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Tom Hillenbrand: Zehn steile Thesen zum E-Book

Tom Hillenbrand: Zehn steile Thesen zum E-Book

Gerade habe ich die aktuellen Absatzzahlen meiner Bücher bekommen. Und dabei festgestellt, dass E-Books fast keine Rolle spielen. Aber das wird sich ändern, vermutlich schneller als manchem lieb ist. Deshalb habe ich mir ein paar steile Thesen zum Thema E-Book überlegt. Viel Spaß damit. Außer Ihr seid Buchhändler. In diesem Fall gilt: Mein aufrichtiges Beileid.

1. Die Buchläden werden (fast alle) sterben.

Fangen wir gleich mit der aus meiner Sicht betrüblichsten Prognose an: Es wird in 20 Jahren praktisch keine Buchhandlungen mehr geben. Wenn man mit Buchhändlern spricht, halten diese entgegen, ihre Läden erfüllten eine wichtige Funktion bezüglich Beratung, Vertrieb und so weiter. Buchläden seien außerdem eine kulturelle Errungenschaft. Das stimmt alles, aber im Wesentlichen galt das auch für Plattenläden – und für denen gibt es praktisch keine mehr (wenn man übrigens 1985 behauptet hätte, die Plattenläden verschwänden, hätten einen alle für verrückt erklärt, außer vielleicht Tim Renner).

2. Alle Bereiche des Buchmarkts werden digital.

Wie jede von einem Medienumbruch bedrohte Branche hat auch die Buchbranche stets Ausreden parat, warum es sie nicht so hart treffen wird wie die Musikindustrie, die Zeitungen etc. Eine ihrer Lieblingsausreden ist, der Trend zu E-Books werde sich nicht oder erst sehr spät auf hochwertige Literatur auswirken.

Nach dieser Denkart wird die Digitalisierung nur Krimis, Mystery oder Fantasy erfassen. “Es würde doch niemand Michael Chabon auf dem Kindle lesen”, sagte mir neulich ein Buchmensch.

Das Argument ist erstens irrelevant, weil hochwertige Literatur nur einen Bruchteil des Gesamtumsatzes ausmacht; es darüber hinaus falsch. Denn wenn es stimmte, dann würden die Leute auch weiterhin Mahler-Symphonien auf Vinyl kaufen und Visconti-Streifen auf VHS.

Davon ab: Habe neulich Homers Ilias auf dem Kindle gelesen. Ist dort genauso zäh wie als Reclamheft.

3. Beratung wandert komplett ins Internet.

Mit den Plattenläden verschwand auch der nette Typ hinter den Drehtellern, der einem sagen konnte welche Bands so ähnlich klingen wie Camper Van Beethoven. Das sah mal wie ein Problem aus, rückblickend hat sich jedoch gezeigt, das spezialisierte Portale wie laut.de diese Beratungslücke problemlos füllen können, flankiert von Social-Media-Empfehlungen über Spotify, FacE-Book oder Turntable.fm.

Im Buchmarkt wird die Entwicklung genauso verlaufen. Erstens, weil es, siehe oben keine Buchhändler mehr geben wird, an die man sich wenden könnte. Zweitens, weil ein nicht unerheblicher Teil der Buchverkäufe schon heute auf persönlichen Empfehlungen basiert. In gewisser Weise sind Bücher seit jeher ein Social-Media-Markt par excellence, in dem vieles über persönliche Recommendations geht. Goodreads ist der Vorreiter: Dieses Leseportal hat mir in drei Monaten mehr sinnvolle Empfehlungen geliefert als die Buchhändler in meinem gesamten Leben.

4. Die Unterscheidung zwischen Hard- und Softcover ist tot.

Auf den Kindle sieht jedes Buch gleich aus. Es wird deshalb schwieriger, ja unmöglich, werden, dem Leser zu vermitteln, warum er für eine bestimmte Ausgabe mehr bezahlen soll. Für Hardcover blecht man ja auch nicht wegen des schicken Pappdeckels extra, sondern wegen des early access.

Theoretisch erscheint es denkbar, dass man den Preis für Bestseller auch bei digitalen Formaten staffelt, so wie es teilweise bei neuen US-Fernsehserien auf iTunes der Fall ist, die zunächst $50 kosten und später noch $20.

Das erscheint mir aber unrealistisch. Denn es wird nur das illegale Kopieren befeuern. Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass ein Buch aufgrund der winzigen Datenmenge viel leichter zu downloaden ist, als ein Album oder gar ein HD-Film.

Die Erfahrung zeigt, dass Kunden immer dann zu Schwarzkopien greifen, wenn man ihnen etwas vorenthält, das sie gerne hätten – siehe “Game of Thrones”, Staffel zwo. Zu glauben, dass Millionen von Lesern auf den nächsten Teil von Harry Potter warten, obwohl die Datei (zu einem exorbitant hohen Earlybird-Preis) bereits verfügbar ist, das ist naiv. Die Folge wird sein: One price fits all.

5. Die Ausstattung von Printbüchern wird edler.

Um überhaupt noch totes Holz verkaufen zu bekommen, werden die Verlage genau wie die Musikindustrie zu opulenten Aufmachungen greifen. Wer in zehn Jahren noch Game-of-Thrones-Printbücher verticken will, der sollte besser eine DIN-A-1-Karte von Westeros beilegen, sowie einen Satz Aufkleber mit den Wappen der wichtigsten Häuser. Because Winter Is Coming.

6. Kleine geile Verlage entstehen.

Während es den Buchhändlern an den Kragen geht, werden viele neue Verlage entstehen. Das liegt daran, dass wie bei allen Branchen, die vom Internet durchdrungen werden, die Grenzkosten sinken und die Einstiegsbarrieren wegfallen. Jeder unzufriedene Lektor eines Großverlags kann demnächst seinen eigenen Verlag für bretonische Literatur des Mittelalters gründen. Dazu benötigt er nur einen Laptop. Und Übersetzer, die Bretonisch können.

7. Die Taktung wird höher werden.

Jeder Autor, der sein (zweifelsohne brillantes) Werk bei seinem Verlag abgibt, ärgert sich in den folgenden Monaten schwarz, dass sein völlig fehlerfreier, dramaturgisch perfekter und auch ansonsten makelloser Text nicht schneller der darauf gespannt wartenden Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Sarkasmus beiseite: Es gibt natürlich gute Gründe dafür, dass zwischen Manuskriptabgabe und Veröffentlichung Zeit verstreicht. Ein nicht unerheblicher Teil dieser fünf oder sechs Monate ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass es Vertreterkonferenzen gibt, dass die Buchhändler ( vor allem die Ketten) zu dem Titel befragt werden, dass Bestellungen eingesammelt werden müssen.

Wenn es aber keine Buchhändler mehr gibt und die physische Herstellung des Buches wegfällt, bleiben im Wesentlichen Coverdesign, Lektorat, Schlussredaktion, Satz. Da eigentlich alle an dem Buch Beteiligten aus wirtschaftlichen Gründen ein Interesse daran haben, dass es eher heute als morgen Erlöse generiert, wird sich der Produktionsprozess rapide beschleunigen.

8. Autoren werden mehr publizieren.

Fast jeder Autor hat auf seiner Festplatte unveröffentlichtes Material – Essays, Kolumnen, Kurzgeschichten. Das ist Zeug, das heutzutage in der Regel kein Verlag haben will (außer der fragliche Schriftsteller ist entweder sehr berühmt oder sehr begnadet).

Da die meisten Autoren eher knapp bei Kasse sind, werden sie verstärkt darüber nachdenken, all diese Inhalte direkt bei Amazon oder über volldigitale Spezialverlage zu publizieren. Liegt ja sonst nur rum.

9. Es wird viele Trent Reznors geben.

Im Musikmarkt ist Trent Reznor (“Nine Inch Nails”) das Paradebeispiel dafür, wie man seinem Plattenlabel irgendwann den Finger zeigt und dazu übergeht, alles selbst zu machen. Mit Selbstmachen meine ich nicht, dass der Schriftsteller auch noch Manager und PR-Fuzzis werden. Aber die Stars der Branche, die mit ihren Titeln mehrere Millionen Umsatz im Jahr generieren, werden sich irgendwann überlegen, ob es für sie nicht gewinnträchtiger wäre, ihren Lieblingslektor direkt bei sich anzustellen, dazu ihren Agenten und ihren PR-Berater und dann alles im Eigenverlag zu machen. Angesichts der Tatsache, dass der Autor vom Verkaufspreis eines Buches selten mehr als 10 oder 12 % bekommt, ist das Incentive, dies zu tun, riesig.

10. Auslandsausgaben werden im Inland produziert.

Aus kulturellen Gründen ist es etwa für deutsche oder französische Autoren schwierig, auf dem englischsprachigen Markt zu reüssieren. Was die Sache noch vertrackter macht, ist der Umstand, dass man für die englische Ausgabe eines Buches heutzutage immer einen amerikanischen oder britischen Partner benötigt. Der kauft von dem deutschen Verlag die Rechte und kümmert sich um Übersetzung und Vermarktung.

In einem voll digitalen Vertrieb ist dieses Modell jedoch passé. Denn die Markteintrittskosten sind nun vernachlässigbar; niemand hindert den deutschen Verlag (oder den Autor selbst) daran, ein Buch selbst zu übersetzen und via iTunes und Amazon.com weltweit zu vermarkten.

Selbst bei einem Titel, dem man keine allzu großen Chancen auf dem englischsprachigen Markt einräumt, wird es in Zukunft sinnvoll sein, auf gut Glück eine Übersetzung auf den Markt zu werfen. Denn der angelsächsische Markt ist gigantisch und in Wahrheit weiß ja sowieso niemand, warum Bücher Erfolg haben.

Eine Übersetzung kostet lediglich ein paar Tausend Euro, das Einstellen des digitalen Buches bei Amazon ist umsonst und der Titel ist nun für eine halbe Milliarde Leser abrufbar. Es ist billig,es ist chancenreich und darum werden es alle machen.

Disclaimer: Prognosen basieren auf Annahmen. Und diese Annahmen sind fast immer falsch. Als McKinsey in den Achtzigern für AT&T untersuchen sollte, ob sich ein Einstieg in den jungen Mobilfunkmarkt lohnt, da lautete das Ergebnis: bloß nicht. McKinsey prognostizierte nämlich, der weltweite Markt werde anno 2000 etwa eine Million Geräte umfassen. Ich hoffe, ich liege mit den E-Books nicht ganz so weit daneben.

Tom Hillenbrand (39) hat Politik, Wirtschaft und Ostasienwissenschaften studiert. Danach volontierte er an der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalismus. Er arbeitete von 2001 bis 2005 aus Hamburg und New York als Wirtschaftsredakteur und Tech-Kolumnist für Spiegel Online. Danach war er Telecoms Correspondent der Financial Times Deutschland. Von 2007 bis 2010 war er Ressortleiter Auto bei Spiegel Online. Seit 2011 ist er von München aus als Krimiautor tätig und schreibt für Spiegel Online die Wirtschaftskolumne “Warteschleife”. Texte von ihm erschienen unter anderem in: Financial Times Deutschland, Financial Times, Handelsblatt, Business Punk, Die Zeit, Der Standard, Wall Street Journal Europe, Businessweek.com sowie bei Spiegel Online.

Der Text ist eine Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. Hier geht’s zu seinem Blog.

Kommentare

11 Kommentare zu "Tom Hillenbrand: Zehn steile Thesen zum E-Book"

  1. Das Beispiel Großbritanniens zeigt, dass die kleinen und unabhängigen Buchhändler aus dem Erfolg der elektronischen Bücher einen nicht unerheblichen indirekten Nutzen ziehen. Dort gibt es eine fachkundige Beratung und ein klug gewähltes Sortiment, das wissen viele Leser zu schätzen. Es wird aber wohl den Branchenriesen an den Kragen gehen, wie übel das ist, das soll jeder für sich selbst entscheiden.

  2. Lieber Herr Hillebrand,

    nur zu These 10:

    Ich stelle mir vor, wie das Leben für uns Englisch-Übersetzer dann aussieht, nämlich paradiesisch. Da so wenig Schüler in den USA und Großbritannien noch Fremdsprachen lernen haben wir den Markt voll im Griff, während die Nachfrage ins Unermessliche steigt und steigt, weil alle Schriftsteller auf der ganzen Welt auf unsere Dienstleistungen zurückgreifen wollen. Die paar tausend Euro pro Buch verdienen wir im Handumdrehen dadurch, dass wir die Werke durch Google Translate jagen und schnell mal drüberschauen – zwei Romane vor dem Frühstück, wie freue ich mich darauf. Am liebsten lasse ich mich von den besonders hübschen Schriftstellern hofieren, ohne Schleimerei läuft leider nichts vor 2021, sorry, ich bin ausgebucht.

  3. Persönlich kann ich mir ein Leben ohne Buchläden schwer vorstellen. Jede Woche besuche ich welche und stöbere, dito Bibliotheken. Ein Bucherfahrung,die nur online stattfindet, erscheint mir etwas fad.

    Aber das Problem bei dieser Sichtweise ist, dass sie auf persönlichen kulturellen Lernprozessen beruht. Werden die Nachgeborenen noch genauso empfinden? Die 30-jährigen, die 2031 Bücher kaufen, sind 2001 geboren und sehen das vermutlich völlig anders.

    Ich hoffe sehr, dass die These vom Buchhändlersterben nicht bewahrheitet, denn sie bereitet mir keinerlei Freude; dagegen sprechen die Buchpreisbindung und der kulturelle Stellenwert des gedruckten Worts in Deutschland.

    Da hofft der Buchfreund in mir, aber der nüchterne Wirtschaftredakteur guckt sich andere Teilbereiche der Medienbranche an und sieht eine deprimierendere Entwicklung. Großbritannien etwa, das Land der Musik- und Plattenkultur hat alleine von 2005 bis 2010 mehr als 60% seiner unabhängigen Plattenläden verloren (269 von einst 900). Dass deren Zahl jetzt wieder leicht zunimmt, ist vor diesem Hintergrund wohl eher ein statistisches Artefakt.

    Das Brutale an diesen digitalen Transformationen ist, dass sie zunächst jahrelang schleichend verlaufen,und dann binnen kurzer Zeit irrsinnig an Fahrt gewinnen.

  4. .. ist tatsächlich widergekäuter Schadausstoß, recht hübsch zusammengestellt und bebeispielt, aber hej – war das nötig?
    Anyways, mir fehlt wie immer die Frage nach dem content in der Flatrate und ein zumindest gedanklicher Ansatz bzgl. der Ursachen der Monetarisierungsfalle und was dagegen getan werden kann – und eine Ergänzung: es wird endlich endlich weniger miese Publikationen geben. Weniger Bücher, definitiv weniger Titel von Verlagen, dafür bessere. Find ich persönlich nicht schlecht.

  5. Herr Hillenbrand, vielen Dank auf diesem Wege für Ihre Thesen und auch für Ihre großartige mythenmetzsche Abschweifung im SPON („Haus der traurigen Bücher“).

    Ich schließe mich der vorgenannten Vermutung an, dass der Zeitrahmen für diese Szenarien doch eher deutlich unter den von Ihnen genannten 20 Jahren liegen wird.
    Schon jetzt empfinde ich die Haptik eines Kindle als angenehmer denn die eines schwach geklebten Paperbacks, plus verfügbare Funktionen, die das digitale Medium so mit sich bringt (Suche, Thesaurus, Zoom, etc.).

    Einen prognostizierten Untergang lese ich aus dem Text nicht heraus. Es sind mehrere Entwicklungen deutlich genannt („Kleine geile Verlage“, „Autoren werden mehr publizieren“), die dem geschriebenen Wort die zukünftige Berechtigung nicht nur zuerkennt, sondern umso spannendere Szenarien zeichnen — beispielhaft konkret benannt und bereits funktionierend (Goodreads).

    Eine Frage, die mich beschäftigt: Was passiert (oder kann passieren) in analogen Räumen von Buchhandlungen, was nicht digital abbildbar ist? Wie ist das mit dem Internet verknüpfbar? Buch(Tupper)partys unter dem Denkmantel der Autorenlesung … ?

    Gerne würde ich von Ihnen eine Meinung / einen Kommentar zur Buchpreisbindung und zum Leistungsschutzrecht lesen.

  6. Bernd Fleisig | 4. Juni 2012 um 9:55 | Antworten

    Bin mit dem meisten einverstanden: Alle Thesen sind Wesensmerkmale und Folgeerscheinungen der Buchdigitalisierung.

    Es fehlt, dass mit einer neuen Kostenstruktur auch eine neue Preisfindung kommen wird. Dauerhaft wird sich kaum ein eBook für mehr als € 0,99 verkaufen lassen.

    In einer Sache noch bin ich uneins: Es wird nicht 20 Jahre dauern, sondern höchstens 3 -4 Jahre, bis die Buchhandlungen verschwunden sind. Wenn eine Branche mal stirbt, dann geht das schneller als schnell.

  7. Bei allem Respekt: Ach Leute – das ist mir echt zu öd. Und der buchreport veröffentlicht das ‚zweit‘. Ich hätte auf ‚erst‘ schon verzichtet. Es ist halt in den letzten digital gefluteten (Netz-) Welten alles gesagt – doch immer noch nicht von allen. ‚Untergang des Buchhandels‘: über 5000 Treffer, ‚Ende des Buchhandels‘ – uups: nur 400 Treffer. Okay! Na dann – ich geh mal weiter arbeiten: an guten Geschäftsmodellen, guten Prozessen, guten Shops, guten Ideen (Innovation Prototype) und guter Aus- und Fortbildung für unsere Buchhändler und Verleger. Mal sehen, wofür das gut ist….

  8. US-Verhältnisse lassen sich nicht einfach übertragen. Bei uns ist das e-Book bislang eine Randerscheinung, da es zum gleichen Preis wie das Printbuch verkauft wird. Die Frage ist, ob die Verlage diese Blockadepolitik aufrechterhalten können.
    Am hochpreisigen Buch hängt das Überleben der etablierten Verlage und Buchhandlungen. So lange aber die eBook-Reader nicht weit verbreitet sind, lohnt es sich nicht für die Autoren die Verlage mit einem direkten eBook-Angebot zu umgehen.
    Selbstverlag über Amazon (POD und eBook) sowie neue als Verleger agierende Autorenvereinigungen können diese Front aufbrechen. Autorentantiemen in Höhe von 40-50% sowie eBook-Preise in Höhe von 30% des aktuellen Printpreisniveaus würden sich dann für alle rechenen.
    Klassischerweise reagieren die Verlage auf die dann sinkenden Auflagen mit weiteren Preiserhöhungen und schaufeln sich damit ihr eigenes Grab.
    Das alles wird dauern. Denn niemand braucht billige Bücher und die Hauptmotivation der Autoren ist nicht ihr Honorar. Das aktuelle Geschäftsmodell der Verlage ist jedoch nicht mehr nachhaltig und wird sterben. Langfristig hilft da weder die Blockadepolitik noch die weitere Ausweitung der Verlagsrechte durch den Gesetzgeber. Die Verlage erstreiten sich damit jedoch Überlebenszeit, die sie allerdings ungenutzt verstreichen lassen.
    Totgesagte leben länger – sterben jedoch irgendwann trotzdem.

  9. Frank Schwarz | 31. Mai 2012 um 15:34 | Antworten

    Ich kaufe weiterhin körperliche Musik-CDs und DVDs. Digitale Produkte interessieren mich nicht. Ich gehöre zu den geburtenstarken Jahrgängen und in 20 Jahren wird es viele Senioren wie mich geben, die das Hantieren mit Dateien aktiv verweigern werden, weil sie ihre Lebenszeit lieber drangeben, Bücher zu lesen und Musik zu hören und es den Fachleuten überlassen, diese für sie zu besorgen. Wenn es dann keine Buchläden mehr geben wird, dann eher, weil Bücher nur noch mit 8-10% rabattiert werden bei freiem Preis. Daran gingen die Plattenläden zugrunde, es war einfach nix mehr zu verdienen.
    Ich hoffe doch, daß ich auch als Ruheständler noch in Buchläden gehen kann. Bis dahin: weitermachen, mit einem Lächeln auf den Lippen.

  10. Martina Bergmann | 31. Mai 2012 um 11:28 | Antworten

    Der Autor und ich könnten jetzt Mitleid austauschen. Er hat Mitleid mit Buchhändlern und ich habe Mitleid für Leute mit Dünkel und ohne Ahnung. Da Dekonstruktion aber nicht eine Handlungsprämisse des Kaufmanns ist, will ich es anders sagen. Die Buchhändler im Sinne von – Ich verkaufe Inhalt über Beratung und lebe vom Ertrag dieses Tuns – diese Buchhändler ärgern sich seit geraumer Zeit über schlampige Produkte. Wir wollen gute Texte in schöner Sprache sorgfältig bereitet, und zwar in jedem Format. Ebook-Verlage haben wir hier nicht als Übeltäter kennengelernt; ganz im Gegenteil. Ich möchte hier nur Dotbooks nennen, eine kluge und kundige Gründung. Papierbuchverlage könnten manchmal ein wenig tiefer in die Herstellungskostenschatulle greifen, dagegen hätt ich nichts. Ich kriege aber Schweißausbrüche und Zornesfalten, wenn ich Inhalte vorgelegt bekomme, wo ich sehe – Da hat einer Copy-Paste mit Satzbau und Stilkunde verwechsel. Da muss mir der ländliche Endverbraucher sagen, diese Sterbensweise im Kriminalroman ist untödlich. Da muss der Koch kommen und berichten, hier passt die Gewürzmischung nicht, ich schreibe dieses Buch neu. Das ist der Punkt, liebe Autoren. Überlegt Euch, von wem Ihr lebt – Ihr lebt von den Lesern. Ob sie sich Buchhändler oder anders nennen: Mit Dünkel und ohne Ahnung wird das nichts.

  11. Das beste an diesem Beitrag ist der Disclaimer. Steil sind die Thesen allerdings und sonderlich originell finde ich sie nicht. Ich bewundere den Autor, daß er eine Prognose über einen so weiten Zeitraum wagt – mehr als das berühmte stochern im Nebel können solche Prognosen nämlich gar nicht sein. Ich hake diesen Beitrag deshalb als wenig originelles, weiteres Untergangsszenario ab und gehe lieber wieder in meinen Laden und arbeite daran, meinen baldigen Untergang noch etwas hinauszuzögern.

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