Sechseinhalb Jahre ist es her, dass Amazon das E-Book mit dem Kindle in den USA reanimierte. Und trotz aller Widerstände aus und außerhalb der Buchbranche ist der weltgrößte E-Commerce-Akteur weiterhin das Maß aller Dinge auf dem internationalen E-Book-Markt. Amazon gibt auf den Märkten Tempo und Koordinaten vor und strukturiert somit jeweils das gesamte Wettbewerbsumfeld.
Wie stark Amazon auf den einzelnen Märkten ist, das analysiert die aktuelle Ausgabe der sechsmonatlich aktualisierten E-Book-
Studie „Global E-Book Report“ (hier zum Download), der am heutigen Dienstag, 8. April, auf der Londoner Buchmesse präsentiert wird. Darin beschreibt der Buchmarkt-Analyst und Unternehmensberater Rüdiger Wischenbart (Foto: Mike Minehan) die zentralen Entwicklungen und Diskrepanzen bei der digitalen Durchdringung der nationalen Buchmärkte:
Studie „Global E-Book Report“ (hier zum Download), der am heutigen Dienstag, 8. April, auf der Londoner Buchmesse präsentiert wird. Darin beschreibt der Buchmarkt-Analyst und Unternehmensberater Rüdiger Wischenbart (Foto: Mike Minehan) die zentralen Entwicklungen und Diskrepanzen bei der digitalen Durchdringung der nationalen Buchmärkte:
- In den USA und Großbritannien sind E-Books längst etabliert (Marktanteile von jeweils über 20%). Das Wachstum dieses Bereichs, der E-Book-Umsatz und der Anteil am Gesamtmarkt flachten hier 2013 bereits ab.
- In Deutschland und den Niederlanden ist das angloamerikanische Niveau noch lange nicht erreicht, aber die Richtung ist vorgegeben: Der Anteil digitaler Bücher am Gesamtgeschäft wächst weiter dynamisch und folgt so mit zeitlicher Verzögerung der Entwicklung auf den Pioniermärkten.
- In Frankreich und Schweden, wo Amazon nicht so stark bzw. noch gar nicht präsent ist, ist die Tendenz gegenläufig: Das Wachstum des Digitalgeschäfts wird ausgebremst und kommt daher über ein niedriges Ausgangsniveau kaum hinaus. Gründe hierfür sind Wischenbart zufolge auch politische Restriktionen und zu hohe E-Book-Preise.
Viele Experimente mit Communitys und Vertriebsmodellen
Trotz unterschiedlicher Tempi gibt es Dauerthemen wie Pricing und neue Geschäftsmodelle, die für Verlage weltweit eine Herausforderung sind:
- Pricing: Das Verhältnis der Preise unterliegt europaweit starken Abweichungen: Aktuell kosten die digitalen Ausgaben der Top-10-Bestseller in Spanien im Schnitt 50% weniger als die Printausgaben, während E-Books von Bestsellern in Schweden lediglich 10% günstiger sind. Insbesondere die vielen kostengünstigen Selfpublishing-Titel sorgen dafür, dass bei Amazon überall ein besonders niedriger Durchschnittspreis herrscht.
- Neue Plattformen: Egal ob Start-ups, Kooperationen oder Ableger von Verlagen – Buchcommunitys, mit dem Versprechen, einen neuen, direkten Kontakt zum Leser zu knüpfen, stehen weltweit oben auf der Agenda. Seit 2013 werden zudem vermehrt alternative E-Book-Vertriebsmodelle getestet, Leih- und Flatratemodelle, oft kombiniert mit Social-Reading-Ansätzen.
- Internationaler E-Book-Vertrieb: E-Books befördern die Lektüre fremdsprachiger Literatur, weil grenzüberschreitender Handel kostengünstig wird. Englischsprachige Titel werden mittlerweile insbesondere in Skandinavien viel gelesen, das Potenzial spanischer Bücher in Amerika wächst.
- Piraterie: Das Urheberrecht ist in Bezug auf E-Books noch immer eine europaweite Baustelle. Es besteht weder Einigkeit über die angemessenen Nutzungs- und Veröffentlichungsrechte noch über das Vorgehen gegen Rechtsverstöße. Auch beim Kopierschutz gehen die Meinungen auseinander: Während hartes DRM in den meisten Ländern Standard ist, geht der Trend in Schweden und Italien stark hin zu weichem Kopierschutz.
„Während hartes DRM in den meisten Ländern Standard ist, geht der Trend
in Schweden und Italien stark hin zu weichem Kopierschutz.“ – Interessant, dass hartes oder weiches DRM in der Buchbranche überhaupt noch ein Thema ist. Den potentiellen Ebook-Kunden geht es enorm auf den Sender (weswegen mancher von ihnen lieber zum Piraten geht). Offensichtlich leidet die Buchbranche noch nicht genug, um mal die Kollegen aus der Musikindustrie zu fragen, warum sie DRM schon des längeren aufgeben haben. Und keinesfalls den Leser fragen!
Nun ja, zur Stunde hängen an DRM noch zu viele Geschäftsmodelle. Per aspera ad astra!