Wie schon 2021 war auch 2022 das meistverkaufte Buch die Taschenbuch-Ausgabe von Delia Owens’ Longseller „Der Gesang der Flusskrebse“ (Heyne, 11,99 Euro). Der Filmstart im August 2022 hatte dabei noch einmal für einen Nachfrageschub gesorgt. Das Taschenbuch verkaufte sich zwar etwas weniger als 2021, aber auch im zweiten Jahr nach Erscheinen noch immer mehr als 700.000 Mal im deutschsprachigen Raum.
An solche Jahres-Verkaufszahlen kommen andere Taschenbuch-Bestseller 2022 nicht annähernd heran, und auch im 10-Jahres-Rückblick sind solche Jahres-Stückzahlen unerreicht.
Etwas mehr vom Kuchen
Unabhängig von dem Topseller und anders als im Vorjahr, hat das Taschenbuch in Deutschland 2022 etwas besser abgeschnitten als die höherwertigen Ausstattungsformate im populären Buchmarkt. Das zeigen die Zahlen des Media Control-Handelspanels, wobei als „populärer Buchmarkt“ hier die Warengruppen Belletristik, Sachbuch, Ratgeber sowie Kinder- und Jugendbuch betrachtet werden:
- Von Hardcovern und Paperbacks (mit Klappenbroschur) wurden in Deutschland 2022 fast 4% weniger Exemplare als 2021 verkauft.
- Der Taschenbuch-Absatz fiel dagegen um 0,7% höher aus. Auch wenn man das Phänomen der ungewöhnlich dynamisch wachsenden Comic-/Manga-Nachfrage herausrechnet, schneiden Taschenbücher mit einem Rückgang von gut 1% immer noch relativ besser ab.
Das heißt auch, dass der Anteil der Taschenbücher an den Print-Verkäufen 2022, anders als in den Vorjahren, nicht weiter geschrumpft ist, sondern wieder etwas zugelegt hat.
buchreport.magazin 2/2023
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im buchreport.magazin 2/2023.
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Unterschiedliche Preiseffekte
Noch markanter ist die Entwicklung beim Umsatz:
- Die populären Hardcover und Paperbacks haben gut 3% Umsatz verloren.
- Der Umsatz mit Taschenbüchern hat dagegen insgesamt um 4% zugelegt. Auch ohne die boomende Comic-/Manga-Abteilung hat das Format um 2,5% zugelegt.
Hier machen sich die unterschiedlichen Preiseffekte bemerkbar:
- Bei Hardcovern und Paperbacks haben Verlage erst in jüngster Zeit die Preise für Neuerscheinungen deutlich angehoben, vor allem als Reaktion auf die gestiegenen Produktionskosten. Beim Durchschnittspreis macht sich das wegen der im Preis unveränderten Backlist-Titel noch nicht sonderlich bemerkbar.
- Die Taschenbuch-Verlage schrauben dagegen schon seit Längerem an den Preisen. So lag der Durchschnittspreis beim Taschenbuch (ohne Comic/Manga) 2022 immerhin 3,7% höher als im Vorjahr.
Populäre Taschenbücher
Zusammensetzung: Das prägende Genre des populären Taschenbuchs (ohne Comic/Manga, Reise und Fachbücher) ist die Belletristik. 68% der verkauften Exemplare sind Romane. Hinzu kommen 15% überwiegend belletristisch geprägte Kinder- und Jugend-Taschenbücher. Die restlichen 17% verteilen sich auf klassische Sachbücher und Ratgeber.
Die Verlage produzieren weitgehend dieser Genre-Nachfrage entsprechend, zeigt die von buchreport monatlich erhobene Statistik der Taschenbuch-Neuerscheinungen: 68% Belletristik, 10% Kinder- und Jugendtitel, 22% Sachthemen.
Verkaufspreise: Taschenbücher sind das niedrigpreisige Format gedruckter Bücher. Die Verlage drehen allerdings seit Längerem an der Preisschraube, s. Grafik 3.
2022 wurden, auch angesichts der steigenden Produktionskosten, die Preise noch einmal kräftig angezogen. Eine Taschenbuch-Neuheit war im Schnitt 71 Cent oder 6,1% teurer als 2021.
Tabelle 4 zeigt, wie sich die Preisschubladen verschieben. Novitäten unter 10 Euro werden zur Ausnahme. Erstmals ist 12 bis 15 Euro die am stärksten besetzte Kategorie.
Datenbasis: buchreport-TB-Statistik; Media Control-Handelspanel
Nur leichter Produktionsrückgang
Zur Stabilisierung des Taschenbuch-Marktes trägt womöglich auch bei, dass sich das Angebot konsolidiert. Die Verlage produzieren seit nunmehr 10 Jahren immer weniger Taschenbuch-Novitäten. 2022 markiert mit 3122 Novitäten einen neuen Tiefststand, aber der Rückgang hat sich seit 2020 verlangsamt, s. Grafik 1. Der Handel hat damit immer noch die Option, monatlich durchschnittlich 260 neue populäre Taschenbuch-Titel als frische Ware zu präsentieren.
Hinter der statistischen Stabilität der vergangenen Jahre stecken zwei gegenläufige Entwicklungen:
- Die umsatzstärksten Taschenbuch-Verlage (Tab. 2) haben ihr einst sehr umfängliches Angebot an frischer Ware in Summe deutlich reduziert, auch 2022. Sie sind allerdings bei der Selektion recht erfolgreich und setzen auf die vielversprechendsten Titel, sodass der Umsatz recht stabil bleibt.
- Die kleineren Taschenbuch-Verlage bauen hingegen ihre Programme, angeführt von den stärker regional orientierten Verlagen Emons und Gmeiner, aus und sorgen damit für eine insgesamt relativ konstante Zahl von Neuerscheinungen, ohne damit allerdings größere Bestseller zu landen.
Erfolgreichster Bestseller-Verlag, gemessen an den Platzierungen in der SPIEGEL-Taschenbuch-Jahresbestsellerliste, war 2022 dtv, gefolgt von Ullstein und Rowohlt. dtv führt laut Media Control-Marktdaten mit einem zweistelligen Wachstum auch das Taschenbuch-Umsatzranking an.
Der steigende Backlist-Anteil
Das über Jahre reduzierte Novitätenangebot zeigt sich auch darin, dass das Taschenbuch-Geschäft zunehmend durch die Backlist geprägt ist. Novitäten spielen eine immer kleinere Rolle:
- 2012, als die Produktion von Neuerscheinungen noch auf einem sehr hohen Niveau war, waren noch 42% der verkauften Taschenbuch-Exemplare neu, d.h. weniger als ein Jahr alt.
- 2017 betrug der Novitätenanteil 38%.
- 2022 war noch gut ein Drittel der verkauften Taschenbücher in diesem Sinne neu.
Das attraktive Zwischenformat
Die Neigung der großen Taschenbuch-Verlage, das Taschenbuch-Programm stärker zu drosseln, hängt mit einer im Auftritt attraktiveren und auch wirtschaftlich lukrativeren Alternative zusammen. Mit der Etablierung des etwas größeren und mit Umschlagklappen aufgewerteten Paperback-Formats hat sich vor gut 10 Jahren für die Verlage eine interessante Option eröffnet: Statt der Frage Hardcover oder Taschenbuch können sie den Mittelweg des Paperbacks (Klappenbroschur) gehen. Das kann mit überschaubarem herstellerischen Zusatzaufwand mehr Wertigkeit vermitteln und 3 bis 4 Euro teurer verkauft werden.
Zu den typischen Paperback-Erfolgen gehören Bannalecs Bretonen-Krimis und die Internats-Romanzen von Sarah Sprinz sowie bei Sachthemen Lebenshilfetitel, etwa von Stefanie Stahl, Sheila de Liz sowie der mit einem Folgeband seines Taschenbuch-Erfolgstitels „Das Café am Rande der Welt“ hochgestufte John Strelecky.
Die digitale Alternative
Die andere wohlfeile Alternative zum Taschenbuch sind E-Books. Diese haben zwar nicht die einst prognostizierte große Marktbedeutung erreicht, sind aber in den vergangenen Jahren bei Viellesern populärer geworden, auch durch die Pandemie und ihren Vorteil, sich Lesefutter unkompliziert zu Hause herunterladen zu können. Zuletzt hat buchreport Zuwächse im E-Book-Markt auf buchhändlerischen Plattformen von 12% (2020), 4% (2021) und fast 7% (2022) errechnet.
Darüber hinaus entdecken immer mehr Nutzer die sehr günstige E-Reading-Alternative, beliebig viele E-Books für eine überschaubare Jahresgebühr über öffentliche Bibliotheken auszuleihen.
Taschenbuch-Saison und Einkaufswege
Saison: Taschenbücher sind Ganzjahresartikel mit einem ausgeprägten Ausschlag im Weihnachtsgeschäft und kleinen Konjunkturen rund um Ostern sowie in den Haupturlaubsmonaten Juli/August.
Vertriebswege: Vor der Corona-Pandemie wurden etwas mehr als drei Viertel der Taschenbuch-Umsätze im stationären Buchhandel gemacht. 2020 schrumpfte dieser Marktanteil des stationären Handels um 5 Prozentpunkte und fiel 2021 unter 70%. 2022 stieg die Quote des stationären Buchhandels am Taschenbuch-Markt wieder auf über 71% und in den Sommermonaten auch wieder auf 75%.
Es kommt aber immer auch auf den Inhalt an: Roman-Taschenbücher werden überdurchschnittlich im Laden entdeckt und gekauft, Sachbücher und Ratgeber deutlich weniger (62%). Sie werden offenbar häufiger online gesucht und gefunden und dann auch gleich dort bestellt.
Der Taschenbuch-Marktanteil des Bahnhofsbuchhandels betrug lange etwa 4%, hatte sich in der Corona-Hochphase halbiert, weil weniger gereist und gependelt wurde. 2022 hat sich der Anteil wieder leicht (auf 2,4%) erhöht.
Datenbasis: Media Control-Handelspanel
Die Verkaufsauflage
Einzelne Taschenbuch-Titel können sehr hohe Auflagen erzielen wie der eingangs erwähnte Delia-Owens-Roman „Der Gesang der Flusskrebse“. Die durchschnittliche Auflage der in einem Jahr verkauften Taschenbücher geht seit Jahren zurück, lautete ein Ergebnis der Taschenbuch-Analyse 2021. Dafür hatte buchreport die Durchschnitts-Auflagen der Top-100- und der Top-1000-Taschenbuch-Auflagen über mehrere Jahre verglichen. Dieser Trend wurde im wieder etwas freundlicheren Taschenbuch-Jahr 2022 mit leicht höheren Durchschnittsauflagen aber gestoppt.
Thomas Wilking | Dokumentation: Sabine Müchler
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