Die engere Zusammenarbeit zwischen Buchhandels-Marktführer Thalia Mayersche und Südwestfilialist Osiander hatte sich bereits angedeutet, als sie im März die gemeinsame Shopping-Plattform Shopdaheim launchten. Bereits damals wurde in der Branche über Weiterungen spekuliert. Jetzt schlagen die beiden Filialisten das nächste Kapitel der Zusammenarbeit auf: Osiander nutzt Ressourcen und Einkaufsvorteile des Marktführers. Genutzt werden soll dafür die neue Osiander Vertriebsgesellschaft, an der Thalia Mayersche die Anteilsmehrheit hält.
Naheliegender Schulterschluss
Die Kooperation hat einen Vorläufer in der engen Zusammenarbeit der Regionalfilialisten Osiander und Mayersche ab 2015 vor allem mit Schwerpunkt Marketing und IT, letzteres im Rahmen eines gemeinsamen SAP-Projekts, ein ERP-System zur unternehmerischen Ressourcenplanung umzusetzen. Diese enge Zusammenarbeit wurde zunächst Anfang 2019 mit der Entscheidung der Mayerschen unterbrochen, komplett unters Thalia-Dach zu schlüpfen.
Nachdem dann die Fusionspläne von Thalia und der Mayerschen bekannt geworden waren, hatte die Osiander-Chefriege noch betont: „Vor dem Hintergrund der veränderten Marktbedingungen hat sich die Wachstumsstrategie von Osiander als richtig erwiesen und wird weitergeführt.“ Durch die Entscheidung der Mayerschen werde die Position von Osiander am Markt als unabhängiges Familienunternehmen gestärkt. Heinrich Riethmüller ergänzte kurz darauf bei der Jahrestagung IG Belletristik Sachbuch (IG BellSa): Die Entscheidung sei nachvollziehbar, konsequent, sinnvoll und nicht mehr als „ein täglicher Vorgang in der Wirtschaft“.
Über das Ausloten, inwieweit gleichwohl die Zusammenarbeit mit Thalia Mayersche beim SAP-System möglich ist, hat Osiander den Faden für eine intensivere Zusammenarbeit geknüpft. Betont wird aktuell auch die Zusammenarbeit in der Tolino Allianz, die branchenweit ein Gegenmodell zu Amazon beim E-Reading entwickelt hat.
Schnelle Expansion
Unter Druck war die Osiander-Kette geraten durch ein hohes Expansionstempo: In schneller Taktung wurden mit hohen Investitionen neue Buchhandlungen eröffnet und eingeführte Standorthändler im Rahmen von Nachfolgelösungen übernommen. „Wir wollen auch in Zukunft die Nummer 1 in Süddeutschland sein“, betonte Geschäftsführer Christian Riethmüller im Herbst 2018 in einem buchreport-Interview. „Und auch deshalb eröffnen wir im Moment mehr Läden als in den vergangenen Jahren: Weil wir wissen, wenn wir es nicht machen, kommt jemand anderes“, ergänzte sein Onkel und Co-Geschäftsführer Heinrich Riethmüller.
Dadurch hat der Südwestfilialist sein Filialnetz auf 72 Buchhandlungen nach oben geschraubt, die sich über Baden-Württemberg und angrenzende Regionen in Rheinland-Pfalz, Bayern und Südhessen erstrecken. Und auch der Umsatz hat deutlich zugelegt: In der buchreport-Analyse „Die größten Buchhandlungen“ ist das Unternehmen aktuell mit einem Umsatz von 104,5 Mio Euro (2019, +9%) gelistet.
Von Verlagen war mit Verweis auf eine erkennbare Einkaufszurückhaltung zu hören, dass sich der Südwest-Filialist Osiander bei seiner Expansion womöglich übernommen hat. Schwer zugesetzt hat Osiander im vergangenen Jahr auch ein Hackerangriff, der die IT-Infrastruktur und den Webshop des Unternehmens flächig lahmlegte. Die Folge: Umsatzeinbußen und hohe Kosten für die Schadensbehebung. Insgesamt addierte sich der Schaden im Herbst auf einen mittleren sechsstelligen Betrag, sodass die Osiander-Einkäufer in der Folge auch bei Verlagen Unterstützung anfragten.
Im vergangenen Herbst intensivierten sich auch die Gespräche zwischen Thalia Mayersche und Osiander. Die Corona-Entwicklung habe nicht den Ausschlag gegeben, erklärt Christian Riethmüller, aber letztlich die Entscheidung bestärkt: Die Kooperation trage schließlich der stärkeren Verlagerung zum Online-Handel Rechnung.
Kommentar hinterlassen zu "Thalia Mayersche und Osiander: Zusammenarbeit mit Anlauf"