Mit der fünften Ausgabe ihrer „Gutenberg“-Studie machen Manuel Bonik und Andreas Schaale erneut auf das enorme Ausmaß von Urheberrechtsverletzungen im E-Book-Bereich aufmerksam. In „Gutenberg 3.4“ werten die IT-Dienstleister ihre eigenen Beobachtungen des illegalen Marktes aus und tragen Thesen zur Bedrohung des E-Book-Geschäfts durch Piraterie zusammen.
Am prägnantesten ist dabei ein Wert, den sie von den Downloadzahlen mehrerer Plattformen ableiten: Sie verkünden, das Verhältnis von legalen zu illegalen Downloads betrage etwa 1:10. Der legale Markt stelle demnach nur ein Nischengeschäft im Vergleich zum illegalen dar, welcher monatlich zwischen 10 und 20 Mio E-Book-Downloads verzeichne.
Eine Ursache für die dramatische Situation sei das mangelnde Angebot legaler Alternativen (u.a. im Flatrate-Bereich). Aber auch die Pirateriebekämpfung werde von den Verlagen vernachlässigt: Im Report „Gutenberg 3.4“ steht: „Maßnahmen gegen E-Book-Piraterie finden in Deutschland nicht statt.“
Als praktikablen Ausweg propagieren Bonik und Schaale indirekt ihr eigenes Geschäftsmodell, rechtswidrige E-Book-Kopien via Notice-and-Takedown aus dem Internet entfernen zu lassen.
Christine Ehlers, Sprecherin der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), widerspricht den Aussagen der Studie. Sie meldet nicht nur Zweifel an Boniks und Schaales Methodik an (es sei „äußerst fraglich, ob sich aus einer eher oberflächlichen Betrachtung von insgesamt fünf illegalen Portalen eine valide Hochrechnung ableiten lässt“), sondern kritisiert auch die Ergebnisse und Forderungen, zu denen die beiden Pirateriebekämpfer kommen. Ein Ausschnitt aus der Stellungnahme im Wortlaut:
„Es gibt zahlreiche Maßnahmen gegen die illegale Verwertung von E-Books. So hat der Börsenverein des deutschen Buchhandels in der Vergangenheit diverse Musterprozesse gegen illegale Plattformen und Betreiber von Online-Speicherdiensten (Filehoster) geführt, die zu eindeutigen rechtlichen Bewertungen solcher Angebote geführt haben. Dies wiederum ist eine wichtige Ausgangsbasis für funktionierende Gegenmaßnahmen.
Nehmen wir beispielsweise das so genannte Notice-and-Takedown-Verfahren: Während dieses im US-amerikanischen Digital Millenium Act (DMCA) gesetzlich verankert ist, unterliegt es in Deutschland als „Störerhaftung“ der richterlichen Ausgestaltung. Und erst in diesem Jahr hat der BGH doch recht weit reichende Prüfpflichten für die Betreiber solcher Online-Speicherdienste erkannt. Zuvor konnten sich diese immer auf ihr sehr weit reichendes Haftungsprivileg zurückziehen: „Wir laden die Inhalte nicht hoch, wir können auch nichts dafür.“
Das hat im Verbund mit der gewerbsmäßigen Orientierung von digitalen Hehlern faktisch zu einer Aushöhlung des Urheberrechts im Internet geführt. Denn gerade unter den einschlägigen Filehostern gibt es viele, die ihr Geschäftsmodell auf dem urheberrechtsverletzenden Verhalten ihre Kunden aufbauen und diese auch dafür belohnen.
Gleichzeitig haben Betreiber der großen und etablierten Portale längst Techniken entwickelt, die dazu führen, dass ein einmal per Takedown-Notice entfernter Link umgehend durch einen neuen ersetzt wird und der Inhalt somit dauerhaft verfügbar bleibt. „Take down“ heißt eben nicht zwangsläufig auch „stay down“.
Dann gibt es diverse Filehoster, die einfach überhaupt nicht oder erst nach Tagen oder Wochen auf eine Takedown-Notice reagieren usw. Daher sind Urteile in solchen Musterprozessen nicht nur hilfreich, sondern auch notwendig, um das Instrument des Notice-and-Takedown auch tatsächlich zu einem effektiven Instrument gegen die illegale Verwertung zu machen.
Das allein kann aber nicht reichen. Denn die Treiber der illegalen Verwertung sind die digitalen Hehler. Daher ist ein Vorgehen gegen diese absolut notwendig. Hier eignet sich nur ein strafrechtlicher Ansatz. Und das ist seit Anfang des Jahres zusätzlich im E-Book-Bereich eine Aufgabe der GVU an der wir längst arbeiten.
Insgesamt stehen wir klar auf dem Standpunkt: Nur eine sinnvolle Kombination komplementärer, sich ergänzender Ansätze kann eine Eindämmung der illegalen Verwertung erreichen. Wesentlich für den Erfolg ist eine gute Abstimmung der Einzelmaßnahmen untereinander. Dies erfordert Zusammenarbeit und eine stabile Solidargemeinschaft.“
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