Das vor Jahren begonnene Streichkonzert bei der angeschlagenen Bertelsmann-Tochter Direct Group soll bald auf Frankreich ausgedehnt werden. Zwei Jahre nach den ersten (damals noch dementierten) Gerüchten suchen die Gütersloher jetzt aktiv nach Käufern für die französische Buchhandelstochter, die mit über 600 Mio. Euro Jahresumsatz rund die Hälfte der gesamten Erlöse der Direct Group einspielt (siehe Kuchendiagramm hier).
Nach einem internen Memo, das die französische Webseite ActuaLitté veröffentlicht hat, haben bereits erste Interessenten die Hand gehoben, um die Bertelsmann-Tochter zu kaufen. Zum Portfolio gehören der Medienclub France Loisirs, der Buchhändler Chapitre.com (Foto), der französische Audible-Ableger audible.fr sowie der Reiseveranstalter Voyages Loisirs.
Bis Mitte Dezember können die Kandidaten die Zahlen des Unternehmens studieren, anschließend sollen die konkreten Verkaufsverhandlungen beginnen.
Auf Afnrage von buchreport.de erklärte ein Sprecher der DirectGroup: „Wir befinden wir uns aktuell in einem Prozess, in dem geprüft wird, welche strategischen Optionen im französischen Markt in Bezug auf die dortigen DirectGroup-Geschäfte bestehen.“ Dieser Prozess sei ergebnisoffen.
Warum Bertelsmann den Verkaufsprozess 2008 möglicherweise vorübergehend auf Eis gelegt hat, liegt auf der Hand: Die Schockwellen der Finanzkrise haben seinerzeit für ein kühles Klima auf dem Markt für Übernahmen und Fusionen gesorgt, da verängstigte Investoren ihr Geld gehütet haben.
Mit dem Verkauf der Frankreich-Aktivitäten würde Bertelsmann nahtlos an die Schlankheitskur der vergangenen Jahre anknüpfen:
- Im Sommer 2008 fand Bertelsmann einen Abnehmer für seine nordamerikanischen Buchklubs gefunden: den Privatinvestor Najafi Companies aus Phoenix, Arizona (hier mehr).
- Im Dezember 2008 trennte sich Bertelsmann vom britischen Buchklub Book Club Associates (BCA), der an den Finanzinvestor Aurelius weitergereicht wurde (hier mehr).
- Im Winter/Frühjahr schloss Bertelsmann zunächst die Zentrale des österreichischen Buchclubs Donauland in Wien und verkaufte anschließend die sieben verbliebenen Filialen (hier mehr).
- Im Februar 2010 verkaufte der Medienkonzern seine Anteile am italienischen Buchclub Mondolibri; das Verlagshaus Mondadori zahlte fast sieben Millionen Euro für die Beteiligung (hier mehr).
- Ebenfalls im Frühjahr 2010 verkaufte die DirectGroup ihre portugiesischen Aktivitäten an die Verlagsgruppe Porto Editora; zur Verkaufsmasse gehörten u.a. der größte Buch-Einzelhändler des Landes Bertrand, die gleichnamige Verlagsgruppe sowie der Buchclub Círculo de Leitores (hier mehr).
- Im Frühjahr 2010 veräußerte die Direct Group die Hälfte des spanischen Buchclubs Círculo de Lectores an die marktführende spanische Verlagsgruppe Planetahier mehr).
- Im Juli fand Bertelsmann für die australische und neuseeländische Buchclubs Abnehmer (hier mehr).
Auch in Deutschland steht das Club-Geschäft unter Druck. Wegen der auf unter
3 Mio gesunkenen und weiter rückläufigen Zahl der Club-Mitglieder lässt sich das bisherige Netz der 250 Club-Dependancen nicht mehr wirtschaftlich führen, weshalb zusätzliche Umsätze mit neuen Kundengruppen und auf neuen Vertriebsschienen wie Ebay angepeilt werden.
Wie stark die Direct Group in den vergangenen Jahren abgespeckt hat, zeigen die Umsatz- und Mitarbeiterzahlen. Während die Bertelsmann-Tochter 2001 noch mit über 13.500 Mitarbeitern 3,1 Mrd Euro erwirtschaftete, sanken die Erlöse bis 2009 auf 1,25 Mrd. Euro (Mitarbeiter: 10.087).
Daniel Lenz
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