen Beitragsgeldern, so die eBuch, werde die Konkurrenz aufgebaut „und gleichzeitig unser USP untergraben“.
Die Kritik im Einzelnen:
- Black Box: Die Kritik der Genossenschaft richtet sich weniger an die MVB als den Vorsteher und Hauptgeschäftsführer im Börsenverein, der kein demokratischer Verband sei – weder der Sortimenter-Ausschuss noch der Haushaltsausschuss oder Hauptgeschäftsführer der BBG hätten vom Netto-Deal gewusst.
- Risiken: Libreka sei zwar laut MVB profitabel, aber nur, wenn man die „Gemeinkosten“ nicht berücksichtige, die sich auf mittlerweile mehr als 5 Mio Euro beliefen, finanziert u.a. durch die Verlage („Libreka-Dollar“) und die Buchhändler (via VLB-Gebühren). Sollte sich das MVB-Liro-Shop-Modell („20% Provision und Null Risiko“) am Ende des Tages doch nicht rechnen, dann komme die Branche für den Verlust auf.
- „Klientelpolitik“ 1: Die MVB handele mit den E-Book-Aktivitäten im Sinne der Verlage, falle aber dem Handel in den Rücken. Tatsächlich solle die MVB Mittel bereitstellen, dass der Buchhandel handlungsfähig bleibe, „aber es nicht selbst machen“.
- „Klientelpolitik“ 2: Die Ungleichbehandlung zeige sich auch an der 3-Mio-Werbekampagne für „das Buch“. Die Verlage profitierten davon, weil es ihnen egal sein könne, wo ihr Produkt gekauft werde. Unklar sei aber, ob die Kampagne den Buchhändlern nütze. Da diese Sparte aber mindestens zwei Drittel der Mitgliedsbeiträge schultere, müsse sie maßgeblich über die Stoßrichtung der Kampagne bestimmen dürfen.
- „Klientelpolitik“ 3: Auch die millionenschwere Rettung der BAG sei vor allem in Sinne der Verlage gewesen.
Fazit der eBuch: „Wir brauchen einen starken Verband. Aber es wird Zeit, dass sich die Mitglieder eine Verbandsspitze suchen, die nicht einseitig Partikular-Interessen vertritt, wie das seit über sechs Jahren der Fall ist, sondern Funktionsträger, die mutig den Ausgleich zwischen den Interessen all ihrer Mitglieder befördern. (…) Nur ein Verband, der die Kräfte der Mitglieder bündelt, und sie nicht gegeneinander ausspielt, ist ein starker Verband.“
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