Der Buchhandelsmarktführer Thalia wehrt sich gegen den aktuellen Vorstoß des Branchenverbands Börsenverein, den Rabattkorridor zu begrenzen und damit die Spreizung der Konditionen zwischen großen und kleinen Marktteilnehmern zu verringern. Thalia-CEO Michael Busch hat ein Rechtsgutachten zum Thema erstellen lassen. Das kommt zu dem Schluss, dass bei außergewöhnlichen Leistungen auch höhere Rabatte zulässig sind. Die von Thalia beauftragte Kanzlei formulieren markant: „Das Gesetz dient nicht dem Schutz und der Erhaltung der Trägheit im Buchhandel.“
Die Kampfansage hat Busch auch in der Verbandszeitschrift „Börsenblatt“ formuliert: „Eine Diskussion über Rabatte zu führen, ist unsinnig. Wir sind in einer Marktwirtschaft tätig.“
Die Vorgeschichte: Ein runder Tisch und der Wunsch, das Konditionengefüge anzupassen
Im Frühjahr war bei einem vom Börsenverein organisierten „runden Tisch“ mit Vertretern aller Branchensparten verabredet worden, die Spreizung der Konditionen zu überprüfen und auch die seit längerem in der Branche kursierenden Hinweise, dass große Händler Rabatte und andere Zugeständnisse erhalten, die womöglich gegen Vorgaben des Buchpreisbindungsgesetzes verstoßen.
Es geht konkret um die Frage, inwieweit das Buchpreisbindungsgesetz durch die Vorgabe in §6 (3) hohen Marktführerrabatten Grenzen setzt: „Verlage dürfen für Zwischenbuchhändler keine höheren Preise oder schlechteren Konditionen festsetzen als für Letztverkäufer, die sie direkt beliefern.“ Dass diese Regel womöglich nicht so richtig funktioniert, hatte sogar das Bundeskartellamt im Rahmen der Thalia-Expansion protokolliert.
Mit dem Argument, dass eine gerichtliche Prüfung der aktuellen Praxis womöglich die Buchpreisbindung an sich gefährden könnte, verständigte sich der „runde Tisch“ auch auf das grundsätzliche Ziel einer tendenziellen Umverteilung vorgeschlagen:
- Verlage sollen ihr „Konditionengefüge“ anpassen.
- Große Händler sollen ihre „Verhandlungsmaßstäbe“ anpassen.
- Großhändler (Barsortimente) sollen erzielte Konditionenverbesserungen zu einem Teil an unabhängige Sortimente weitergeben.
Die Maßnahmen: Umfrage und Ombudsstelle
Konkret hat der Börsenverein im September im Buchhandel, bei Großhändlern und Verlagen eine Umfrage zu gewährten Rabatten und anderen Konditionen gestartet, um die Branchengepflogenheiten der Konditionengestaltung zu erfassen sowie die weitere Entwicklung gemäß der genannten 3 Umverteilungspunkte.
Neben der Konditionen-Umfrage hat der Börsenverein auch eine „Ombudsstelle zur Preisbindung“ eingerichtet. Der sollen Buchhandlungen, Verlage und Zwischenbuchhändler Sachverhalte melden, die namentlich hinsichtlich der Konditionen womöglich nicht mit dem Preisbindungsgesetz vereinbar sind. Der Börsenverein hat die Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels und Christian Russ als Ombudspersonen benannt.
Die Preisbindungsanwälte: Fördert die Preisbindung sogar die Konzentration?
Wallenfels und Russ haben ihre Position kürzlich in ihrem Jahresbericht noch einmal pointiert, wie buchreport ausführlich dargestellt hat:
- „Die Rabattspreizung zugunsten großer Unternehmen steht in krassem Widerspruch zu den Zielen des Gesetzgebers, der mit der Preisbindung ja gerade die kleinen und mittleren Buchhandlungen unterstützen und fördern will.“
- „Der Große finanziert seine weitere Expansion mit der Folge von Nachteilen im Wettbewerb für die kleinen und mittleren Buchhandlungen, die mit schlechteren Konditionen ihre oft ungünstigeren Kostenstrukturen nicht ausgleichen können.“
- „Brenzlig wird es daher, wenn die Preisbindung den Konzentrationsentwicklungen im Buchhandel nicht länger Einhalt gebietet, sondern sie entgegen ihrem Sinn und Zweck befördert.“
Die Thalia-Reaktion: Ein Gegengutachten
Thalia-CEO Michael Busch wehrt sich gegen diese Darstellung und gegen die von Russ/Wallenfels und dem Börsenverein vorgenommene Interpretation des §6 des Buchpreisbindungsgesetzes und hat von den Anwälten Christian Frank und Julia Petersen der Kanzlei TaylorWessing ein ausführliches eigenes Gutachten erstellen lassen. Kernbefunde:
- Für außergewöhnliche Leistungen sind auch höherer Rabatte zulässig.
- Verlage dürfen Innovationen im Buchhandel im Einzelfall durch Rabatte unterstützen.
Die Hauptargumentation von Frank/Petersen:
„Das Gesetz dient nicht dem Schutz und der Erhaltung der Trägheit im Buchhandel, sondern dem Schutz des Kulturgutes Buch und der Erhaltung eines breiten Buchangebotes. Werden Innovationen behindert, gefährdet dies den Buchmarkt in Deutschland und das System der Preisbindung. Damit überzeugt die Ratio aus dem Gesetzgebungsverfahren auch weiterhin:
- Ob eine außergewöhnliche Anstrengung eines Letztverkäufers vorliegt, bedarf einer differenzierten Betrachtung im jeweiligen Einzelfall. Maßstab ist der Buchmarkt im Zeitpunkt der Entscheidung, denn es geht um den dann aktuellen Vertrieb von Büchern.
- Das Benachteiligungsverbot verbietet es den Verlegern, den Zwischenbuchhandel zu benachteiligen, damit letzterer seine Funktion im Buchmarkt erfüllen kann.
- Es bietet aber keine Grundlage dafür, außergewöhnliche Leistungen zu unterlaufen, in dem ihre Berücksichtigung bei der Rabattgestaltung verboten wird. Das Benachteiligungsverbot darf insbesondere nicht zur Innovationsbehinderung benutzt werden: Innovationswillige Verlage müssen innovationswillige Buchhändler im Einzelfall bei der notwendigen und mitunter kostenintensiven Modernisierung des Buchhandels auch finanziell unterstützen können, indem dies bei der Rabattgewährung berücksichtigt werden darf.“
In den vergangenen 20 Jahren (das Buchpreisbindungsgesetz stammt im Kern von 2002) sei die Buchbranche zunehmend digitaler und globaler geworden. Auch der § 6 Abs. 3 BuchPrG unterliege daher dynamischen Mechanismen und knüpfe nicht an ein „althergebrachtes“ Bild des Bucheinzelhandels an: „Vor 20 Jahren war beispielsweise das Thema ‚Influencer Marketing‘ noch unbekannt – heutzutage ist es in aller Munde. Damit Influencer als Werbemedium in Aktion treten, müssen zunächst Influencer-Verträge geschlossen und Vergütungsstrukturen vereinbart werden. Influencer können anschließend für einen Buchhändler tätig werden, in dem sie auf den einschlägigen Social Media Plattformen gezielt bestimmte Bücher oder ein Verlagsprogramm empfehlen. Der Buchhändler kann sich so in außergewöhnlicher Weise für einen Verlag einsetzen. Eine derartige Zusammenarbeit mit Influencern stellt somit ein ,modernes Beispiel‘ einer sortimentsuntypischen Leistung dar, welche den Absatz in einer Weise fördert, die wertungsmäßig der Beschäftigung eigener Reisender bzw. Außendienstvertreter entspricht. Es liegt insofern nahe, die Liste der sortimentsuntypischen Leistungen der Orientierungshilfe des Verleger- und Sortimenter-Ausschusses um Leistungen beim Influencer-Marketing zu ergänzen.“
„Das Gesetz dient nicht dem Schutz und der Erhaltung der Trägheit im Buchhandel, sondern dem Schutz des Kulturgutes Buch und der Erhaltung eines breiten Buchangebotes“. Sehr guter rhetorischer Trick der Rechtsanwaltskanzlei einen Antagonismus in einem Satz als eine vermeintliche Kausalität zu formulieren.
Thalia bestimmt fast das komplette Sortiment in Deutschland und somit, was gelesen werden kann.
Das Sortimentsangebot verringert sich seit über 10 Jahren kontinuierlich. Nur was Thalia bestellt, wird auch gedruckt. Das Kulturgut Buch wurde zur Ware verramscht (vgl. Sie den Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 20.10.2021 von Felix Stephan: Die Ware Geschichte?).
„Außergewöhnliche Leistungen“… die hat in der Corona-Krise nur der unabhängige Buchandel erbracht und sich nicht in Kurzarbeit und sonstigen staatlichen Hilfsmaßnahmen ausgeruht.
einfach lachhaft ?
Wer hier träge agiert hat…