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Thomas Arzt über »Die Gegenstimme«

Thomas Arzt, geboren 1983 in Schlierbach (Österreich), lebt in Wien. Studierte Drehbuch und Theaterwissenschaft und zählt seit „Grillenparz“ (2011) am Schauspielhaus Wien zu den meistgespielten zeitgenössischen Dramatikern Österreichs. Neben Publikumserfolgen wie „Alpenvorland“, „Johnny Breitwieser“ oder „Die Österreicherinnen“ wurden seine Arbeiten zu Festivals in New York, Buenos Aires und Kiew eingeladen und waren u.a. in Wien und Graz, Heidelberg und Berlin zu sehen. Kurzprosa erschien in Literaturzeitschriften sowie am Blog „Nazis & Goldmund“. Mit „Die Gegenstimme“ (Residenz) veröffentlicht er sein Romandebüt. (Foto: Joseph Krpelan)

In den aktuellen Frühjahrs-Programmen finden sich zahlreiche Romandebüts deutschsprachiger Autorinnen und Autoren. buchreport stellt 15 dieser Newcomer in Steckbriefen vor. Heute: Thomas Arzt.

Mein Roman in drei Sätzen

Ein Student kehrt ins Heimatdorf zurück, um gegen Adolf Hitler zu stimmen. Der Student hieß Karl und war der Bruder meiner Großmutter. Das gesamte Dorf war anderer Meinung als der Karl.

Mein Weg zu Residenz

Jessica Beer hatte zwei meiner Theaterstücke gesehen und mich angesprochen, ob ich auch Romane schreibe. Ich verneinte erst, aus Sorge, mich in der Prosa zu „verheddern“, wie schon einige Male davor. Sie blieb aber hartnäckig und wir trafen uns unverbindlich, um herauszufinden, ob mich ein Lektorat weiterbringen könnte oder eher hemmt. Erst zwei Jahre später begann ich „Die Gegenstimme“ zu schreiben und hatte sofort das Gefühl, die Geschichte dem Residenz Verlag anvertrauen zu wollen.

Der Verdienst meiner Lektorin

Jessica Beer war von Anfang an eine hellhörige und feinfühlige Diskurspartnerin. Ihr Beitrag zum Buch ist zweifelsohne der Glaube an die Dringlichkeit des Unterfangens. Und das Vertrauen in die Sprache der Figuren, über die wir die Geschichte erzählt bekommen. Außerdem fand ich es prägend fürs Schreiben, dass wir auch abseits der Textgenese im engeren Sinn ähnliche Anliegen teilen, was etwa das politische Bewusstsein einer Arbeit mit und an der Literatur betrifft.

Mein Eindruck von Literaturbetrieb und Buchbranche

Ich schreibe seit zehn Jahren Dramatik und habe die Erfahrung gemacht, dass es hilft, sich den Betrieb einigermaßen „vom Leib“ zu halten, jedenfalls nicht ins Fahrwasser von Verwertungslogiken zu geraten. Zugleich behaupte ich, dass Schreiben ohne eine gewisse Betriebsamkeit gar nicht erst möglich wäre. Denn was Stillstand bedeutet, haben wir in den letzten Monaten zu genüge erfahren. Es „versickert“ die Sprache, ohne gehört oder gelesen zu werden, wenn nicht die Kulturarbeiterinnen und Kulturarbeiter so etwas wie „permanente Resonanz“ erzeugen. Ein Hoch also auf den Betrieb!

Meine Lieblingsbuchhandlung

Der Infoladen in Kirchdorf an der Krems in Oberösterreich.

Meine Lieblingsautoren

Schwere Frage. Ich sag dann immer Jelinek. Oder Bernhard. Aber das stimmt wahrscheinlich nicht. Lesen Sie Sandra Gugić, die finde ich sehr gut.

So lese ich

Viel zu fragmentarisch und geprägt von Abbrüchen. Das letzte Buch, das ich von vorn bis hinten geschafft habe, war „Wir haben ­keinen Kontakt mehr“ von Andreas Jungwirth – schlanke 80 Seiten.

Schreiben ist für mich

Ein hart erkämpftes, fiebriges und loderndes Zeitfenster im Trubel von Alltag und Verpflichtung.

Wenn ich nicht gerade schreibe

Beobachte ich.

Warum haben Sie dieses Debüt ins Programm genommen?

Als spannenden Theaterautor kenne ich Thomas Arzt seit Jahren, erst seine Beiträge auf dem politischen Blog „Nazis & Goldmund“ haben mir jedoch gezeigt, dass seine ganz eigene, sehr unmittelbar wirkende und stark rhythmisierte Sprache auch großartige Prosastücke hervorbringt. Als er mir von der faszinierenden Geschichte seines Großonkels erzählte, der 1938 als Einziger in einem kleinen Dorf gegen den Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland gestimmt hatte, wurde sehr schnell klar, dass dies ein echter Romanstoff war. Wie dicht und sinnlich Thomas Arzt jedoch diese nur scheinbar einfache Geschichte über Anpassung und Widerstand erzählt, macht mich auch bei wiederholter Lektüre immer noch sprachlos vor Begeisterung. Für mich als Lektorin ist dieser Roman ein echter Glücksfall!

Jessica Beer, Lektorin

Debütantinnen und Debütanten – im buchreport.magazin 01/2021

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