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Michael Busch: Der Branchensprecher tritt ab

Michael Busch (Foto: Thalia)

Auf eines war in den vergangenen Jahren stets Verlass: Wenn die Buchbranche größere Aufmerksamkeit erhielt, dann war Michael Busch meist nicht weit. Oft war der Thalia-Chef sogar ziemlich nah dran. Wenn er im Juni seinen Posten für Ingo Kretzschmar räumt, wird das auch im Buchhandel auffallen. 

Busch trat in der Vergangenheit meinungsstark auf, was naturgemäß dann und wann für Irritationen sorgte. Zuletzt während der Pandemie marschierte er medial vorneweg, vor allem Anfang 2021. Während der Einzelhandel geschlossene Läden beklagte, stand Busch Seite an Seite mit dem Einzelhandelsverband:  „Es gibt kein Argument gegen die Öffnung des Handels. Es gibt aber viele Argumente für das Öffnen des Handels und der Innenstädte“, sagte er im Rahmen der Bundespressekonferenz im Februar vergangenen Jahres. Im Interview mit dem E-Commerce-Portal „K5 TV” über die aktuelle Lage des Handels fand er deutliche Worten gegen den Regierungskurs: „Mit Hoffnung können wir kein Land steuern, wir brauchen Öffnungsszenarien von der Regierung.” Die Umsatzrückgänge hatte er „Todeszone“ genannt

Ingo Kretzschmar rückt bei Thalia auf

Die hier noch mäßig energisch vorgetragene Werbung für den Handel klang intern schon ganz anders. Im März wurde der Mitschnitt einer Mitarbeiterversammlung öffentlich, in der Busch mehr oder weniger unverhohlen drohte: Es gehe darum, „der Politik klar zu machen, wenn ihr nicht für die Öffnung entscheidet, dann werden wir euch nicht wählen”. Aussagen, für die sich Busch anschließend entschuldigen musste – für den Tonfall, wohl eher weniger für die zentrale Aussage. 

War das nun Werbung in eigener Sache oder Werbung für die Branche? Ganz eindeutig war das nicht. Dass der übermächtige Marktführer Michael Busch während der Pandemie zumindest phasenweise zum Gesicht der Branche wurde, stieß bei den unabhängigen Buchhändlerinnen und Buchhändlern nicht immer auf große Zustimmung – aber in der Sache war ja kaum etwas einzuwenden. 

Ende 2021 zerrte Busch am Nervenkostüm der Branche, weil er die Konditionendebatte „absurd“ nannte. Auf der Frankfurter Buchmesse griff er den Börsenverein an wegen dessen Versuchs, den Streit um die Spreizung der Einkaufskonditionen zwischen großen und kleinen Marktteilnehmern zu befrieden. Busch ging den Verband direkt an und polterte: „Eine Diskussion über Rabatte zu führen, ist unsinnig.“ Nicht die erste Spitze gegen den Verband, denn schon in der Corona-Pandemie hatte Busch dem Börsenverein kritische Worte zugeworfen: Bei dessen Einsatz für den Handel sei „noch Luft nach oben“…

 „Das Gesetz dient nicht dem Schutz und der Erhaltung der Trägheit im Buchhandel.“ (Michael Busch zur Konditionenfrage)

Buschs Plan, Thalia zu einem ernsthaften Akteur zu machen, der auch größeren Anbietern, vor allem jenen aus dem Internet, Paroli bieten soll, erwies sich zwar als zielführend, wurde aber auch misstrauisch beäugt. In der „Süddeutschen Zeitung“  hieß es noch vor wenigen Monaten, Thalias Versuch, Amazons Marktmacht etwas entgegenzusetzen, führe dazu, dass Thalia selbst zu mächtig werde. 

Insbesondere in den vergangenen Jahren hat Thalia selbst seine Dominanz ausgebaut, mit rasant wachsendem Online-Geschäft (zuletzt 40% Umsatzanteil) und auch durch Großübernahmen wie der Mayerschen, Lehmanns Media oder dem Zusammenschluss mit dem Südwestfilialisten Osiander per originellem Einkaufsgemeinschaft-Konstrukt. Heute sind Amazon und Thalia in Deutschland mit einer Umsatzgrößenordnung von jeweils rund 1,5 Mrd Euro die einsamen Buchhandels-Marktführer.

Busch trimmte das Haus in den vergangenen Jahren konsequent auf den Omnichannel-Kurs, in dem der stationäre Handel noch Triebfeder war, aber eben auch andere Standbeine stärker wurden. Das Geschäft mit Fachinformationen, der stärkere Akzent im Nebenmarkt, die Entwicklung einer umfassenden Vertriebsplattform: Unter Michael Busch wuchs Thalia zum Branchenkonzern und er selbst zu einem großen Teil davon.

Jetzt hat der Stratege seinen Abschied angekündigt. Mit 58 Jahren sei Zeit für eine Übergabe – hatte nicht Jeff Bezos in ähnlichem Alter seinen Abschied beim alten Rivalen Amazon angekündigt? Beide wollen aber ihren Unternehmen in anderer Form erhalten bleiben. Busch will in den nächsten Jahren als Sprecher der Gesellschafterversammlung die Aufsicht führen.

 

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