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In den aktuellen Frühjahrsprogrammen der Verlage finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autorinnen und Autoren. Zu den Newcomern zählt Theresa Pleitner, die sich im Fragebogen vorstellt.
Mein Roman in drei Sätzen
Mein Roman handelt von einer jungen Psychologin, die in einem provisorischen Aufnahmelager für geflüchtete Menschen arbeitet – eine Arbeit, die ich selbst auch über längere Zeit gemacht habe. Es geht darin um die Machtmechanismen, die an solchen Orten wirken, und in die sich auch die Protagonistin zunehmend verstrickt: Ihre Rolle sieht unter anderem vor, Abschiebungen hinzunehmen und die Menschen notfalls zu entmündigen. Zentrale Themen des Romans sind Widersprüche des Helfens und moralische Dilemmata.
Mein Weg zu S. Fischer
Im Sommer 2021 wurde ich von der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz mit Auszügen meines Romans zu einer Textwerkstatt in Österreich eingeladen, wo ich Jürgen Hosemann, meinen Lektor, kennenlernte. Jürgen bot mir an, ihm den Roman zu schicken, was ich nach einigen letzten Überarbeitungen zusammen mit meiner Agentin Anfang 2022 dann auch tat. Als dann recht rasch die Zusage kam, habe ich mich natürlich sehr gefreut.
Das Verdienst meines Lektors
Schon als wir uns bei der „Werkstatt für junge Literatur“ kennenlernten, fand ich Jürgens Rückmeldungen zu meinem Text sehr wertvoll und ermutigend. Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass auch seine Kritik von einer ernsthaften Begeisterung für Literatur geprägt ist. Sein Feingefühl für Sprache, Figurenentwicklung und Dramaturgie waren für mich im Lektoratsprozess ebenso hilfreich wie seine humorvolle Gelassenheit.
Mein Eindruck von Literaturbetrieb und Buchbranche
Es fällt mir schwer, einen Eindruck zu formulieren, da ich bisher wenig Berührungspunkte mit dem Literaturbetrieb habe: Mein Alltag ist stark von meiner Arbeit als Psychologin bestimmt, momentan behandle ich ambulant Patientinnen und Patienten in einer Praxis und absolviere nebenher meine Ausbildung zur Psychotherapeutin.
Meine Lieblingsbuchhandlung
„Die Buchkönigin“ in Berlin Neukölln
Meine Lieblingsautoren
In letzter Zeit waren für mich besonders wichtig: Maggie Nelson, Annie Ernaux, Dorothee Elmiger. Evergreens, u.a.: Audre Lorde, Joan Didion, Margret Atwood, Christa Wolf …
So lese ich
Ich bin eine ungeheuer langsame Leserin, daher lese ich leider auch viel zu wenig – aber das, was ich gelesen habe, habe ich auch wirklich gelesen und kann mich meistens noch lange daran erinnern.
Schreiben ist für mich
Eine Möglichkeit, Fragen zu stellen, zu zweifeln, die Dinge in Ruhe gegens Licht zu halten. Ich bin dankbar, im Schreiben einmal keine raschen Entscheidungen treffen, keine Lösungen finden, keine Antworten geben zu müssen. Im Schreiben ist gleichermaßen Platz fürs Spielen, Nachdenken und Trauern, für Tröstliches, Skurriles und Entsetzliches. Das empfinde ich als sehr befreiend.
Wenn ich nicht gerade schreibe
Nehme ich meistens Anteil an den Geschichten anderer: als Psychologin, Freundin, Theater- und Kinobesucherin, Nachbarin, Leserin, U-Bahn-Passagierin.
Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?
So habe ich das große Thema Flucht und Zuwanderung noch nie erzählt bekommen: als persönliche Geschichte einer Helferin, die sich irgendwann selbst nicht mehr zu helfen weiß. Und ich habe es auch noch nie auf solche Weise erzählt bekommen: als atemberaubenden Monolog voll hintergründiger Spannung, als klassische Tragödie in einer glasklaren Prosa. Ich weiß, es ist das Buch einer Psychologin und ein erstes Buch, aber für mich war es von Anfang an das Buch einer Schriftstellerin. Von der man noch hören und lesen wird.
Jürgen Hosemann, Lektor
Hier gibt es weitere Newcomer des Frühjahrs 2023 im Überblick.
Debüts im Frühjahr 2023 – im buchreport.magazin 1/2023
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