Wie verändert sich die Rolle der Informationstechnologie im Verlag? Oder besser gefragt, welche Rolle spielen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verlag, wenn es um Informationstechnologie geht? Unsere Antwort: Die IT muss raus dem Getto, digitale Inklusion ist gefordert. Nur so können die notwendigen Innovationen erfolgreich gemanaget werden.
Wenn wir beispielhaft von den gegenwärtig gängigen Annahmen zur Entwicklung der Digitalisierung ausgehen, nämlich,
- dass alles was digitalisierbar ist, auch digitalisiert wird (Urchs, Cole),
- dass zweitens Information zukünftig gleichbedeutend ist mit immer schon verfügbarer Information (u. a. auch Douglas Rushkoffs These vom „Present Shock“)
- und dass drittens die Zukunft von Verlagen nicht nur, aber entscheidend von der Nutzung technischer Möglichkeiten abhängt…
…dann stehen drei Fragestellungen im Kontext von IT auf der Verlagsagenda:
- An welchen Stellen der Wertschöpfung wird technologisches Know-how ein entscheidender Faktor? Oder deutlicher: Wieviel IT braucht der Verlag?
- Welche Rolle soll in Zukunft die sogenannte Online-Abteilung bzw. die IT Abteilung spielen? Oder differenzierter: Wie sieht der USP dieser Abteilungen aus? Wie differenzieren sich Ihre Aufgaben in Zukunft? Welche internen Dienstleistungsangebote können sie dem Verlag machen?
- Wer treibt die Innovationen des Verlages? Wer steuert Innovationen und stellt die notwendigen fachlichen, budgetären und zeitlichen Ressourcen zur Verfügung?
Vom Expertenwissen zum Fundament
Schnell wird deutlich, dass die Rolle der IT differenzierter betrachtet werden muss. Informationstechnologie ist, beim Wort genommen, das operative Fundament des zukünftigen Verlagsgeschäfts. Die Geschichte der Verlage ist geprägt von technischen Entwicklungen. Jedoch ist es Verlagen in der Regel gelungen, die technologischen Elemente ihrer Wertschöpfung durch Auslagerung, durch die Zusammenarbeit mit geeigneten Dienstleistern oder durch Ausdifferenzierung von entsprechenden Spezialabteilungen weitgehend zu isolieren. Das gilt für die klassische IT-Abteilung, die sogenannten Online-Abteilungen, die in den 90er Jahren gegründet wurden, und auch für die digitalen Business-Development-Abteilungen. Nun, da technologische Entwicklungen die Entwicklung von Verlagen vorantreiben (was für sich betrachtet schon diskussionswürdig ist) und nahezu alle Kernbereiche durchdringen, ist diese Trennung und Auslagerung nicht mehr zweckmäßig.
Ohne ein breit angelegtes, grundlegendes Verständnis der informationstechnischen Zusammenhänge werden Verlage nicht in der Lage sein, innovative Produkte und Kundenbeziehungen zu entwickeln, serviceintegrierte Inhalte anzubieten oder zielgenaues digitales Marketing umzusetzen. Jeder Mitarbeiter sollte also ein Verständnis davon haben, wie beispielsweise Content konvertiert wird und seinen Weg auf eine Webseite oder in eine App findet, oder wie und warum Content mit XML-Code markiert und sortiert wird, oder wie Daten im CRM-System verknüpft werden, wie eine Datenbank funktioniert, oder welcher Aufwand hinter welchen Funktionen steckt, damit die Organisation in der Lage ist, auf dieser Klaviatur kreativ und effizient zu spielen.
Digitale Inklusion für den ganzen Verlag
Technisch Digitale Inklusion heißt das Stichwort (auf den Buchtagen sprach ein Redner von Digitaler DNA): Wenn Marketing, Vertrieb, Lektorat, Herstellung über ein breites und hinreichend tiefes Verständnis von den technischen Verfahren verfügen, dann werden die Chancen und Möglichkeiten der digitalen Evolution auch fachlich kompetent genutzt, dann lassen sich externe Dienstleister effizient steuern und interne Experten effektiv in die Arbeit einbinden.
Und es gibt, wie auf den diesjährigen Buchtagen in Berlin zu hören war, bereits gute Ansätze zur breit angelegten Kompetenzentwicklung, wie die beispielhafte Einrichtung von Digital Breakfasts oder Digital Fridays zeigt. Wie aber vor allem umfassende Ansätze zeigen, bei denen alle Beteiligten in die Entwicklung eines neuen Produktportfolios integriert werden.
Die Eingrenzung von technisch, digitalem Wissen auf Spezialabteilungen erscheint weder zweck- noch zeitgemäß. Die vordringlichste Aufgabe dieser Abteilungen scheint vielmehr, dieses Wissen in den Organisationen zu verbreiten und damit Voraussetzungen zu schaffen, vorhandene Publikationen und deren Vermarktung effizienter zu gestalten und gleichzeitig den Nährboden für zukünftige Publikationsprojekte vorzubereiten. Sicher muss jeder Verlag seine eigene individuelle Antwort auf die oben gestellten Fragen erarbeiten. Aber die Fragen stehen auf der aktuellen Agenda, wenn es um die Weiterentwicklung der Verlage geht.
Thorsten Schlaak hat viele Jahre sowohl im IT- als auch im Verlagsumfeld gearbeitet. Seit Februar 2014 ist Schlaak assoziierter Partner bei der Verlagsberatung Heinold, Spiller & Partner.
Der Text ist zuerst im Newsletter von HSP erschienen, hier das NL-Archiv.
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